Kapitel 11

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Tami POV

Felix legt seine Hände an meine Schultern und fängt meinen Blick auf: „Du bist immer noch du."
„Felix, ich bin erwachsen, verdammt nochmal."
Der blonde Junge lässt mich los und fährt sich stattdessen ratlos durch die Haare.
„He, ich bin immer noch größer als du, Zwerg", versucht er schließlich mich aufzuheitern, doch entlockt mir nur ein müdes Lächeln. „Vielleicht kriegt Pan das wieder hin", überlegt er dann, doch seine letzten Worte werden von einem Aufschrei der verlorenen Jungs übertönt.

Über uns bricht die gläserne Höhlendecke zusammen und Scherben regnen herunter.
„Los, schnell!", rufe ich und gemeinsam rennen wir alle in die Höhle, wo zuvor die Sterne waren. Von ihrem Eingang aus beobachten wir wie die letzten Reste des Fluchs am Boden zerschellen.

Die Sterne sind nicht mehr da, in der Höhle ist es finster. Und auch die dünnen Fäden aus Sternenlicht, die die verlorenen Jungs zurückverwandelten und sich anschließend um ihre Handgelenke legten, glühen nur noch kurz auf und verschwinden dann.
„Das Mädchen im Märchen hat wohl auch keine ihrer Opfergaben zurück bekommen", bemerke ich trocken.

Gemeinsam mit den sechs Jungen gehe ich wieder hinaus ins Sonnenlicht. Die übrigen Scherben zerbrechen unter unseren Schuhsohlen.
„Mein Alter ist eine Auswirkung des Fluchs und gegen den war sogar Peter machtlos", wende ich mich resigniert wieder an Felix.
„Ich würde dir gerne helfen. Aber ich weiß nicht wie", spricht der blonde Junge das Offensichtliche aus.
„Danke, ich weiß", sage ich mit einem schiefen Lächeln. Auf meinen Wangen sind die Tränen getrocknet, „Ich freue mich, dass es euch allen gut geht."

Die übrigen verlorenen Jungen stehen in einem lockeren Halbkreis um Felix und mich herum. Einer von ihnen legt mitfühlend eine Hand auf meine Schulter. Ein wesentlich jüngerer meint, ich würde immer zu ihnen gehören, egal wie alt.
„Ihr seid meine Familie", sage ich berührt und schaue Felix an. Bevor ich den Fluch brach, sagte er etwas ähnliches. Tröstlich lächelt er mich an.
„Vielleicht kann er dir helfen."

Ich war so sehr mit mir selber beschäftigt, dass ich gar nicht bemerkt habe, wie der Schatten zu uns gestoßen ist. Er schwebt ein paar Meter von uns entfernt und scheint auf etwas zu warten.
„Geh zu ihm", fordert Felix mich auf, „Wir werden hier auf dich warten."
„Was, wenn er mich nun fortbringen will?", kommt mir der furchtbare Gedanke.
„Das würde Pan nie zulassen", zerstreut der große Junge meine Sorgen. Ich atme einmal tief durch und gehe dann zu dem Schatten hinüber. Mein eigener ist nicht dabei.

„Komm mit", meint die dunkle Gestalt und ich lege meine Hand in seine. Gemeinsam mit mir fliegt der Schatten aus der Höhle, die ohne gläserne Decke jetzt eigentlich eher ein Krater ist, und über den Dschungel Neverlands bis hin zur Küste. Über dem Meer geht die Sonne unter.
Hat dieses ganze Abenteuer wirklich nur einen Tag gedauert?
Der Schatten bringt mich zum Totenkopffelsen. Durch eine der Öffnungen, die das Auge bildet, fliegen wir in die Höhle hinein und landen auf dem Sandboden.

Wie jedes Mal, wenn ich hier bin, gleitet mein Blick als erstes zu der riesigen Sanduhr, die den Raum dominiert. Obwohl ihre Zeit inzwischen längst abgelaufen ist, hat sie nichts von ihrer Ausstrahlung eingebüßt.
Macht, Magie und Ewigkeit strahlen aus ihrem golden funkelnden Sand hervor.

„Warum hast du mich hierher gebracht?", frage ich die dunkle Gestalt.
„Dies ist ein symbolträchtiger Ort", erklärt der Schatten, „Denn er entstand erst, als der Mann, der zu Peter Pan wurde, sich dazu entschied, hier bleiben zu wollen und damit die Regeln zu ändern."
Interessant. Bis jetzt habe ich nie die vollständige Erzählung von Peters Anfängen hier gehört.
„Davor war Neverland ein Ort, den Kinder nur in ihren Träumen besuchten. So wie du den Weg hierher gefunden hast", erinnert sich das Wesen.
„Ja, dabei hatte Peter eigentlich eine Barrikade errichtet", ergänze ich, „Ich habe den Weg nur wegen dem finden können, was der Autor geschrieben hat."
„Richtig", der Schatten nickt, „Aber hast du jemals überlegt, ob das ganze nicht einem höheren Zweck diente?"
Verwirrt lege ich den Kopf schief. „Meinst du damit, dass ich Peter gerettet habe?"
„Das ist ein Aspekt davon, ja", sagt der Schatten.

Dann nimmt er meine Hand und ein kalter Luftzug erfasst meine Haare. Grüne Funken tanzen um mich herum und dann... dann kann ich es spüren.

Ich spüre ganz Neverland und seine Magie.
Ich weiß, wo jedes Wesen hier sich befindet und es ist, als würde die Insel mit mir sprechen.
Mit weit geöffneten Augen schaue ich in die glühenden des Schattens, bis ich es realisiere: Ich bin wieder jung und ich bin mit Neverland verbunden.

„Du hast dich Neverland als würdig erwiesen", meint die mächtige Gestalt, „Nicht, weil du den Fluch gebrochen hast. Nein, betrachte es eher als dein Lebenswerk. Du lerntest Neverland als einen Ort des Bösen kennen."
Irritiert schaue ich den Schatten an, doch dann verstehe ich: Natürlich ist Peter Pan für alle, die nicht auf seiner Seite kämpften, ein Bösewicht gewesen. Ich habe ihm in seinen Interessen geholfen, das kann ich nicht leugnen. Also nicke ich, wenn auch zögerlich.
„Bevor Peter Pan kam, war es das nicht. Gefährlich und auch unberechenbar, ja... Aber nicht böse. Es war ein Zufluchtsort für verlorene Seelen und schenkte Durchhaltevermögen und Glaube. Es änderte sich, als Peter Pan die Insel für seine eigenen Zwecke nutzte und einige verlorene Seelen auf seine Seite zog, andere aber aus Neverland aussperrte. Dann kamst du und hast alles verändert."
Wie gebannt nehme ich die Worte des Schattens in mich auf. Worauf will er hinaus?

„Du gabst Peter Pan ein neues Ziel im Leben.
Du brachtest die Liebe zurück nach Neverland. Nicht nur für Pan, sondern auch für die verlorenen Jungen, die du jederzeit beschützen würdest, wie du mehrfach bewiesen hast. Unter anderem sogar vor Henrys Mutter, der Retterin, die auch Kinder mit nach Storybrooke nehmen wollte, die die Insel nie verlassen wollten. Und auch heute opfertest du alles, um den verlorenen Jungen ihre wahre Gestalt zurückzugeben. Dabei bist du sogar stark genug, um einen Fluch des Herrn Neverlands selbst zu brechen.
Du bekehrtest Peter Pan.
Er ist nicht länger einer der Bösen. Nur wegen dir.
Oder warum denkst du, ist er nicht in einer anderen Welt unterwegs, obwohl er über eine überragende magische Macht verfügt?
Wegen dir.
Es musste darauf hinaus laufen, dass die böse Ära des Peter Pan beendet wird, um Neverland zu befreien. Entweder, indem er getötet wird oder indem er sich ändert.
Was den Bösen fehlt, ist die Liebe. Du hast ihm wortwörtlich dein Herz geschenkt und damit nicht nur ihn gerettet.
Darum 'Danke'. Im Namen von Neverland. Es ist nur fair, dass dir dafür ein Wunsch gewährt wurde."  

Peter Pan believes in meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt