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Die Tür der Cafeteria fiel mit einem leisen Klicken hinter Oliver ins Schloss. Der Flure waren bis auf einige wenige Schüler leer, es waren die selben, die auch schon vor zwei Minuten da standen, als er den Essensraum betreten hatte. Ihre Blicke verfolgten ihn bis er um die erste Ecke bog.

Es war das erste Mal, dass Tony nicht in der Cafeteria gewesen war. Und da Oliver keinen Sinn darin sah, alleine zu sitzen, hatte er beschlossen, seine Pause wieder wie früher draußen zu verbringen.

Zuerst wollte er zu dem üblichen Platz gehen, an dem er immer rauchte, doch als er Alex und seine Freunde sah, wusste er, dass er sich vermutlich nicht zurückhalten könnte. Er hasste es, was sie taten, in seinen Augen gab es nichts Erbärmlicheres. Er war sich sicher, dass Tony ihnen nichts angetan hatte. Er sprach ja beinahe kein Wort. Doch vermutlich war genau das der Grund, warum er zu ihrem Opfer wurde. Oliver hatte diese Schule von Anfang an nicht sonderlich gemocht und nun kam ihm seine Entscheidung, sich von allen so weit wie möglich fernzuhalten, noch gerechtfertigter vor als zuvor.

Anstatt die Straße zu überqueren und gegenüber von der Schule zu rauchen, entfernte er sich lediglich einige Schritte von dem eisernen Tor. Es war nie geschlossen, Oli war sich nicht einmal sicher, ob es ein Schloss besaß, doch das Tor war groß und ragte neben ihm weit in die Höhe. Er lehnte sich dagegen, während er seine Zigaretten aus der Hosentasche holte. Er zündete eine an und nahm den ersten Zug. Eine Weile blieb er still und beobachtete, wie der Rauch in Richtung Himmel flog und immer durchsichtiger wurde. Obwohl er hier nicht viel mehr sprach als er es in Tonys Gegenwart tat, wurde ihm dennoch schnell langweilig. Er lehnte seinen Kopf zurück und mit geschlossenen Augen ließ er seine Finger immer wieder gegen das Metall klopfen. Es war eine schlechte Angewohnheit von ihm, aus allen möglichen Gegenständen Geräusche heraus zu locken, wenn ihm langweilig war. Genauso wie er vor Nervosität mit dem Bein auf und ab wippte.

Als er seine Augen das nächste Mal öffnete, zuckte er erschrocken zurück. Mit einem metallischen Nachhallen knallte sein Kopf gegen die Eisenstangen hinter ihm. „Scheiße", murmelte er leise und rieb sich mit der Hand über seinen Hinterkopf, während er den schwarzhaarigen Jungen vor sich ungläubig anschaute. „Mach das nie wieder, Tony."
Dieser wandte beschämt den Kopf ab, seine Haare verdeckten seine rötlichen Wangen nur teilweise. Plötzlich war sein Vorsatz, mit Oliver zu reden, wie im Sande versunken. Seine Stimmbänder weigerten sich, auch nur den kleinsten Ton von sich zu geben. Es war eine schlechte Idee gewesen, hier her zu kommen. Aber einfach wieder gehen konnte er auch nicht. Also heftete er seinen Blick auf seinen rechten Fuß, mit dessen Schuhspitze er leise auf den Boden tippte. Erst als Oliver erneut redete, schaute er auf. Es wunderte ihn, dass der Junge vor ihm immer wieder versuchte, Gespräche aufzubauen, obwohl Tony so wenig Bemühungen zeigte. Doch er war dankbar dafür, denn Oli war der Einzige, der das tat.

„Also?", fragte er langsam. „Was gibt's?"

Für einen kurzen Moment versteifte sich Tonys Griff um das Blatt Papier in seiner Hand, bevor er es Oliver entgegenstreckte. Dieser konnte es nicht wirklich erkennen, weswegen er es selbst in die Hand nahm. Seine Augen schweiften über das Blatt, das er schnell wieder erkannte. Es war die Hausaufgabe, an der sie gestern noch gearbeitet hatten. Sein Blick schoss zu der oberen Ecke, um das Ergebnis ihrer Anstrengungen herauszufinden. Seine Lippen hoben sich zu einem stolzen Lächeln, als er die hohe Zahl erkannte. „91%?", fragte er ungläubig. „Wow, ich kann nicht glauben, dass ich dir wirklich helfen konnte." Obwohl er lachte, zog Tony seine Augenbrauen leicht zusammen. Es gefiel ihm nicht, dass Oli sich für dumm zu halten schien. Er schüttelte seinen Kopf und obwohl sein Magen sich schmerzhaft umdrehte, zwang er sich dazu zu sprechen. Auch wenn seine Stimme mehr wie ein Flüstern über seine Lippen kam, war es immerhin ein Fortschritt. „Du bist schlau." Er hätte sich eigentlich darüber freuen sollen, dass er die Worte ohne Stottern geformt hatte, aber es ärgerte ihn, wie kindlich er klang. Also versuchte er es erneut, doch die Ungewohnheit, in ganzen Sätzen zu sprechen, erschwerte es ihm ungeheuer. „H-Hätte es nicht ge-geschafft ohne dich."

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