IV. Umgeplante Feier

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3. Person

Auch wenn Dolorian andere Aufgaben zu erledigen hatte, blieb er immer mit einem Ohr bei Yuliza. Er hatte sich extra Aufgaben ausgesucht, die in der Nähe ihres Hauses waren, damit er schnell eingreifen konnte, falls etwas sein sollte.

Durch überhörte Gespräche wusste er nun, dass Mateo heute einen Antrag machen wollte. Natürlich genau heute. Bei dem Gedanken musste Dolorian aufpassen, dass er sein Lächeln auf den Lippen behielt; immerhin war er immer noch unter Menschen. Mittlerweile sollte er es gemeistert haben, seine Fassade aufrechtzuerhalten, egal, was er auch hörte, denn er besaß seine Gabe inzwischen schon seit siebzehn Jahren. Aber wie er feststellte, hatte er damit leichte Schwierigkeiten, wenn es um Yuliza ging.

Während er einer älteren Dame einen Korb mit frischen Früchten überreichte, die er besorgen sollte, hörte er die eine Frage. "Willst du mich heiraten, Bunny?" Er war froh, dass die Dame schon die Tür geschlossen hatte und er deshalb ungestört die Augen rollen konnte. Wenn er diesen Spitznamen noch einmal hörte, würde er Mateo vielleicht doch den Hals umdrehen.

"Sie ist eben mein Bunny. Klein, süß, gefügig, wenn man nachhilft. Aber das war auch schon alles Positive." Dolorian klingelte immer noch das schallende Lachen von Mateo und seinen Freunden im Ohr. Am liebsten hätte er ihm genau dann den Mund gestopft, aber er wollte ihn lieber auf anderem Wege fertig machen. Also erzählte er jedem, der ihm zuhörte, dass Mateo schlecht über seine Freundin redete und ihr weh tat. Denn seien wir mal ehrlich, natürlich wusste Dolorian davon. Er hatte gehört, wie Mateo mit ihr sprach. Er hörte, wie Yuliza leise zischte, wenn man sie berührte, und das erst seit einem Jahr. Natürlich konnte Dolorian eins und eins zusammenzählen.

Und so erzählte er es einfach, wenn jemand zuhörte. Die Gossip-Quellen der Stadt sprangen schnell darauf an. Es würde nicht lange dauern, bis es alle wussten. Damit gab er sich zufrieden. Das war sein Weg, Mateo fertig zu machen.

Und so stand er nun an einer Hauswand gelehnt, wo ihn keiner sehen konnte, und hoffte auf die richtige Antwort von Yuliza. Er wusste, dass sowohl Mateos als auch Yulizas Eltern zusahen, denn er hatte sie vorher gehört.

Er dachte deshalb, dass das der Grund war, warum sie so lange zögerte. Denn Dolorian wusste nichts von der Vision, die Bruno ihr damals gezeigt hatte. Genauso wie sie nichts von seiner Vision wusste.

Doch als dann endlich die Antwort kam, seufzte er erleichtert. Sie hat nein gesagt. "Du erzählst deinen Freunden, dass du mich von Grund auf nicht leiden kannst und willst mich trotzdem heiraten? Vergiss es", hörte er sie sagen. Ein stolzes Lächeln breitete sich auf seinen Lippen aus, was aber schnell wieder verschwand, als er Mateo erneut hörte. Dein kleiner Freund ist eifersüchtig. Als wäre Dolorian eifersüchtig auf so eine toxische Beziehung gewesen, die Yuliza nicht einen Funken Glück beschert hatte. Er wäre ein besserer Partner für Yuliza als Mateo, der Gedanke kam ihm oft, aber deshalb war er nicht eifersüchtig auf Mateo. Für Yuliza wollte er nur das Beste und Mateo war es nicht.

Er ballte die Hände zu Fäusten, als Mateo weitersprach und wollte gerade loslaufen, als er ihren Vater hörte, der unterbrach. Gefolgt von einem weiteren Versuch von Mateo, sich herauszureden.

Nach einem kollektiven Luftschnappen legte Dolorian fragend den Kopf zur Seite, um sich mehr in die Richtung zu drehen. Was war jetzt passiert? Als er dann hörte, wie Yulizas Vater einen Schlussstrich zog und alle aus dem Haus schickte, atmete er erleichtert auf. Es war vorbei.

Er musste Yuliza definitiv besuchen gehen, wenn sich die Lage beruhigt hatte, aber vorerst hörte er schon seine nächste Aufgabe rufen.

Yulizas Sichtweise

Zum ersten Mal seit Langem schlief ich durch. Meine Eltern waren noch ziemlich lange da, denn eigentlich war eine Feier geplant und somit genug Essen im Haus. Logischerweise hatten wir immer noch nicht alles gegessen, weshalb Dad vorschlug, dass wir morgen einfach Felíx Madrigal und seine Familie einluden.

Ehe ich mich versah, stand ich den Vormittag mit meinen Eltern in der Küche, um noch etwas mehr Essen zu machen. Immerhin hatten Felíx und Pepa drei Kinder, die alle gern aßen. Vor allem Camilo, der zweitälteste. Dolorian und Antonio hielten sich noch in angemessenen Maßen, aber lieber haben wir mehr Essen da als zu wenig. Das sagt zumindest Mum immer.

Als es dann klingelte, wusch ich schnell meine Hände, bevor ich die Tür öffnete. Meine Eltern waren schon im Garten. Pepa war die Erste, die mich umarmte. "Es ist ja so schön, dich zu sehen." Nachdem ich gemeint hatte, dass sie gern schon in den Garten gehen kann, kamen auch Felíx und Antonio hinein.

Dann stand schon Dolorian vor mir und legte die Hände auf meine Schultern. Ein leises Zischen konnte ich nicht aufhalten. Aber mir war sein Trick schon klar, bevor er den falschen Spitznamen genommen hatte. "Ach Yuli, ich bin ja so froh, dass das mit Mateo endlich vorbei ist. Ich -" Ich musste mir mein Grinsen verkneifen, als der echte Dolorian die Hand über Camilos Mund legte, ihn ein Stück nach hinten zog, sodass er mich losließ und ihn streng ansah. Sein kleiner Bruder verwandelte sich sogleich zurück und wand sich aus Dolorians Griff. "Schon gut, du musst ja nicht gleich handgreiflich werden." Camilo grinste nur zu seinem Bruder hoch, bevor er zwinkernd an mir vorbei zum Garten lief.

Jetzt stand endlich der echte Dolorian vor mir. "Das Kleid steht dir. Das hattest du ja Ewigkeiten nicht mehr an." Nach einem dankenden Nicken blickte ich an mir herunter. Das stimmte. Ich hatte das luftige Kleid seit über einem Jahr nicht mehr angehabt. Mateo war es zu kurz, dabei ging es fast bis zum Knie und man konnte durch die Netzärmel die blauen Flecken sehen, doch mir sollte es jetzt egal sein. Auch wenn der Gedanke an Mateos finsteren Blick mir noch einen Schauer über den Rücken jagte.

Ich trat noch einen Schritt weiter zur Seite und deutete mit der Hand, dass er hereinkommen konnte, was er auch dankend tat. "Du siehst glücklicher aus." Ich konnte das nicht abstreiten, denn ich fühlte mich irgendwie leichter und ja fröhlicher. Als Antwort nickte ich noch einmal.

"Gibt es wieder Kekse? Ich habe gehört, dass hier jemand absolut fantastische Kekse bäckt." Lachend nickte ich zu ihm auf, woraufhin Dolorian anfing zu strahlen. "Na dann kann der Tag wohl kaum besser werden."


Veränderte Zukunft (m. Dolores Madrigal - Encanto)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt