"Nadi, was steht da drauf?"
Ich konnte ihr nicht antworten. Die Worte auf dem Zettel tanzten in meinem Kopf und alles vor mir schien sich auf einmal zu drehen. Meine Beine ließen unter mir nach, ich fiel auf meine Knie und starrte dabei immer noch auf das kleine Stückchen Papier in meinen zitternden Händen.
Er war in meinem Zimmer gewesen. Hatte es durchwühlt. Die Uhr gefunden. Und sofort gewusst, was gewesen war. Er kannte mich nach so vielen Jahren Freundschaft einfach viel zu gut. Und sein Wissen benutzte er gegen mich. Scheiße.
Ich hatte keine Ahnung, was ich jetzt tun sollte. Die Uhr verkaufen und das Geld mit ihm teilen? Aber wer würde mir schon glauben, dass ich so eine Uhr besitze? Ich hatte keine teure Markenkleidung oder einen professionellen Haarschnitt. Ich hatte überhaupt nichts.
Ich brauchte Hilfe. Und zwar schnell. Ich blickte Jana in das besorgt aussehende Gesicht. Sie war so hübsch mit ihren blonden löckchen, die ihr Porzellan-weißes Gesicht umgaben.
"Süße, ich muss mal kurz wohin gehen. Es ist ganz ganz wichtig. Bitte sag deiner Mom nicht Bescheid, dass ich weg bin, okay? Das bleibt unter uns."
Sie zögerte erst, dann nickte sie vorsichtig.
"Okay.", flüsterte sie. Sie tat so, als hätte sie einen Schlüssel in der Hand, hielt ihn an ihren rechten Mundwinkel und "schloss ihren Mund ab". Dann warf sie den imaginären Schlüssel so weit weg, wie sie konnte und schaute mich dann mit zusammen gepressten Lippen an. Sie war einfach zu süß.
Ich gab ihr noch ein Küsschen auf den Scheitel bevor ich aus dem Fenster stieg. Erst als mich auf dem Weg die ersten Wassertropfen trafen, bemerkte ich, dass ich noch meinen Schlafanzug trug."Rhonda, beweg deinen fetten schwarzen Arsch Richtung Haustür, es klingelt!"
Keine Antwort.
"Rhonda!"
Nichts als Stille.
Seufzend legte sie ihr Handy beiseite und erhob sich langsam aus ihrem Bett.
"Ich werd sie feuern, diese unnütze unterbelichtete Bitch. Fette alte Witwe.", murmelte sie vor sich hin, während sie die Musikanlage leise stellte. Sie lief herzhaft gähnend aus ihrem Zimmer und die lange weiße Marmortreppe herunter, begleitet von dem nervenden Klingeln an der Haustür.
"Ich komm doch schon!", rief sie während sie sich durch das Haar fuhr, sodass es wieder perfekt sitzend auf ihre Schultern fiel. Unten angekommen setzte sie ihren "Was-wagst-du-hier-aufzukreuzen-Blick" auf und riss sie die Tür auf. Bevor sie einen genervten Kommentar gegenüber dem Besuch erwähnen konnte, meldete sich dieser mit dünner Stimme.
"Lola, ich brauche deine Hilfe."Wir saßen, in der riesigen weißen modern eingerichteten Küche, gegenüber an einem großen dunklen Kirschholztisch mit zwei Tassen Tee und Kesksen vor uns. Während Lola mich mit zusammengekniffenen Augen intensiv musterte, ließ ich meinen Blick über die wunderschöne teure Einrichtung des Hauses gleiten. Alles glänzte und strahlte, als wäre es gerade erst geputzt worden. Überall hingen prachtvolle Gemälde in schmuckhaften Rahmen. Die Wände waren verziert mit goldenen Schnörkeln und Blümchen. Die weißen Vorhänge vor den großen Fenstern flatterten leicht im Wind.
Das ganze Zimmer strahlte eine wunderschöne Vollkommenheit und Schönheit aus, die mich beeindruckte, neidisch und sehnsüchtig machte. So lebten also die Reichen. Das nennt man also "mit Stil leben".
Es gab nur eine Kleinigkeit, die mich störte: es gab nicht nur den leisesten Hinweis darauf, dass hier jemand lebte. Keine Fotos oder Urkunden, selbstgemalte Bilder die an Magneten am Kühlschrank hingen. Kein einziger benutzer Teller oder ein Glas. Keine einzige Notiz, keine Briefe die auf der Anrichte lagen. Kein einziger Krümel auf dem Boden. Es war beängstigend.
Lola räusperte sich um meine Aufmerksamkeit zu gewinnen. Seit ich rein gekommen war, hatte ich kein Wort von mir gegeben. Ich musste mich erst sammeln.
Ich sah sie an. Sie sah selbst heute um drei Uhr morgens perfekt aus. Das Make-up, die Haare, das schwarze Kleid...alles saß perfekt. Unglaublich.
"Also...", fing sie an und faltete die Hände unter ihrem Kinn zusammen, "fangen wir erstmal damit an wieso, um alles in der Welt, du weißt, wo ich hause." Sie zog eine Augenbraue hoch. Ich wollte gerade antworten, doch sie unterbrach mich.
"Ich Dummerchen, wieso frag ich überhaupt? Die ganze Stadt weiß doch, wo wir wohnen. Wir, die feine reiche Familie des Mister Pierre Laurette." Sie stand auf und lief zu einer Schublade in der sie herum kramte.
"Äh...also eigentlich hab ich's im Telefonbuch nachgesehen aber ähm lassen wir's."
Lola kam mit einer Packung Zigaretten und einem Aschenbecher zurück.
"Biste jetzt auf Kippen umgestiegen oder was?"
Sie warf mir einen genervten Blick zu und zündete sich ihre Zigarette an.
"So Püppchen", nuschlte sie mit der Kippe im Mund, "jetzt erzähl doch mal, was dich zu Mama Lola geführt hat."
Ich nahm tief Luft und fing an in meiner Tasche zu kramen. Ich nahm die Uhr raus und legte sie auf den Tisch. Dann sah ich die stirnrunzelnde Lola an.
Sie machte den Mund auf und schloss ihn darauf gleich wieder. Sie wirkte extrem verwirrt, was mich irgendwie belustigte.
Sie nahm die Uhr in die Hand und glitt mit den Fingern darüber.
"Wo hast du denn die Schönheit her?", fragte sie, die Augen fest fixiert auf dem Weißgold.
"Ich hab sie...", fing ich an, doch sie unterbrach mich schon wieder. Langsam nervte es.
"...gestohlen.", beendete sie den Satz. "Von Vince."
Sie erkannte die Uhr? Na toll.
"Ich ähm ich wollte nicht...ich"
"Bitch, du hast sie geklaut! Von meinem Ex! Was laberst du mit "ich wollte nicht". Klar wolltest du! Du wolltest unbedingt! Glaubst du wirklich du könntest mir irgendwas vorspielen?"
Sie fuchtelte wild mit den Armen herum und sah mich verärgert an. Okay, Temperament hatte sie allerdings. Ich sollte vorsichtiger sein mit dem, was ich sagte. Und ich sollte aufhören zu stottern. Sie dachte bestimmt schon ich wäre nur ein kleines verschüchtertes Lamm mit Sprachfehlern.
"Okay, dann hab ich sie ihm halt gestohlen! Er hat doch sowieso massenweise teure unnütze dekorative Scheiße um sie Menschen wie mir unter die Nase zu reiben. Im Gegensatz zu euch hab ich so was nämlich nicht, okay? Ich hab gar nichts. Ich habe die Uhr mitgehen lassen und das bereue ich nicht. Ich bereue nur sie nicht besser versteckt zu haben, sodass Andrej sie nicht finden und mich jetzt damit erpressen könnte."
Sie sagte nichts. Schaute mich nur an und rauchte. Während ich sie verärgert ansah, fiel mir auf, dass ich ziemlich laut geschrien hatte. Wahrscheinlich hatte ich ihre Eltern geweckt.
"Inwiefern "erpressen"?", fragte sie endlich.
"Er will die Hälfte des Gewinns."
"Für wen hält der sich, bitte?"
"Für...den rechtmäßigen Jungen an meiner Seite."
Sie nickte ein paar mal und reib nachdenklich ihr Kinn. Und das eine gefühlte Ewigkeit.
"Hmmm..."
"Was?"
"Ich überlege."
"Das seh ich."
"Schön für dich."
Ich verdrehte die Augen und schüttelte den Kopf. Sie war wirklich nervenaufreibend.
"Jetzt sag schon!"
"Hetz mich nicht, Rotkäppchen."
Sie stand auf und lief rauchend, unruhig herum.
Rotkäppchen?
"Ich hab's!", rief sie plötzlich. Ihre Augen leuchteten und ein Grinsen entfaltete sich auf ihrem Gesicht.
"Wir werden Jace besuchen. "
Ich sah sie stirnrunzelnd an.
"Jace?"
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senseless
De TodoIhr denkt bestimmt euer Leben ist scheiße. Jeden Tag den gleichen Ablauf, die Schule geht euch auf die Nerven, eure Eltern gehen euch auf die Nerven und eure Freunde haben nur selten Zeit für euch. Was für n' Horror. Wisst ihr, mein Leben lief ander...