Kapitel 2

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»Steht dir gut!«, nickte Louis anerkennend, als Harry aus dem Bad hinaus in den hell erleuchteten Flur trat.
»Danke«, murmelte Harry. Und dann, mehr zu sich selbst, fügte er hinzu: »Wird nur leider nicht so lange bleiben.«
»Wie bitte?«, fragte Louis und trat auf Harry zu, hielt aber ausreichend Abstand, um seinen Kopf nicht zu sehr in den Nacken legen zu müssen. Harry war gute 10 cm größer als er.
»Die Klamotten sind Ende dieser Woche wieder dreckig, meine Haare und mein Bart, einfach alles wird wieder wachsen und spätestens in 2 Monaten sehe ich aus wie vor einer Stunde«, murmelte Harry, blickte zu Boden und drückte seine alten Klamotten gegen sich.
»Harry? Sieh mich an«, forderte Louis ihn auf. Harry hob seinen Blick, er war kurz davor, in Tränen auszubrechen.
»Es ist die Wahrheit. Niemand will mich...«, seine Stimme brach, doch bevor er sich die Tränen von den Wangen wischen konnte, spürte er eine warme Hand an seiner Wange. Louis.
»Ich. Ich will das du bei mir bleibst. Bitte.«
»Warum solltest du? Ich habe kein Geld«, brummte Harry und trat von Louis weg. Dessen Hand fiel nach unten und er blickte zögernd nach oben.
»Ich weiß. Aber ich hab Geld. Schau«, Louis zeigte auf seinen Flur. Alles hier schrie förmlich: »Ich war teuer!« Louis seufzte: »Und selbst wenn du Geld hättest, ich möchte es nicht. Du magst kein Geld haben, aber du hast etwas, was sehr wenige Menschen auf dieser Welt haben, Harry.«
Harry lachte trocken auf: »Ja, genau. Nen großen Schwanz. Ich brauche keinen Sugardaddy.«
»Ich auch nicht. Es geht mir um deine Stimme, Harry.«
»Ich singe scheiße. Punkt. Ich kann dir nichts geben. Es tut mir leid. Aber ich muss raus hier«, flüsterte Harry, den Tränen nah, und drehte sich um, steuerte auf den Treppenabgang zu. Doch bevor er die Treppe hinabging, drehte er sich nochmal um. Louis folgte ihm nicht, er strich sich lediglich durch seine Haare.
»Wenn du willst, ich leb hier. Bis dann, Harry Styles.« Mit den Worten drehte er sich um und verschwand in einem Zimmer links von ihm. Harry ging die Treppe hinab, griff nach dem Autoschlüssel, holte seine Sachen und legte den Schlüssel auf den Küchentisch ab. Dann drehte er sich noch ein letztes mal um, bevor er die Haustür hinter ihm ins Schloss zog und wieder hinaus auf die Straße trat. Sein zuhause.

Was hatte er sich nur dabei gedacht? Jetzt fing alles Leid von vorne an. Es war wie eine Sucht. Man bekam etwas gutes, aber man konnte es nur einmal haben. Hätte er bei Louis bleiben sollen? Nein. Der Typ war komisch. Er kannte ihn ja kaum und baute dann gleich so viel Körperkontakt auf.
Den Kopf auf die Schultern gezogen lief Harry durch die dunklen Gassen der Stadt. Zurück zu dem Ort, wo er herkam, was er zuhause nannte. Immerhin war es einigermaßen vor Regen geschützt. Und manchmal warm. Sein Zuhause war eine umgekippte, große Mülltonne, die direkt neben einem Lüftungsschacht stand. Nur roch es hier auch oft nach Essen. Und es gab Ratten. Aber Ratten waren süß. Die sahen  aus und rochen genauso wie Harry. Hier fühlte er sich zumindest ein bisschen zuhause. Abends brachte ihm den Restaurantchef, welchem der Platz gehörte, auf dem Harrys Mülltonne stand, eine übrig geblieben Mahlzeit. Er duldete Harry hier nur, weil er nicht störte. Ansonsten wäre er schon längst vertrieben worden.
Müde schob Harry seinen Rucksack unter der Mülltonne durch und kletterte anschließend hinterher. Traurig ließ er sich auf seinen Schlafsack fallen. Er würde nicht warten, bis er Essen bekam. Dafür war die Trauer in ihm viel zu groß. Er wollte einfach nur seine Augen schließen und nie wieder öffnen.

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