Kapitel 7

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Peter Pan POV

Unruhig tigere ich vor der Felswand auf und ab. Hier war zuvor der Eingang zum Höhlensystem, doch nachdem Tami es betreten hatte, hat er sich selbst verschlossen.
Immer wieder scanne ich innerlich die Insel ab. Ich stelle fest, dass die übrigen verlorenen Jungs sich wieder im Lager eingefunden haben. Auch bei ihnen werde ich mich wohl nachher entschuldigen müssen. Zumindest wird Tami darauf bestehen. Wenn sie es denn wieder aus den Höhlen hinaus schafft. Ach, was denke ich denn da? Natürlich schafft sie das!
Sie muss einfach.

Wieder lokalisiere ich sie mit Hilfe meiner Magie. Schon längere Zeit befindet sie sich am selben Ort.
Was passiert da gerade?
Durch den Fluch kann in den Höhlen natürlich alles anders sein, als ich es kenne. Und er gewährt mir keinen Zugang, kein Wissen darüber, was er anrichtet.

Verärgert kicke ich einen Stein aus meinem Weg. Mit einem Rascheln landet er im Gebüsch.
Ich kann nichts tun, um meiner Gefährtin zu helfen. Das ist das Schlimmste, was ich jemals erfahren musste. Wobei... Nein.

Am schlimmsten war es, als ich dachte, sie wäre tot. Für mich gestorben.
Das war, nachdem sie ihr Herz in meine Brust gesetzt hatte. Nur deswegen konnten wir gewinnen. Weil sie diejenige ist, die am meisten an mich glaubt. Mehr als Henry, der am innigsten Glaubende, es je könnte. Jetzt ist es meine Aufgabe auch an sie zu glauben.

Etwas zerreißt.

Ich weiß nicht, ob ich schreie.
Auf jeden Fall falle ich auf die Knie.
Mir wird schwarz vor Augen.
Ich habe das Gefühl, als geriete meine gesamte Welt ins Wanken.

Als ich wieder Herr meiner Sinne werde, scheint auf der Insel nichts passiert zu sein. Alles hat nur in mir selbst stattgefunden. Und sehr wahrscheinlich auch bei Tami.

Nervös taste ich innerlich nach der Verbindung zu ihr. Dem Band, das wir damals aus dem Fluch knüpften, der sie zuvor an Timmothy fesselte. Nur dieses Band ermöglichte es mir, sie wieder jung werden zu lassen. Es gab mir die absolute Kontrolle über sie, was zugegebenermaßen unser Machtgefüge ziemlich aus dem Gleichgewicht brachte. Ihr gab es parallel aber auch eine Lebensversicherung, denn solange ich atme, kann sie leben.

Diese Verbindung ist jetzt nicht mehr da.
Ausradiert, als hätte sie nie existiert.

„Tami...", flüstere ich und Angst schnürt mir die Kehle zu. „Was tust du ihr an?!", schreie ich und meine damit den Fluch.
Mir kommt der Gedanke, dass der Autor zwar geschrieben hat, dass Tami ihr Happy End findet, aber nicht, dass sie es behalten darf.

Die Furcht überrollt mich. Mächtig bricht meine Magie aus mir hervor. Es sind keine Flammen, keine grünen Funken oder ähnliches. Es ist pure Energie, die gegen den Felsen prallt und verpufft, als hätte ich nur einen Kiesel geworfen.
Der Fluch ist verdammt mächtig.
Aber wer hätte etwas anderes erwartet? Immerhin habe ich ihn ausgelöst.

Tami POV

Ich bin wieder erwachsen.

Nur langsam kommt die Information tatsächlich in meinem Gehirn an.
Ich bin wieder in dem Zustand, in dem ich war, nachdem Timmothy starb und bevor Peter Pan mich an sich band. Sogar dieselbe Kleidung wie damals trage ich am Leib.

„Verdammt", fluche ich wieder und grabe eine Hand in meine Haare.
Ich kann das wieder rückgängig machen, oder? Oder kann ich nie wieder jung werden? Peter ist doch jetzt mächtiger als je zuvor, vielleicht brauchen wir das Band, das wir damals verwendet haben gar nicht mehr?
Das sind eindeutig zu viele Fragen und zu wenig Antworten.

Ungläubig lache ich auf. Wieso kann eine Sache nicht ein einziges Mal einfach sein? Wir hatten so ein gutes Leben hier in Neverland, ja, waren sogar glücklich. Und dann passiert eine kleine Sache und direkt bricht ein mächtiger Fluch über uns herein! Ich tue das jetzt nicht nur für die sechs verlorenen Jungs. Ich tue das auch für mich.

Bevor ich diese Höhle verlasse und weitergehe, will ich vorbereitet sein. Darum hole ich das Märchenbuch hervor. Glücklicherweise blieb mir dies, ebenso wie der Ring an meinem Finger, erhalten. Vielleicht, weil es magische Gegenstände sind?
Ich schlage die Seite auf, auf der ich vorhin stehen geblieben bin und erinnere mich dabei wieder an meinen Nachmittag mit dem Schatten zurück:

„Soll ich das Märchen noch weiter vorlesen?"
„Ich bitte darum", antwortet der Schatten und erinnert mich durch seine Wortwahl daran, dass Zeit für ihn keine Rolle spielt. Er ist ein uraltes Wesen und kann sich unbeschreiblich viel Wissen und Gebräuchen bedienen. Umso verwunderlicher, dass er sich jetzt hier von mir Märchen vorlesen lassen will.

Nachdem es dem Mond entkommen war, gelangte das Mädchen zu den Sternen", lese ich weiter, „Im Gegensatz zu den anderen Himmelskörpern, waren ihr die Sterne freundlich gesinnt. Gütig lächelten sie von ihrem Platz am Himmel auf sie herab. Das Mädchen fasste sich ein Herz und bat die Gestirne um Hilfe bei der Suche nach ihren Brüdern. Gnädig stieg der Morgenstern zu ihr hinab, überreichte ihr einen Schlüssel und verriet ihr den Aufenthaltsort ihrer Brüder. Wie es sich gehörte, bedankte sich die Tochter und machte sich auf den Weg. Den Schlüssel bewahrte sie zur Sicherheit in einem Tuch auf, das sie wiederum in ihre Rocktasche steckte. Mit einem Schaudern hatte sie bemerkt, dass der Schlüssel aus Knochen gefertigt war.
Das Mädchen gelangte an einen magischen Ort, der Glasberg genannt wurde. Verschlossen war er durch ein Tor. Als das Mädchen in seine Rocktasche griff, musste es zu seinem Entsetzen feststellen, dass es den Schlüssel verloren hatte. Das Mädchen begriff, dass der Schlüssel lediglich ein Hinweis auf seine letzte Aufgabe gewesen war und noch ein letztes Opfer von ihr gefordert wurde. So griff sie nach einem Messer, schnitt sich den kleinen Finger ab und öffnete damit das Tor.
Drinnen gelangte die Tochter in eine große Halle mit einer für sieben Personen gedeckten Tafel. Weil das Mädchen so erschöpft und hungrig war, bediente es sich an den Speisen. Dabei fiel ihr das Andenken an ihre Eltern, der Ring den es bei sich trug, in einen der Becher.
Auf einmal hörte das Mädchen ein grässliches Geschrei und es versteckte sich hinter einer Säule der Halle. Dann flogen sieben Raben herein und das Mädchen begriff, dass das Geschrei nur das Krächzen der Vögel gewesen war.
Sie nahmen an der Tafel Platz und einer fand den Ring ihrer Eltern.
„Wie kann das sein?", sprach ein anderer, „Bedeutet dies, dass unser Schwesterlein zu unserer Rettung eilt?"
Als das Mädchen diese hoffnungsvollen Worte hörte, trat es hinter der Säule hervor und bei ihrem Anblick verwandelten sich ihre Brüder in Menschen zurück. Glücklich umarmten sie einander und kehrten gemeinsam nach Hause zurück."

Eine schöne Geschichte", befindet der Schatten.
„Ja? Ich finde sie recht grausam", entgegne ich, „Sie musste sich einen Finger abschneiden!"
„Captain Hook verlor sogar seine ganze Hand und hat dadurch nicht einmal einen Fluch gebrochen", gibt der Schatten zu bedenken.
„Trotzdem."
„Es sind harte Prüfungen", stimmt mir die dunkle Gestalt zu, „Aber immerhin schafft dieses Mädchen es, eine Heldin zu werden. Nicht alle Märchen haben ein Happy End."

Alles klar: Die nächste Aufgabe wird etwas mit den Sternen zu tun haben. Wenn alles gut geht, bekomme ich einen Schlüssel und kann damit ein Tor, oder was auch immer, öffnen. Und ich werde verdammt nochmal gut auf diesen Schlüssel aufpassen!

Ich habe schon meine Verbindung zu Peter verloren, da schneide ich mir bestimmt nicht auch noch einen Finger ab!

Peter Pan believes in meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt