𝐊𝐀𝐏𝐈𝐓𝐄𝐋 𝟐𝟐

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Ich höre, wie eine Zimmertür sich schließt und sehe, wie Alessio mein Zimmer betritt

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Ich höre, wie eine Zimmertür sich schließt und sehe, wie Alessio mein Zimmer betritt. Im gleichen Augenblick sehe ich mich, wie ich mit vielen Schläuchen im Bett liege, während Antonio neben mir steht. Alessio macht langsame Schritte auf mich zu und setzt sich zu mir aufs Bett. Seine warme Hand berührt mich und ich spüre das Kribbeln seiner Haut.

»Hallo Ma.« Hallo mein Junge..

Ich trete an ihn heran und umfasse seine Hand, jedoch gleitet meine einfach hindurch. Sein Kopf dreht sich zu mir, doch ich weiß, dass er nur zum Fenster schaut.

»Die ersten Schneeflocken fallen bereits... Ich weiß, wie sehr du sie liebst...« Ich seh hinter mir zum Fenster und erkenne die weißen, kleinen Flocken, die sich mithilfe des Windes einen Weg auf den Boden bahnen. Du hast Recht mein Kind, ich liebe Schneeflocken. Denn sie sind alle unterschiedlich, genauso wie wir es sind.

»Bald können wir den Baum aufbauen, so wie wir es früher gemacht haben... Gemeinsam mit Aurelia, Alvaro und Adora... Wir als kleine Familie.« Wie eine Familie... »Er ist so groß geworden...«, spricht Antonio neben mir und betrachtet, genauso wie ich es die ganze Zeit getan habe, unseren Sohn. Ich nicke ihm zu. »Der Krieg ist zuende...«, hauche ich.

»Bitte  verlass mich nicht so, wie Papa es getan hat...« Ich werde kämpfen, Sio und werde für dich bleiben. »Tu mir bitte den Gefallen und bleib nicht für immer dort oben bei ihm. Ich brauche dich hier unten.« »Ich weiß, es fällt dir schwer zu gehen, doch tu es für unseren Sohn.« Ich will bei euch beiden bleiben, doch dort warten zwei Männer, die mich lieben.

»Siehst du... Der Schnee wird stärker. Bald kannst du wieder Papa als Schneemann bauen.« Gemeinsam mit Antonio drehe ich mich herum und laufe zum Fenster. Der Schnee benetzt die Parkplätze und lässt alles weiß glänzen. »Bald kann ich Papa wieder als Schneemann bauen...«, spreche ich seine Worte nach und lege meine Hand auf seine, als er ebenfalls aus dem Fenster schaut.

Meine Augen reißen sich auf, als das Beatmungsgerät abgestellt wird und mir die Luft wegbleibt. Ich würge vor mir hin und zapple mit meinen Händen. Die Ärztin neben mir drückt einen Knopf, was dazu führt, dass ein schriller Ton ertönt. In Sekundenschnelle ist dann ein weiterer Arzt in mein Zimmer gelaufen.

Mein Rachen schmerzt, während er einen Schlauch herauszieht und mein Würgen stärker wird. So sehr, dass ich mich übergeben muss, allerdings hält die Ärztin mir im richtigen Moment eine Schüssel vor den Mund.

Dankend sehe ich ihr entgegen. »Es ist schön, dass Sie wach sind, Mrs. Jiménez«, spricht die männliche Stimme mich an. Die Tage ist es sehr still gewesen. Ein paar Mal habe ich gehört, wie Alessio mir lachend Geschichten von Zuhause berichtet hat. Adora hat mir von Aurelia erzählt, da ihr ein neuer Zahn gewachsen ist und Alvaro mich vermisst.

Der Schnee ist immer stärker geworden und sie haben im Garten des Ruiz Anwesen Schneemänner gebaut, die uns als Familie darstellen sollen.

»Wie fühlen Sie sich?« Ich wende meine Augen wieder von dem großen Fenster ab, bei dem ich sehen kann, wie einzelne Schneeflocken herunterfallen und den Boden bedecken.

Ein kühles Braun sieht mir entgegen. »Als wäre ich tot gewesen?« Der Arzt beginnt zu lachen. »Das höre ich bei jedem meiner Komapatienten.« Quälend zwinge ich mir ein Lächeln auf die Lippen, nur damit dann eine Stille den Raum füllt.

»Darf ich meine Familie sehen?«, frage ich an beide gerichtet und lasse meinen Kopf hin und her schwanken. »Ich rufe sie an«, belächelt mich die junge Ärztin, während ich versuche, mich aufzurichten, jedoch sinke ich aufgrund der Schmerzen wieder zurück ins Bett.

Der Arzt tritt ans Bett heran und stellt es mit einer Fernbedienung an der Seite hoch. So rutsche ich leicht mit dem Kissen hinauf und ertrage erneut einen stechenden Schmerz.

Ein leises Klopfen ertönt an der Tür und erneut späht die junge Ärztin hinein. »Sie sind auf dem Weg«, teilt sie mir mit, woraufhin ich nicke. »Ich schaue in ein paar Stunden nochmal vorbei. Überanstrengen Sie sich bitte nicht und wenn etwas sein sollte, drücken Sie bitte den roten Knopf auf der Fernbedienung.«

Die ganze Zeit über befindet sich eine einzige Frage in meinem Kopf, allerdings weiß ich nicht, ob ich das fragen kann oder ob es bescheuert klingt. Jedoch, gerade als der Arzt sich abwenden will, halte ich ihn an seinem Kittel fest und blicke in das kühle Kastanienbraun. »Ist es normal...«, ich stoppe, denn sein Blick macht mir Angst. »Nur zu. Fragen sie ruhig.«

Sein Körper dreht sich wieder zu mir herum, wodurch ich fest schlucken muss und ich es gleichzeitig sofort bereue, da mein Hals schmerzt. »Ist es normal, dass man während man im Koma liegt, seine Geliebten sieht, die bereits verstorben sind?« Ich realisiere, wie unangenehm mir diese Frage ist. Ich will alles, nur nicht, dass er mich für verrückt erklärt.

Sein Mundwinkel zuckt und er lächelt leicht. »Vertrauen Sie mir, das ist völlig normal, Mrs. Jiménez. Sie pendeln während dem Koma zwischen zwei verschiedenen Welten hin und her, wodurch sie Gespräche und Personen sehen und gleichzeitig Berührungen spüren.« »Aber ich habe meinen verstorbenen Mann gesehen... Und mit ihm geredet...« Mein Arzt setzt sich zu mir auf die Bettkante, nimmt meine Hand in seine und beginnt zu sprechen.

»Sie hatten zwei Herzinfarkte, Calida. Diese Erfahrung, die sie gemacht haben, haben auch viele andere gemacht. Es sind Nahtoderfahrungen, in denen die Betroffenen das Gefühl haben, ihren Körper zu verlassen und auf verstorbene Angehörige zu treffen.« Seine Worte brennen sich in meinen Kopf. Sie klingen logisch und gleichzeitig so undeutlich.

»Also bin ich nicht verrückt?« Er lacht auf, wodurch ich mich mitreißen lasse. »Nein, Sie sind nicht verrückt. Jedoch müsste Ihre Familie gleich hier sein, also sehen wir uns in ein paar Stunden zur weiteren Kontrolle wieder.«

Er erhebt sich vom Bett und genau in dem Moment, als der zur Tür läuft, öffnet sich diese. Sio lächelt mir erfreut entgegen und ich realisiere, dass es eines seiner ehrlichsten Blicke ist. Der Arzt nickt allen zu und zieht hinter sich die Tür zu.

Meine Augen erblicken hinter Adora ein kleines Mädchen mit blonden Zöpfen. Verspielt sieht sie immer wieder vor ihren Beinen hervor und wendet sich lächelnd wieder ab.

»Du glaubst nicht, wie froh ich bin, dass du wieder wach bist...« Alessio stürzt sich quasi auf mich herauf und drückt mir dadurch fast wieder die Luft ab. »Bring sie nicht gleich wieder um!«, lacht Alvaro neben ihm, um dann seine Lippen auf meine zu legen. Sie fühlen sich wie die von Antonio an...

»Wer ist das?«, flüstert Aurelia zu ihrer Mutter hoch. »Deine Oma.« Ich bin sichtlich etwas verwundert, denn sie ist das Kind von Adora, wodurch Alvaro ihr Opa ist, sowie seine Frau ihre Oma. »Ich muss euch nämlich etwas beichten...«, währenddessen hält sie Aurelia die Ohren zu. »Sio ist ihr Vater. Ich habe sie damals nur adoptiert und bin nicht ihre leibliche Mutter...« Meine Augen weiten sich augenblicklich und ich halte meine Hand auf der Höhe meines Herzens.

»Hat sie einen Herzinfarkt?...« Ich bin wie erstarrt, genauso wie mein Sohn und blicke Adora geschockt entgegen. »Ich bin der Vater?« Er ist der Vater...

Eine Träne fließt mir am Augenlid lang. »Wisst ihr Kinder... Ich bin trotzdem trotzdem sehr stolz auf euch. Ihr habt euch trotz Krieg gefunden und nicht davon unterkriegen lassen. Jetzt könnt ihr eine wunderbare Familie werden.« Beide lächeln mich an. Alvaro haucht einen Kuss auf meine Stirn. »Wir sind eine Familie«, betont er nochmal, was auch ein Lächeln auf meine Lippen befördert.

THE LIGHT IN MY DARKNESS | 16+Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt