unantastbar

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22:04

Jamal stand vor mir, seine Augen voller Erwartung, als ob er all die Verletzungen sehen wollte, die Ali mir zugefügt hatte. Zögernd zog ich langsam meine Bluse hoch, ließ jedoch mein Unterhemd an. Meine Augen füllten sich mit Tränen, als ich auf die Narben an meinen Armen und Schultern starrte. Meine Lippen zitterten. Es fühlte sich schrecklich an, mich so verletzlich zu zeigen, und ich hasste dieses Gefühl.

Jamal strich sanft über die Narben, seine Berührung leicht wie eine Feder. Seine Augen weiteten sich vor Schock, als er die Spuren von Alis Grausamkeit sah. Ich versuchte, von der Theke herunterzukommen, und Jamal half mir behutsam, seine Hände fest an meiner Taille. Er schaute mir tief in die Augen und sprach leise, sanft, was mich überraschte.

"Ich habe mich in dir getäuscht. Du bist stärker, als ich mir das jemals hätte vorstellen können."

Ich war still, konnte nichts sagen. Seine rechte Hand strich sanft über meine Wange, und er näherte sich mir, bis seine Stirn an meiner lehnte. Es war das erste Mal, dass ein Mann so sanft zu mir war. Ein Gefühl von Verwirrung und Schock durchfuhr mich. Ich löste mich ein Stück von ihm und senkte meinen Kopf, um dem Moment zu entkommen. Doch er hob mein Kinn mit seinen Fingern und drückte mir plötzlich einen sanften, kurzen Kuss auf die Lippen.

Ich verstand nicht, warum er mich küsste, und schaute ihn fragend an. Ein Kribbeln breitete sich in meinem Bauch aus, ein kleines Fünkchen Hoffnung, das ich schon lange nicht mehr gespürt hatte. Er brach die Stille.

"Ali will dich tot sehen."

Ich war gar nicht überrascht und nickte nur.

"Ali hat herausgefunden, dass ich mit dir arbeite. Deswegen will er die Drogengeschäfte ruinieren."

Jamal nickte, als hätte er es erwartet.

"Das habe ich mir schon gedacht."

Ich fühlte keine Angst.

"Er wird mich niemals umbringen, dazu ist er nicht in der Lage" sagte ich mit fester Stimme.

Jamal hielt mich fest und schaute mich verwirrt an.

"Was meinst du damit?"

Ich spürte, wie meine kalte, schützende Seite wieder zum Vorschein kam.

"Du weißt nicht alles, Jamal. Es gibt Dinge, die du niemals verstehen wirst." Ich wollte mich selbst schützen, die Mauern um mein Herz wieder hochziehen.
"Warum lässt du mich nicht in dein Leben?" fragte er, seine Stimme drängend.
"Warum zeigst du mir nicht, was wirklich in dir vorgeht?"

Ich schaute ihm in die Augen, verstört und hatte keine Ahnung, was er von mir erwartet.

"Weil ich dir nicht traue. Du bist nicht anders als die anderen. Du bist genauso gefährlich."

Er ließ meine Worte einen Moment lang wirken, bevor er sprach.

"Ich weiß, aber das gehört zum Geschäft, Soleil, das weißt du. Aber ich will dir helfen."

Ich schüttelte den Kopf.

"Ich brauche deine Hilfe nicht. Ich komme alleine klar."

Er schien verletzt von meinen Worten, aber er ließ mich nicht los.

"Ich will nicht, dass dir etwas passiert."
"Das ist nicht dein Problem," sagte ich scharf und versuchte, mich von ihm zu lösen.

Er hielt mich noch fester, seine Augen flehend. Was sollte das?

"Bitte, Soleil. Lass mich dir helfen."

Ich spürte, wie meine Entschlossenheit bröckelte. Vielleicht, nur vielleicht, konnte ich ihm vertrauen. Aber die Vergangenheit hatte mich gelehrt, vorsichtig zu sein.

"Warum tust du das?" fragte ich leise.
"Warum bist du plötzlich so besorgt um mich?"

Er zögerte, dann sagte er plötzlich, was mich verstummen ließ.

"Weil ich in dir etwas sehe, das ich auch in mir sehe. Wir sind beide gebrochen, aber wir können uns gegenseitig helfen, wieder ganz zu werden."

Seine Worte trafen mich tief. Vielleicht war er doch anders. Vielleicht gab es Hoffnung. Aber es würde Zeit brauchen, das zu glauben.

Ich starrte Jamal nur in die Augen und sagte nichts. Es war ein Gefühl, das ich nicht beschreiben konnte und noch nie gefühlt hatte. Ich wollte mich lösen, aber Jamal hielt mich erneut fest und zog mich zurück.

"Lass mich bitte los." bat ich sanft, aber er schüttelte den Kopf.

Seine Augen verdunkelten sich langsam, und ich konnte erkennen, dass er wütend wurde. Jeder Mann, den ich kannte, wurde wütend, wenn er nicht das bekam, was er wollte von mir. Ich seufzte und lehnte mich an die Theke, erwartete, dass er wieder handgreiflich würde.

"Du kannst nicht einfach so weitermachen," sagte er, seine Stimme fester.
"Ach nein?" Ich provozierte ihn kühl, schwach, meine Worte scharf und frech.
"Was wirst du tun, Jamal? Mich schlagen? Deine Wut an mir auslassen? Denkst du, ich halt das nicht aus?"

Er kniff die Augen zusammen, versuchte, seine Geduld zu bewahren.

"Wir könnten uns gegenseitig helfen. Zusammen könnten wir Ali fertig machen."
"Ich brauche deine Hilfe nicht," sagte ich kühl.
"Ich will nur Geschäfte machen und Geld verdienen. Was Ali angeht, ist das mein Problem. Ich kann das alleine lösen."
"Du verstehst nicht," erwiderte er, seine Stimme dringlich.
"Ich und die Jungs haben auch Probleme mit Ali. Zusammen sind wir stärker."

Ich schüttelte den Kopf.

"Du kannst meine Probleme mit Ali nicht mit eurem vergleichen. Das ist meine Sache, nicht eure, oder deine."
"Du bist stur," sagte er, seine Geduld langsam erschöpft.
"Warum willst du nicht, dass ich dir helfe?"
"Weil ich dir nicht traue," antwortete ich scharf.
"Und weil ich nicht will, dass du dich in meine Angelegenheiten einmischst."

Er trat einen Schritt zurück, seine Augen noch immer auf mich gerichtet.

"Du willst wirklich alleine kämpfen?"
"Ja," sagte ich fest.
"Jetzt geh."

Seine Wut kochte hoch.

"Die Jungs misstrauen dir," sagte er laut.
"Wenn du mit mir arbeitest, beweist du ihnen, dass du keine Gefahr für das Geschäft bist."

Ich lachte kalt.

"Wenn die Jungs mir misstrauen, können sie gerne auf mich verzichten. Sie werden nicht so leicht jemanden wie mich finden, die guten Stoff besorgt bekommt."
"Es geht nicht nur um den Stoff" erwiderte Jamal, seine Stimme schneidend.
"Es geht darum, wie loyal du sein kannst."

Ich schaute ihn verstört an.

"Hörst du dir selbst zu? Wenn ich nicht loyal wäre, wüsste Ali alles über eure Geschäfte. Ali hasst euch- die Jungs von Hoodblaq. Das Letzte, was ich tun würde, wäre, mit euch zu arbeiten, wenn ich noch mit Ali zusammen wäre, auch wenn er so scheiße zu mir war."

Jamal schüttelte den Kopf.

"Ich vertraue dir, Soleil, aber du musst auch etwas entgegenbringen."

Ich nahm ihn nicht ernst und winkte ab.

"Das ist doch lächerlich."

Mit einem lauten Knall schlug er die Tür hinter sich zu und ließ mich in der Stille zurück. Ich merkte, dass ich ihn wirklich verärgert hatte. Ich hatte wirklich erwartet, dass er mich wieder schlägt. Er konnte sich gut beherrschen, wenn es drauf ankommt. Erleichterung und Bedauern durchströmten mich gleichzeitig. Ich war froh, dass er gegangen war, aber ein Teil von mir wollte ihm vertrauen. Nur konnte ich es nicht riskieren.

Ich lehnte mich gegen die Theke und schloss die Augen, versuchte meine Gedanken zu ordnen. Seine Worte hallten in meinem Kopf wider. Vielleicht hätte ich ihm eine Chance geben sollen. Vielleicht war er doch anders. Aber das Vertrauen fiel mir schwer. Die Narben an meinem Körper erinnerten mich daran, wie gefährlich es war, jemandem zu vertrauen. Doch trotz allem spürte ich dieses kleine Fünkchen Hoffnung, dass nicht alle Menschen gleich waren.

Ich seufzte tief und ging ins Badezimmer, um das Blut von meiner Nase zu waschen. Der Schmerz in meinem Körper erinnerte mich daran, wie gefährlich es war, jemandem zu vertrauen. Aber tief in meinem Inneren war da dieses kleine Fünkchen Hoffnung, dass vielleicht, nur vielleicht, Jamal nicht so war.

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