Tami POV
„Weißt du was?", entschlossen stehe ich auf und stecke das Märchenbuch zurück in meine Tasche, „Wir haben nicht mehr wirklich was zu verlieren, oder? Wenn hier schon alles drunter und drüber läuft, können wir doch ruhig auch noch ein drittes Märchen dazu mischen."
„Wie meinst du das?"Eben kam mir nämlich eine weitere Erinnerung in den Sinn:
Der Schatten und ich lesen noch Allerleirauh und Die zertanzten Schuhe, bis wir schließlich bei Sterntaler ankommen.
„Oh, das Märchen mochte ich als Kind sehr gerne", teile ich dem Schatten lächelnd mit, „Es ist auch das letzte Märchen des Buchs. Leider ist es recht kurz."
„Ich freue mich, es zu hören."Beschwingt beginne ich zu lesen: „Es war einmal ein kleines Mädchen, das keine Eltern mehr hatte. Außerdem war es arm, sodass es nicht mehr sein Eigen nennen konnte, als das, was es am Leib trug und ein Stück Brot, das ihm ein gütiger Mensch geschenkt hatte. Das einzige, was das Kind darüber hinaus behalten hatte, war ein gutes Herz.
Und so zeigte sie sich einem jeden Menschen, dem es begegnete, stets hilfsbereit und freundlich: Einem Hungernden schenkte sie ihr Brot und einem noch viel jüngeren, frierenden Kind schenkte es seine Mütze. Später begegneten dem Mädchen weitere Kinder, die kaum etwas am Körper trugen und bitterlich froren. Es war wahrlich eine schlimme Zeit, in der sie lebten. Aus ihrer Herzensgüte heraus schenkte das Mädchen ihnen all seine Kleidung. Im Schutze der Nacht dachte es, es sei sicher, da niemand es sehen könne.
Und wie es da so stand und zu den Sternen empor blickte, erbarmten sich die Gestirne: Sterne regneten als goldene Taler herab und das Mädchen trug wie von Zauberhand neue Kleider am Leib. Von dieser Nacht an war es vom Glück geküsst und würde nie wieder Hunger oder Kälte leiden müssen."„Eine schöne Geschichte für verlorene Kinder", meint der Schatten und wenn ich es nicht besser wüsste, hätte ich gesagt, dass er dabei ein wenig lächelt.
„Ich muss zurück zu den Sternen, Felix", sage ich und gehe auf das große Tor zu. Glücklicherweise hat es sich nicht wieder verschlossen, sondern steht noch immer sperrangelweit offen. Felix, dem es auf meiner Schulter zu ungemütlich wird, flattert hinter mir her und krächzt.
„Was hast du vor?"
„Das Märchen Sterntaler könnte unsere Rettung sein", sage ich, während ich schnellen Schrittes weiter gehe. Gleich bin ich bei der Höhle mit den Sternen. „Es ist die perfekte Geschichte für uns Verlorene. Außerdem hat das Mädchen in der Geschichte alles geopfert, was es hatte und dafür eine Belohnung von den Sternen bekommen. Das sollte doch auch für mich gelten, oder?"
„Hoffen wir einfach mal, dass du recht hast", meint Felix und flattert vor dem Tor hin und her, während ich bereits die dahinter liegende Höhle betreten habe.
„Der Fluch erlaubt es mir nicht weiterzugehen."
„Ich schaffe das schon. Glaub an mich", sage ich zum Abschied und um uns beiden Mut zu machen. Dann gehe ich tiefer in die Höhle hinein.Der Anblick des Sternenhimmels raubt mir für einen Moment vor Ehrfurcht und Staunen den Atem. Unzählige Himmelskörper funkeln dort, wo eigentlich eine Decke aus Fels sein müsste. Stattdessen sieht es tatsächlich aus wie der echte Nachthimmel mit noch mehr Sternen. Einer davon sollte sich doch wohl dazu bereit erklären mir meinen Wunsch zu erfüllen, oder?
Wobei das hier leider keine echten Sterne sind, sondern nur Instrumente des Fluchs.„Hallo nochmal", sage ich verlegen, „Ich müsste noch einmal eure Hilfe erbitten. Denn ich habe die verzauberten Jungen gefunden, allerdings lässt sich der Fluch nicht brechen."
Abwartend schaue ich hinauf, doch nichts passiert. Als wäre ich nicht einmal anwesend, funkeln die Sterne unbeirrt weiter. Verzweiflung mischt sich in meine Stimme: „Ich habe alles gegeben, was ich zu geben hatte: Ich habe mich von Peter losgesagt, meinen Schatten abgeschnitten und meine Jugend und Magie verloren. Alles nur, um diesen Jungen zu helfen!"
Erschöpft sinke ich auf die Knie, den Blick immer noch zum Firmament gerichtet. „Bitte", flehe ich und schließe die Augen. Dieses Abenteuer hat mich emotional ganz schön mitgenommen. Stumm laufen mir Tränen über die Wangen.Auf einmal nehme ich hinter meinen geschlossenen Lidern ein sanftes Leuchten wahr. Sofort wische ich mir die Tränen von den Wangen und öffne die Augen wieder. Was ich erkenne, ist wunderschön:
Glitzernd schicken die Sterne ihren Glanz zu mir hinunter. Kaum berührt er meine nassen Handflächen, formen die Tränen sich zu hauchdünnen Fäden zusammen. Sechs Stück an der Zahl. Sie haben die Farbe von Sternenlicht.
„Ich danke euch", hauche ich ehrfürchtig und eile mit dem Geschenk zurück zu den verlorenen Jungen in Raben-Gestalt.Kaum bin ich aus dem Tor heraus getreten, umkreisen die Vögel mich erneut. Ich strecke meinen linken Arm aus und der erste Rabe landet darauf. Natürlich ist es Felix.
Ich überreiche ihm eines der Bänder, das er in seinen Schnabel nimmt. Dann flattert er auf und verwandelt sich währenddessen zurück in einen Menschen. Erleichtert blickt er an sich hinunter. Alle anderen folgen seinem Beispiel.Einer nach dem anderen landen sie auf meinem Arm, um sich zurückverwandeln zu lassen. Als ich auch das letzte feine Bändchen gegeben habe, stehen sechs verlorene Jungen um mich herum und fallen sich glücklich in die Arme. Alle, bis auf Felix. Der kommt auf mich zu und zieht mich in eine feste Umarmung.
„Danke, meine Schwester", sagt er und seine Worte drücken ein solches Gefühl von Verbundenheit aus, das ich Felix nur Peter Pan gegenüber zugetraut hätte. Obwohl ich noch immer erwachsen bin, ist er ein Stück größer als ich. Nach all den Prüfungen tut es gut, einfach mal Halt von einem anderen Menschen zu erfahren. Dann löst Felix sich wieder von mir und blickt mir ernst ins Gesicht.
„Ihr seid wieder ihr selbst und das ist gut so", sage ich und wieder fließen mir Tränen über die Wangen, „Aber ich? Was soll jetzt aus mir werden?"
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Peter Pan believes in me
Fanfiction„Glaubst du an mich, Peter Pan?" „Ja." „Dann lass mich diesen Fluch brechen." ___________ Tami und Peter haben das Abenteuer mit Henry überlebt. Und sogar mehr als das: Sie sind mächtiger als je zuvor. Jetzt warten neue Herausforderungen auf sie...