- 13 -

283 11 4
                                    

Nachdem ich Tuan die Wahrheit offenbart habe, ist seine Reaktion so heftig wie befürchtet - allerdings nicht mir gegenüber, sondern gegenüber Nyaz. Er besteht darauf, Nyaz zur Rede zu stellen, auch wenn ich erst versuche, ihn davon abzubringen. Irgendwann gebe ich mich geschlagen und stimme zu, auch wenn mir dabei ganz schlecht wird. Das Ganze muss enden, das weiß ich selbst, sonst war diese Vergewaltigung gestern nur ein Vorgeschmack der Hölle, die mich in den nächsten Monaten erwartet. Freiwillig wird Nyaz mich sicher nicht gehen lassen, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.

Zusammen fahren wir mit Tuans Wagen in den heruntergekommenen Mönchengladbacher Stadtteil, in dem Nyaz mit seinen Eltern und Geschwistern in einer viel zu kleinen Sozialwohnung wohnt. Auch wenn ich ihn noch nie zuhause besucht habe, habe ich ihn des öfteren hier abgeholt und kenne daher die Adresse.

Mein Herz rast, und ich kann kaum atmen, als wir ankommen. Ich habe keine Ahnung, wie das hier gleich ausgehen wird. Übelkeit steigt in mir auf und ergreift von meinem ganzen Körper Besitz.

Tuan parkt direkt vor dem tristen, grauen Wohnblock, und ich rufe Nyaz an, damit er runterkommt. Mit zittrigen Fingern klicke ich mich durch meine Kontakte, bis sein Name auf meinem Display erscheint. Es kostet mich Überwindung, auf den Hörer zu klicken. Nach ein paar Sekunden nimmt er ab. "Ich bin bei dir vor der Tür. Kannst du kurz runterkommen? Ich muss mit dir reden", bitte ich ihn ohne eine Begrüßung. Ich bin zu nervös für Höflichkeitsfloskeln.

Es dauert nicht lange, bis er draußen vor der Haustür erscheint. Er trägt einen schwarzen Jogginganzug und hat seine Locken unter einer Cappy versteckt. Als er Tuan neben mir sieht, stutzt der schmächtige Syrer, sichtlich irritiert von meiner unerwarteten Begleitung.

"Was will der denn hier?" fragt Nyaz misstrauisch, seine Augen flackern zwischen uns hin und her.

Tuan tritt einen Schritt auf ihn zu, sein Blick hart und unbeugsam. "Ich will mit dir reden, du Şerefsiz. Erzähl mal, wieso erpresst du Yael? Hast du überhaupt keine Ehre? Was zur Hölle stimmt nicht mit dir? Wenn sie keinen Bock mehr auf dich hat, musst du das akzeptieren."

Nyaz zuckt mit den Schultern und versucht, seine Unsicherheit mit einem Grinsen zu überspielen. "Sie hat das doch alles freiwillig gemacht. Ich hab sie zu nichts gezwungen."

Tuan ignoriert seine Ausrede und geht direkt zum Kern der Sache. "Du gibst mir jetzt alles, was du hast. Laptop, Handy, Kamera, was auch immer du benutzt hast, um diese Aufnahmen zu machen." Sein Ton lässt keinen Widerspruch zu. Der breitgebaute Türke überragt Nyaz locker um anderthalb Köpfe und baut sich bedrohlich vor ihm auf. Nyaz zögert kurz, sieht sich hektisch um, doch er weiß, dass er keine Wahl hat. Tuan zeugt deutlich, dass es ihm ernst ist. Langsam nickt er und wendet sich zum Haus, um die geforderten Sachen zu holen.

"Und keine Spielchen. Solltest du nicht innerhalb von drei Minuten wieder hier unten sein, komme ich hoch, und dann erzähle ich deinen Eltern, was ihr Sohn so treibt."

Er nickt eingeschüchtert.

Die Zeit vergeht wie im Flug, bis Nyaz nach zwei Minuten abgehetzt und kurzatmig wieder zu uns stößt.

In seinen Händen hält er einen alten Laptop und sein Handy. Tuan nimmt ihm beides ab und beginnt, gründlich alle Dateien zu durchsuchen. Jede Datei wird geöffnet, überprüft und gelöscht, Kopien in sämtlichen Ordnern und Cloud-Speichern beseitigt. Währenddessen behält er Nyaz im Auge, der immer nervöser wird.

"Sollte irgendwo eine Kopie existieren und irgendwas davon jemals irgendwo auftauchen, mache ich dich fertig. Yael wird dich anzeigen und von mir bekommst du deine Strafe auf eine andere Art", droht Tuan. Seine Stimme ist gefährlich leise, und die Intensität seiner Worte lässt selbst mich erschauern.

SINS & SECRETSWo Geschichten leben. Entdecke jetzt