Kapitel 12

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Tami POV

Mit dem Wunsch meint der Schatten eindeutig meine Jugend und die neue Verbindung zur Insel.
„Ich würde es genauso wieder tun", sage ich ehrfürchtig. Fast zittere ich ein wenig von all den Emotionen, die mich überkommen.

„Wir werden Neverland wieder für die Träumenden öffnen", beschließe ich, „Damit es wieder seinem ursprünglichen Zweck dienen kann. Aber auch wir werden weiterhin hier leben. Denn wir gehören nun unwiderruflich zu Neverland."
Ein sanftes Lächeln breitet sich in meinem Gesicht aus, als ich spüre wie sich alles an seinen richtigen Platz fügt. Tiefe Zufriedenheit macht sich als wohlig warmes Gefühl in mir breit.

„War das von Anfang an dein Plan?", will ich schließlich noch vom Schatten wissen.
„Alles hat seine Zeit", meint er jedoch nur und weicht der Beantwortung der Frage damit aus, „Auch die dunkle Alleinherrschaft des Peter Pan."
„Jetzt bin ich an seiner Seite", ergänze ich.

Bevor wir wieder davon fliegen, werfe ich noch einen letzten Kontrollblick auf die riesige Sanduhr. Doch der Sand ruht noch immer in der unteren Hälfte. Meine Zeit ist also nicht wie die von Peter Pan begrenzt. Dass ich ihn genau dann rettete, als die Sanduhr ablief, kann doch auch kein Zufall sein, oder? Der böse Peter Pan starb an jenem Tag endgültig. Aber, ob man tatsächlich von Schicksal sprechen kann?

„Eine letzte Frage habe ich noch", sage ich und der Schatten nimmt die Hand, die er mir schon für den Rückflug entgegen gestreckt hatte, wieder hinunter, „Warum hast du dir von mir all diese Märchen vorlesen lassen? Als wir im Zauberwald waren, hatten wir es danach so eilig, dass ich dich das gar nicht mehr fragen konnte."
Wie an unserem gemeinsamen Nachmittag könnte ich schwören, dass er lächelt. „Ich bin alt und mächtig, aber auch ich kenne nicht jede Geschichte", antwortet der Schatten, „Aber Geschichten sind wichtig. Selbst, wenn sie nicht real sein sollten, lehren sie uns doch etwas über die Wirklichkeit."
„Du willst mich ernsthaft glauben machen, dass du die Geschichten noch nicht kanntest?", lache ich.
„An Geschichten sollte man sich erinnern können", geht das dunkle Wesen nicht auf meinen Kommentar ein, „Bald wirst du das Buch nicht mehr haben, Tami."
Verwirrt schaue ich ihn an, erkenne aber schnell, dass er mir nicht mehr dazu verraten wird.
„Darum wolltest du sie noch einmal hören."
„Ich werde sie dadurch bewahren", meint der Schatten, „Hier in Neverland geht nichts verloren."

X

Gemeinsam mit dem Schatten fliege ich zurück zu den verlorenen Jungen. Die dunkle Gestalt hält mich wieder an der Hand. Ich schätze, ich verfüge über so viel Magie wie Peter es vor unserem Abenteuer mit Henry tat. Was zwar eigentlich ziemlich viel ist, aber gleichzeitig bedeutet, dass ich im Gegensatz zu Peter nicht ohne Feenglanz fliegen kann.

Zu meinem Erstaunen fliegen wir nicht dorthin zurück, wo die verlorenen Jungen auf mich warten wollten, sondern zu dem Eingang ins Höhlensystem. Dem Ort, an dem das letzte Abenteuer begann. Dort warten die verlorenen Jungen und Peter auf mich. Offenbar hat der Herr Neverlands sie während meiner Abwesenheit schon abgeholt. Als sie mich sehen, beginnen sie alle zu jubeln.
Lächelnd lande ich ein paar Meter von meinem Gefährten entfernt und der Schatten fliegt davon.
„Tami", flüstert Peter, kommt auf mich zu und schließt mich in eine feste Umarmung. Auch ich lege die Arme um ihn und atme seinen Duft ein.

„Ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht", murmelt er an meinen Hals.
„Glaub mir, ich hatte auch Angst", sage ich und halte ihn noch fester. So stehen wir eine ganze Zeit und genießen einen weiteren glücklichen Ausgang unserer Abenteuer. Irgendwann strecke ich mich in Richtung von Peters Gesicht und küsse ihn.
„Lass uns solche Abenteuer in Zukunft nur noch gemeinsam erleben", sage ich, als ich sein Gesicht in meine Hände nehme.
„Wir sind ein Team", bestätigt mein Gefährte und küsst mich noch einmal.

Schließlich wird es Zeit, dass wir uns wieder voneinander lösen müssen. Die verlorenen Jungen sind bereits zum Lager vorgegangen. Nur Felix wartet ein paar Schritte innerhalb des Dschungels auf uns.
„Felix hat mir alles erzählt, was passiert ist", sagt Peter, während wir auf den blonden Jungen zu gehen. „Zumindest das, was ich wusste", ergänzt der und lächelt mich an, „Schön, dass du auch wieder du bist." Auch wir umarmen uns kurz.
„Ich hoffe, du hast dich schon entschuldigt", wende ich mich an den Herrn Neverlands, welcher nickt und sich verlegen durch die Haare streicht.
„Vergeben und vergessen", meint auch Felix, senkt respektvoll den Kopf und lässt uns dann, die Keule über seiner Schulter, allein.

„Erzählst du mir, was eben passiert ist?", erkundigt sich Peter und nimmt meine Hand, während wir zurück zum Lager gehen.
„Der Schatten sagte, ich sei Neverland jetzt würdig", antworte ich, wohl wissend, dass mein Gefährte weiß, wo der Schatten mit mir hingeflogen ist, „Dann hat er mich mit der Insel verbunden, wie du sicherlich gespürt hast."
„Ja", bestätigt mein Gefährte, „Fühlt sich gut an, hm?"
Ich nicke und gemeinsam spüren wir in die Verbindung zu diesem magischen Ort hinein. Es ist nicht nur ein Gefühl von Macht, sondern auch von Unendlichkeit und Vollkommenheit. Absolut einzigartig.

„Jetzt sind wir auf andere Weise miteinanderv erbunden", meine ich.
„Ich habe keine Kontrolle mehr über dich", fasst Peter Pan zusammen, „So, wie es sein sollte."
Zufrieden lächeln wir uns an und ich bin mir sicher, dass der Peter Pan von vor hundert Jahren definitiv etwas dagegen gehabt hätte. Aber wie der Schatten schon sagte: Die Dinge haben sich geändert und Peter Pan ist nicht länger der Bösewicht. Neverland darf nun wahrlich wieder ein Ort für Träume sein.

Peter Pan believes in meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt