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Neues Cover bei der süßen happywithoutpants , Danke noch einmal dafür ! <3
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Als Oliver am Nachmittag die Haustür hinter sich zuknallte und sich auf dem Boden niederließ, um seine Schuhe auszuziehen, war die Versuchung, sich einfach an ebendieser Stelle hinzulegen und zu schlafen, verdammt groß. Der sonst so harte, geflieste Boden schien plötzlich so weich wie ein Bett zu sein. Aber abgesehen davon, dass es draußen regnete und der Boden durch Olis tropfende Klamotten mittlerweile nass war, wusste er, dass er jetzt nicht schlafen konnte. Selbst wenn er sich einen Wecker stellen würde, er kannte sich selbst gut genug, um zu wissen, er würde nicht mehr aufstehen, um zu dem Treffen mit Chris zu gehen. Und dort musste er unbedingt hin. Er war sich noch nicht sicher, ob er sich für den Vorfall entschuldigen musste oder Chris anschreien sollte. Obwohl ihm letzteres eindeutig besser gefiel, bestand die Möglichkeit, dass das Erstere die Zusammenarbeit deutlich erleichtern würde. Er konnte sich nicht leisten, den Job zu verlieren. Andererseits war er einfach so unglaublich sauer auf Chris. Er hatte ihm versprochen, ihm würde nichts passieren. Und keine zwei Stunden später hatte er einen Pistolenlauf auf sein Gesicht gerichtet bekommen. Was, wenn der Polizist abgedrückt hätte? Er hätte tot sein können. Innerhalb einer Sekunde hätte alles vorbei sein können. Die Erkenntnis, wie schnell sein Leben vorbei sein könnte, holte Oli aus seiner Müdigkeit heraus. Um den Gedanken zu entkommen, stand er auf und schnappte sich seine Tasche. In seinem Zimmer legte er alles beiseite und holte sich frische Klamotten, um erst einmal duschen gehen zu können. Er hatte noch zwei Stunden Zeit, bevor er gehen musste, und außer Duschen gab es nicht viel, dass er noch vorher erledigen musste. Auch wenn er nicht vor hatte, dafür die kompletten zwei Stunden zu brauchen.

Obwohl es einigermaßen warm draußen war, drehte er den Wasserhahn in Richtung der warmen Seite. Es dauerte nicht lange, bis die kleine Duschkabine, die mit einer gläsernen Tür vom Rest des Bades abgetrennt war, mit Dampf gefüllt war. Um seinen Kopf von ungewollten Gedanken frei zu halten, fokussierte er sich konzentriert auf die Wassertropfen, die die Duschwand herunter liefen und ineinander übergingen. Er verbot sich zwar, über die Geschehnisse der letzten Nacht nachzudenken, doch eines war für ihn klar. Selbst wenn er den Job behielt und Chris ihn noch einmal mit einer größeren Aufgabe betreuen wollte, er würde sein gewohntes Revier nicht mehr verlassen.

Als er fertig angezogen war und etwas kleines gegessen hatte, hatte er nach wie vor eine Stunde Zeit. Seine Müdigkeit war schon längst wieder zurück gekommen und er widerstand dem Drang, sich auf sein Bett zu setzen, sondern wählte den Schreibtischstuhl. Sein Blick fiel auf seinen Rucksack. Wenn er Tonys Hausaufgaben hinbekommen hatte, bestand doch auch eine Chance, dass er seine eigenen ebenfalls schaffen würde. Da er nichts besseres mit seiner Zeit anzufangen wusste, griff er nach seiner Tasche und suchte nach einem Fach, für das er auf morgen Hausaufgaben aufhatte. Er zog seine Englischsachen heraus und las über die Aufgabenstellung. Er sollte argumentieren, ob er einem Zitat von Aristoteles zustimme. „Mütter lieben ihre Kinder mehr, als Väter es tun, weil sie sich sicher sein können, dass es ihre sind", las er leise murmelnd vor. Humorlos lachte er auf, ehe er den Kopf schüttelte. Er wusste in etwa, wer Aristoteles war, doch ein großes Genie konnte er nicht gewesen sein. Für Oliver war es nicht wichtig, ob es das eigene Kind war. So viele Eltern adoptierten Kinder und liebten diese wie ihre eigenen. Familie hörte nicht mit Blut auf. Sie ging darüber hinaus. Aber damit anfangen tat sie auch nicht. Eine Stiefmutter konnte einen mehr lieben als die leibliche Mutter es getan hat, die einen verlassen hatte. Genau wie eine Mutter ihr Kind nicht haben wollen konnte, während der Vater darum kämpfte. Für einen Moment fragte Oliver sich, ob seine eigene Mutter nicht das beste Beispiel dafür war? Tommy war ihr Kind gewesen, ihr eigen Fleisch und Blut. Und doch hatte sie ihn zurück gelassen. Und um Oli so etwas antun zu können, konnte sie ihn nicht sehr geliebt haben. Sonst hätte sie ihn nie von seinem Bruder getrennt. Aber sie hatte es getan. Während sein Vater in seinen Augen nie einen Fehler begangen hatte. Oliver wollte wissen, ob nur seine Familie so verkorkst war. Ob auf andere das Zitat vielleicht zutraf. Ob es seine Schuld war, dass seine Mutter ihm so etwas angetan hatte. Hatte sein Vater ihn vielleicht sogar los haben wollen? War er nicht gut genug gewesen?

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