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Als ich pünktlich auf den Parkplatz des Autohauses fahre, sehe ich mich gleich suchend nach Tuan um. Ich entdecke ihn am Ende des Parkplatzes, wie er lässig an einer schwarzen Mercedes-Benz Limousine lehnt.

Er trägt eine hellblaue Jeans, eine karierte Hemdjacke und ein enganliegendes, weißes T-Shirt, das über seiner trainierten Brust spannt. Zum ersten Mal sehe ich ihn nicht komplett in schwarz gekleidet, wie auf der Arbeit, und sein Stil gefällt mir.

Ich habe mich nach der Arbeit ebenfalls frisch gemacht und umgezogen. Statt Stoffhose und Body trage ich nun ein enges, knielanges Kleid und eine Jeansjacke.

Ich parke meinen Kleinwagen schwungvoll in einem Zug neben ihm, schalte den Motor ab und steige aus.

Als er mich sieht, erhellt sich sein Gesicht und er schenkt mir ein strahlendes Lächeln. "Hey", begrüße ich ihn freudig und gehe auf ihn zu. "Hey", erwidert er, legt mir eine Hand an die Taille und drückt mir einen Kuss auf die Wange. Sein Bart kratzt sanft auf meiner Haut, er riecht so gut, süß und herb zugleich, und mein Bauch kribbelt verräterisch. Am liebsten würde ich mich gleich wieder von ihm küssen lassen.

"Ich muss nur kurz reingehen, Bescheid sagen und den Schlüssel abgeben, dann können wir abhauen", erkläre ich. Tuan nickt und begleitet mich wortlos zum Eingang der Werkstatt.

"Wieso muss er eigentlich in die Werkstatt?", erkundigt er sich interessiert. Ich werfe einen Blick auf meinen kleinen, weißen Audi A3. "Die Bremsscheiben sind abgefahren und müssen ausgetauscht werden."

"Achso, das ist ja nur eine Kleinigkeit", antwortet Tuan achselzuckend.

Wir betreten die Werkstatt gemeinsam, geben meinen Autoschlüssel am Empfang ab und laufen zurück zu seinem Wagen.

Als ich auf dem Beifahrersitz Platz genommen habe, sieht er mich ernst an. "Ich habe eine Planänderung: es ist schon ziemlich spät zum Kaffee trinken, deshalb gehen wir jetzt Abendessen und morgen früh hole ich dich vor der Arbeit mit frischem Kaffee ab. Die kriegen deine Karre heute sowieso nicht fertig, die machen gleich Feierabend und so musst du morgen nicht zur Arbeit laufen oder so."

Ich bin amüsiert, gerührt und beeindruckt zugleich davon, wie viel Gedanken sich der gutaussehende Mann um mich macht.

"Mit dem Abendessen bin ich einverstanden, über den Rest verhandeln wir noch", antworte ich grinsend.

Tuan lässt den Motor mit einem röhrenden Sound an. "Nein."

Er parkt aus und lenkt den Wagen langsam vom Parkplatz. "Was isst du gerne? Wo sollen wir hin?"

"Ich esse alles gerne", antworte ich so trocken, dass mein Gegenüber anfängt zu lachen. "Sehr gut, ich auch. Worauf hast du heute Lust?"

Ich überlege kurz. "Pizza?" Da ist die Gefahr wenigstens nicht so groß, sich beim Essen einzusauen.

Einverstanden nickt er zu.

"Ich wollte dich noch was fragen", sage ich, während er den Wagen souverän Richtung Innenstadt lenkt.

"Du kannst mich alles fragen", antwortet er offen.

"Wie alt bist du?"

Tuan schmunzelt und hält an einer roten Ampel. Belustigt sieht er mir in die Augen. "Was denkst du denn?"

Ich seufze und fahre mit der Hand durch mein braunes Haar. "Mitte dreißig?", tippe ich ins Blaue. Ich kann sein Alter unheimlich schwer einschätzen. Die einzelnen, grauen Haare und seine ruhige, kontrollierte Art lassen ihn älter wirken, vielleicht aber eben auch älter als er ist.

"Ich bin 32 Jahre alt und du?"

"25", antworte ich einsilbig.

"Hätte ich auch geschätzt", kommentiert er. "Auch wenn du mich älter gemacht hast."

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