Tami POV
Ich bin kaum ein paar Schritte in die Höhle gegangen, als ich mich noch einmal umdrehe, um einen letzten Blick auf Peter zu werfen. Doch alles, was ich sehen kann, ist Stein.
Der Höhleneingang hat sich nach meinem Betreten selbst versiegelt. Das bedeutet, es gibt kein Zurück mehr. Ich muss das hier jetzt schaffen.Meine Knie zittern ein wenig, doch ich zwinge mich weiter zu laufen. Was habe ich auch für eine Wahl? Die verlorenen Jungs verlassen sich bestimmt auf mich.
Immer tiefer gehe ich in das Höhlensystem hinein. Die Fackel, die Peter mir gab, ist das einzige, was mir Licht spendet. Zuckend offenbart die Flamme geheimnisvoll glitzernde Felswände und tropfende Stalaktiten. Der Boden ist ein wenig rutschig, während der Gang nach unten führt.Mit der freien Hand versuche ich mich an den Wänden festzuhalten, um nicht hinzufallen. Sagen wir es so: Das funktioniert den größten Teil der Strecke. Ein paar Mal lande ich aber äußerst unsanft auf meinem Hintern oder auf der Seite. Gerade so schaffe ich es jedes Mal noch rechtzeitig weder mich noch das Märchenbuch mit der Fackel in Brand zu stecken.
Nach einer Weile muss ich vor Anstrengung eine Pause machen und setze mich auf den kalten Höhlenboden. Mein grünes Kleid ist ohnehin schon völlig ruiniert. Doch auch diese Zeit versuche ich sinnvoll zu nutzen und blättere noch einmal durch das Märchenbuch. Beziehungsweise durch das Märchen Die sieben Raben.
Dabei erinnere ich mich wieder daran, wie ich es gestern holte und dem Schatten die Märchen erzählte.Ich habe dem Schatten bereits Die Salzprinzessin und König Drosselbart vorgelesen, als wir bei dem Kapitel mit dem Märchen der sieben Raben ankommen.
„Oh, davon habe ich dir ja eben schon erzählt", sage ich und will weiter blättern. Der Schatten aber unterbricht mich: „Du hast mir nicht gesagt, welche Aufgaben das Mädchen erfüllen musste."
Seine Feststellung kommt einer Aufforderung gleich. Noch immer bin ich verwundert über das Interesse des magischen Wesens, doch ich bin auch sehr erfreut darüber. Mit einem Lächeln auf den Lippen beginne ich vorzulesen.
Schließlich gelange ich zu der Stelle des Märchens, an der die Tochter zu ihrer Reise aufbricht: „Dem Mädchen ließ das Schicksal, das ihre Brüder ereilt hatte, keine Ruh und so machte sie sich auf, sie zu befreien. Sie war bereit, alles dafür zu geben, was sie zu geben vermochte. So machte sie sich auf den Weg und nahm nichts anderes mit als einen Ring ihrer Eltern als Andenken und etwas Verpflegung.
Die junge Tochter lief und lief so weit wie sie ihre müden Beine trugen und dann lief sie noch weiter. Schließlich gelangte sie an das Ende der Welt und begegnete der Sonne. Ihre Strahlen brannten heiß und hell auf die blanke Erde hinab und ließen keine Existenz außer ihrer eigenen zu. Sie verbrannten alles, was sie berührte.
Als das Mädchen das erkannte, sammelte sie ihre Kräfte und rannte davon. Es war die klügste Entscheidung, die es hätte treffen können.
Danach gelangte das Mädchen zum Mond. Noch bevor sie sein Licht erahnen konnte, spürte die Tochter die Kälte, die von ihm ausging. Ihr Atem schien zu gefrieren und jegliches Glück aus ihrem Herzen zu rinnen. Dann hörte sie ihn sprechen: „Ich rieche, rieche Menschenfleisch."
Fieberhaft überlegte das Mädchen, was es tun könnte, um dem Mond zu entkommen. Schließlich kam sie zu der Überzeugung, dass sie dem Mond etwas opfern müsse, damit er sie ziehen ließe.
Und so warf sie alles, was sie an Nahrung dabei hatte, in sein Licht, damit er es finden konnte. Abgelenkt von ihrer Gabe, bemerkte der Mond nicht, wie sich die junge Tochter selbst davon stahl."
„Zu mir hat der Mond noch nie gesprochen", unterbricht mich der Schatten und scheint ernsthaft über die Geschichte nachzudenken.
„Zu mir auch nicht", gebe ich zu, „Das Märchen ist aber auch schon ziemlich alt. Vielleicht wurden Geschichten damals anders erzählt? Blumiger?"
„Das mag sein", überlegt das dunkle Wesen laut, „Ich kann dir aber auf jeden Fall verraten, dass sich ein Fluch jedes Mal anders auswirken kann. Man weiß nie mit Sicherheit, was einen erwartet."Peter war die Sonne.
Das wird mir erst jetzt klar.
Ich wurde immer von seinem Licht überlagert und musste mich davor wegducken. Doch nun habe ich mich zwangsweise abgewandt und bin dabei einen Fluch zu brechen. Die Entscheidung, mich gegen meinen Gefährten zu stellen und die Prüfungen anzutreten, war die erste Aufgabe.In meine Erinnerungen versunken bemerke ich erst ziemlich spät, dass die Temperatur stark abgefallen ist. So stark, dass ich schon meinen Atem in der Luft sehen kann.
„Verdammt", fluche ich und rappele mich vom Boden auf. Das Märchenbuch verwahre ich wieder sicher in der Umhängetasche.
Die Flamme der Fackel zuckt noch ein paar wenige Male schwach, dann gibt auch sie sich im Angesicht der Kälte geschlagen und verlischt.
„Verdammt", flüstere ich noch einmal und meine Stimme zittert. Ebenso wie der Rest meines Körpers.Leise lege ich die erloschene Fackel auf den Boden und schlinge den Umhang fester um mich. Dennoch überkommt mich eine Gänsehaut. Vor allem, als ich die gefürchteten Worte höre: „Ich rieche, rieche Menschenfleisch."
Verdammt nochmal.„Wünsch mir Glück", hauche ich und küsse den Ring, den Peter mir einst schenkte. Dann zücke ich ängstlich, aber auch entschlossen, das Messer, das in meinem Gürtel steckte. Wie alle Verlorenen trage auch ich immer irgendeine Art von Waffe bei mir.
Ganz vorsichtig setze ich im Stockdunklen einen Fuß vor den anderen, pirsche mich an der Felswand entlang, darauf bedacht, nicht hinzufallen.
„Ich rieche, rieche Menschenfleisch", ertönt es wieder und hallt durch den Gang.
Nun habe ich allerdings eine Vermutung, woher die Stimme kommt. Anscheinend ist der Gang gleich vorbei. Zumindest sehe ich in ein paar Metern Entfernung wie er eine Biegung macht. Danach gibt es irgendeine Art von Lichtquelle, weshalb ich die Biegung überhaupt erkennen kann.
Ein weißer, kalter Glanz, den ich fast erreicht habe.
Der Mond kann es nicht sein. Schließlich bin ich hier in einem Höhlensystem. Oder ist er es etwa doch?
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Peter Pan believes in me
Fanfiction„Glaubst du an mich, Peter Pan?" „Ja." „Dann lass mich diesen Fluch brechen." ___________ Tami und Peter haben das Abenteuer mit Henry überlebt. Und sogar mehr als das: Sie sind mächtiger als je zuvor. Jetzt warten neue Herausforderungen auf sie...