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Eines Tages, als der Himmel sich in einem trügerisch klaren Blau über die französische Landschaft erstreckte, beschlossen Amélie und Lucien, einen Ausflug auf das Land zu unternehmen. Es sollte ein Tag der Leichtigkeit und des Glücks sein, eine Flucht aus der dunklen Realität ihrer verborgenen Liebe.

Doch das Schicksal hatte andere Pläne.

Lucien, der Amélie zu ihrem Ziel vorausgefahren war, hatte sich nur für einen Moment von ihr entfernt. Er wollte eine Überraschung vorbereiten – ein kleines Picknick an einem ihrer geheimen Orte. Doch als er sich wieder zu ihr auf den Weg machte, spürte er plötzlich einen kalten Schauer über seinen Rücken laufen, als ob die Luft selbst ihm eine Warnung zuraunte.

Unruhig griff er nach seinem Handy, doch bevor er es erreichen konnte, klingelte es.Am anderen Ende der Leitung war die Stimme eines Fremden, kalt und sachlich, als sie die Nachricht überbrachte, die sein Leben für immer verändern sollte.

Amélie hatte einen Autounfall. Schwer verletzt.

Ihr Wagen war von der Straße abgekommen, in einen Graben gestürzt, zerdrückt und deformiert wie eine zerbrochene Hoffnung.

Lucien fühlte, wie die Welt um ihn herum zusammenbrach. Seine Gedanken überschlugen sich, und ein Gefühl der Verzweiflung packte ihn mit unbarmherziger Härte. Er rannte, schneller als menschlich möglich, ohne auf die Menschen zu achten, die er passierte.

Sein Herz hämmerte in seiner Brust, nicht im Rhythmus eines Überlebenden, sondern eines Mannes, der wusste, dass er gerade das Wertvollste in seinem Leben verloren haben könnte.
Als Lucien das Krankenhaus erreichte, war die Luft erfüllt von einem scharfen Geruch nach Desinfektionsmitteln und der kalten Sterilität des Todes, der in diesen Wänden lauerte. Er stürmte in den Raum, in dem Amélie lag, seine Augen auf den leblosen Körper fixiert, der von Maschinen umgeben war, die in regelmäßigen Abständen piepsten und surrten.

Ihr Gesicht war blass, fast durchsichtig, und die einst so lebendigen Augen waren geschlossen. Es war ein Bild, das sich in seine Seele brannte, unauslöschlich.

Er sank neben ihrem Bett auf die Knie, seine Hände zitterten, als er ihre eiskalten Finger umfasste. „Amélie..." flüsterte er, seine Stimme kaum mehr als ein raues Krächzen, das vor Schmerz erstickte. Tränen, die er in all den Jahren der Unsterblichkeit nicht mehr vergossen hatte, brannten nun in seinen Augen.

Die Schuld, die sich wie eine eiserne Faust um sein Herz legte, war unerträglich. Wäre er nur bei ihr geblieben. Hätte er sie doch nicht alleine gelassen, nur für diesen einen Moment. Wäre er nur dort gewesen, um sie zu beschützen. All diese „Was wäre, wenn" brachen über ihn herein und erdrückten ihn.

Lucien wusste, dass es eine Möglichkeit gegeben hätte, ihr Leben zu retten. Eine Möglichkeit, die er aus Angst und Egoismus niemals in Betracht gezogen hatte. Wenn er sie verwandelt hätte, wenn er ihr die Unsterblichkeit geschenkt hätte, dann wäre sie jetzt nicht in diesem elenden Zustand, gefangen zwischen Leben und Tod, zwischen Sein und Nichts.

„Es ist meine Schuld," flüsterte er, seine Stimme zerbrochen und voller Selbsthass. „Ich hätte dich beschützen sollen, Amélie. Ich hätte... ich hätte dich unsterblich machen sollen, aber ich war zu feige, dich dieses Schicksal erleiden zu lassen."

Seine Tränen tropften auf das Bettlaken, und er fühlte sich, als ob sein Herz in Stücke gerissen würde.Die Realität dessen, was er verloren hatte, traf ihn mit voller Wucht.

Amélie, die einzige Person, die ihm jemals wirklich etwas bedeutet hatte, lag nun im Sterben, und er konnte nichts tun, um sie zurückzuholen. Die Unsterblichkeit, die er verflucht hatte, die Einsamkeit, die er so oft verachtet hatte, schien ihm nun ein grausames Geschenk zu sein.

Er war dazu verdammt, ohne sie weiterzuleben, in einer Welt, die ohne sie ihre Farbe verlor.Er beugte sich über sie, seine Lippen berührten sanft ihre Stirn. „Es tut mir so leid," flüsterte er gegen ihre kalte Haut, in der Hoffnung, dass sie ihn hören könnte, dass sie seine Reue irgendwie spüren könnte.

„Ich liebe dich, Amélie. Ich habe dich immer geliebt."Doch es gab keine Antwort, kein Zeichen, dass sie seine Worte erreichten.

Die Maschinen piepsten weiter in ihrem monotonen Takt, als wäre ihr unbarmherziger Rhythmus das einzige, was von ihr übrig geblieben war. In dieser Nacht verlor Lucien nicht nur die Liebe seines Lebens, sondern auch den Glauben an sich selbst. Und das Wissen, dass er sie hätte retten können, würde ihn für den Rest seiner unsterblichen Existenz verfolgen.


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Wer leidet mit Lucien?

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