Kapitel 16 oder Hänsel und Gretel, verliefen sich...

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Ich hatte keine Zeit, meinen ersten Atemzug, der nicht unendlich tief unter der Erde, umgeben von tödlichen Gasen stattfand, zu genießen. Ohne zu zögern, sprang ich in eine Nische, rollte mich ab um die Landung so leise, wie möglich zu halten und verharrte im Schatten.
„Ich bin mir ganz sicher! Da war jemand!" Es war Luke's Stimme. Unverkennbar. Vorsichtig klang sie. Und leise. Als hätte er Angst, dass er jemanden wissen lassen könnte, dass sie hier waren. „Luke, wenn da etwas wäre, dann hätte es uns doch schon angegriffen." Annabeth. Ich muss gestehen, als ich ihre Stimme hörte, fiel mir ein Stein vom Herzen. Ich hatte Angst gehabt, dass sie sich verändert haben könnte. In ihrer Stimme las ich, außer Anspannung nichts, was irgendwie nicht in mein Bild von ihr gepasst hätte. Sie klang kein Stück ängstlich, obwohl sie allen Grund dazu gehabt hätte, immerhin war sie mit Luke unterwegs. Für den Fall, dass ihr es nicht wisst: Luke und ich verstehen uns nicht besonders gut. Wenn wir aufeinandertreffen, ist die Situation sehr schnell eskaliert und einer von uns in Lebensgefahr. Meistens sind es aber beide...
Ihn habe ich (im Gegensatz zu Annabeth, wie ich gestehen muss) kein Stück vermisst.
„Hm. Du hast wahrscheinlich recht, Annabeth. Gehen wir weiter." Ich drückte mich tiefer in den Schatten, als die Schritte der beiden, auf mich zusteuerten und dann an meiner Nische vorbeiführten. Luke hielt eine Taschenlampe in der Hand und hätte er sie auch nur einmal nach links schwenken lassen, hätte er mich vielleicht sehen können. Das konnte ich nie so genau wissen. Asmodis hatte mir beigebracht, wie ich den Nebel für mich arbeiten lassen kann. Das Obsidian ist generell ein Stoff, der sehr gerne und leicht mit Schatten und Nebel verschmilzt, deswegen hätte es auch sein können, dass ich auch im Licht nicht zu sehen gewesen wäre.

So leise, wie es mir nur möglich war, folgte ich den beiden, mit etwas Abstand durch die Gänge. Links, rechts, rechts, links, rechts,... Bald verlor ich den Überblick. Auf einmal hörte ich Annabeth laut schreien und aus Reflex zog ich mein Schwert. Dann fiel mir wieder ein, was ich hier machte und ich verzog mich an den Rand des Gangs. Der Höllenhund, den ich im Schein der Taschenlampe erkennen konnte, hatte sich auf Luke gestürzt und griff ihn an. Das war wohl eher etwas für den Bogen... Der Ablauf hatte sich mittlerweile in mein Gehirn eingebrannt. Bogen ziehen, spannen, tippen, zielen und schießen. Ich tippte zweimal und zielte. Luke strampelte, aber es wäre auch nicht schade, wenn er sich getroffen werden würde... Ich ließ die gespannte Sehne los. Die Pfeile flogen schnurstracks auf den Hund zu, bohrten sich in den Schädel und das Monster verpuffte. Alles was blieb, waren zwei Pfeile, die am Boden lagen. Ich entfernte mich ein wenig und verkroch mich hinter einen Haufen aus Schutt, der im Gang lag. Ich erkannte, wie Annabeth die Lampe auf die Pfeile richtete. Dann tat sie etwas, das ich nicht verstand. Mit einer blitzschnellen Bewegung, ließ sie die Pfeile hinter den Steinen verschwinden. Dann half sie Luke hoch. „Alles in Ordnung?" Ich hörte es nur leise, denn ich war etwas weiter weg, aber Luke nickte und klopfte sich den Staub vom T-Shirt. Dann ging er weiter. Annabeth zögerte und blickte sich einmal in alle Richtungen um. Ihre grauen Augen streiften mich, aber ich glaube nicht, dass sie mich gesehen hatte, denn sie ging, ohne eine Reaktion zu zeigen hinter Luke her. Und so schloss ich mich ihnen wieder an. Das Labyrinth schien immer älter zu werden. Ich war es nicht mehr gewohnt, müde zu werden. Im Tartarus hatte ich ein Heimspiel gehabt. Der Segen des Teufels war bei mir gewesen. Hier war ich nicht mehr in seinem Reich. Zum Glück mussten auch Luke und Annabeth schlafen und das taten sie bald. Sie machten ein Lagerfeuer und waren bald eingeschlafen. Auf meiner Suche nach einer Stelle, an der ich schlafen könnte, begegnete ich zwei Empusen. Ich erkannte sie sofort, denn an einem Ort wie diesem, sollte es eigentlich keine schönen Mädchen geben. Mein Schwert fühlte sich leicht an, als ich es schwingen ließ. Die eine sprang zu spät zurück und wurde zu Staub. Die andere stürzte sich auf meinen Schwertarm und ich ließ das Schwert fallen. Blöde Situation eigentlich, aber meine linke Hand griff sofort in meine Rüstung. Der Dolch steckte Sekundenbruchteile später in der Brust des Mädchens, das einen hässlichen Schrei ausstieß und dann verging. Das Schwert steckte ich zurück in die Scheide, den Dolch in die Rüstung. Keuchend ließ ich mich zu Boden fallen und lehnte mich an die wand. Ich saß in einer kleinen Ausbuchtung, ungefähr 30 Meter von Luke und Annabeth. Luke schnarchte vor sich hin. Annabeth erhob sich leise und schlich sich weg. Was tat sie denn da? Sie schlich immer weiter in meine Richtung, dann an mir vorbei, bis zu einer Kreuzung. Sie wollte doch nicht etwa weitergehen? Nein, sie blieb stehen, bildete einen Trichter mit ihren Händen und flüsterte durch den Trichter hindurch. „Percy?! Bist du da?"

Percy Jackson - Verdorben Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt