8

24 2 0
                                    

Wie man sich schon denken kann, leben ich und meine Familie in einer nicht gerade schönen Gegend, da wir uns ja kaum etwas leisten können. Wir leben im 7. Stock eines alten heruntergekommenen Hochhauses, in dem es keinen Aufzug, jedoch reichlich Möchtegern-Graffiti gibt.
Nachts ziehen betrunkene Jugendliche um die Häuser und rauben einem, mit ihrem Gebrüll, den Schlaf.
Und obwohl in meinem Viertel alles so hässlich, trostlos und uneinladend ist, habe ich eine Gegend, wie diese, noch nie gesehen.
Nachdem Lola ein oder zwei Telefonate, mit ihrem mit Strasssteinchen überdeckten i-phone geführt hat, schleppte sie mich in eim Viertel, das den Namen "Nachtschleicher" trägt.
Also, stellt euch einfach eine kaum befahrbare Straße, so kaputt wie sie ist, umrandet von geschlossenen Geschäften, hässlichen Hochhäusern und Unmengen von Bars und Clubs.
Und alles durchlöchert von Schusslöchern und bemalt mit schnell geschmiertem Graffiti. Obdachlose wühlten in den Mülleimern auf der Suche nach etwas essbarem.
Dazu stelle man sich einen miefenden Geruch, den es aufgrund einer nahen Müllhalde gibt, vor. Schließlich noch die nervigen immer wieder kommenden Polizeisirenen, Schussgerausche, das Schreien von Babys und das Herumbrüllen gefährlicher draufgängischer Kerle. Alles in einem war es wie in einer dieser typischer Ghetto Gegenden aus den Filmen, in denen Drogendealer und andersartige Verbrecher ihr Unwesen treiben und man tagtäglich sein Leben fürchten muss.
Unheimlich.
Während Lola auf ihren High Heels pfeifend durch die Gegend lief als wäre sie hier auf einem Catwalk oder so, musste ich mich zusammenreißen nicht schreiend wegzulaufen. Zögernd lief ich ihr hinterher und fragte mich warum Lola die Uhr nicht einfach auf ebay versteigerte, 20% des Gewinns an sich nahm und gut ist. Aber nein, wir müssen es ja auf die komplizierte und gefährliche Weise tun, weil Miss Lola auf Abenteuer steht und meint es wäre viel zu gefährlich die gestohlene Uhr seines Ex selbst zu verkaufen. Also mussten wir natürlich genau hierher kommen, weil hier die einzigen Menschen sind, denen sie vertraut. Hier.
Irgendwann nachdem sie all meine weiteren Fragen und Klagen auf dem Weg ignorierte, blieb sie abrupt vor einem Club namens "Coven" stehen. Es drang ein dumpfer Bass und wildes Gejohle aus der Tür und ein mürrischer, jedoch gut aussender breiter Mann stand mit verschränkten Armen davor. Als er jedoch Lola erblickte, lächelte er und rief:"Na, Lolita, was führt unsere Prinzessin denn heute her?"
Sie lächelte charmant und strich ihm ohne eine Antwort zu geben über die Wange und verschwand dann ins Innere des Clubs. Verlegen fuhr er sich durch das kurze braune Haar. Ich schlüpfte schnell in den Club begleitet von einem "Ah Lolita, du hast ja Begleitung mitgenommen!" und erkannte, dass ich "Lolita" verloren hatte. Ich schlängelte mich zwischen den tanzenden schwitzenden Menschen hindurch, rief Lolas Namen, doch sie blieb trotzdem verschwunden.
Entmutigt lehnte ich mich gegen die Clubwand und ließ unruhig meinen Blick umher schweifen. Es hatte keinen Sinn. Lola konnte überall sein und aus ein paar Metern Entfernung, erkannte ich schon das erste Grüppchen Jungs, das selbstbewusst auf mich zusteuerte.
Als ich gerade vor ihnen flüchten wollte, packte mich jedoch jemand fest am Arm umd zog mich gegen meinen Willen durch eine Tür auf der "nur für Personal" geschrieben stand.
Ich protestierte lautstark und versuchte mich dem Griff zu entziehen, jedoch ohne den geringsten Erfolg.
"Das kommt davon, wenn man sich von einer reichen Göre in ein scheiß Ghetto mitnehmen lässt", dachte ich, "Selbst schuld." Nach einer Weile hörte ich auf mich zu wehren und blickte das erste mal richtig meinen Entführer an.
Er hatte einen schwarzen Hoodie an, dessen Kaputze er über seinen Kopf und die Ärmel hoch gezogen hatte. Die Ärmel umhüllten zwei muskulöse Oberarme. Die entblößten Unterarme waren komplett tätowiert. Er war ungefähr 1,85 groß und hatte einen starken, schnellen und aufrechten Gang. Wenn ich nicht gerade kochend vor Wut und zitternd vor Angst wäre, hätte ich mir wahrscheinlich ausgemalt wie sein Gesicht aussieht, wenn er von meiner Perspektive schon so attraktiv wirkte.
Wir liefen immer tiefer in den Club, bis er mich irgendwann in einen Raum schuckte.
Ich rieb mir fluchend meinen, von seinem Griff, schmerzenden Arm auf dem sich schon blaue Flecken gebildet hatten.
Als ich das erste Mal aufblickte, sah ich direkt in das grinsende Gesicht Lolas.
"Honey, wenn ich sage dass du mir folgen sollst, dann folgst du mir auch, ist das klar?"
"Willst du mich verarschen?! Was kann ich dafür, wenn du einfach verschwindest! Und du,", ich wandte mich an den Kerl, "wieso sagst du nicht einfach Bescheid, dass Lola dich geschickt hat?"
Wütend aber auch erleichtert beobachtete ich wie mein "Entführer", der eigentlich nur mein Wegweiser war, sich neben Lola stellte und mit den Schultern zuckte.
Da ich nun endlich sein Gesicht betrachten konnte, werde ich dieses auch beschreiben: unter den wohngeformten dunklen Augenbrauen befanden sich zwei blau-grüne Augen, unter denen hohe Wangenknochen hervorstachen. Sein Gesicht wurde von hellbraunen glatten Haaren umrahmt und, nun ja, er sah einfach aus wie ein Modell.
"Ist das Jace?", fragte ich, nachdem ich mich beruhigt hatte und zeigte mit dem Finger auf den Kerl neben Lola.
Dieser lachte nur höhnisch.
"Jace ist dort hinten.",
antwortete er mit einer tiefen lässigen stimme. Er nickte mit dem Kinn zu einer weiteren Tür.
Lola schritt voran und öffnete sie.
Vor mir spiel sich folgendes Bild ab:
Sieben Jungen saßen in einem Halbkreis da und pokerten. Im jedem Mund dieser Typen befand sich eine Art Zigarre. Alle samt hatten hatten eine Menge Geld ins Spiel gesetzt umd schauten nicht mal hoch während wir hereinkamen.
Mister Tattoo, dessen Name ich immer noch nicht kannte, räusperte sich, worauf sich alle zu uns umdrehten. Sobald sie Lola erblickten, verdrehten sie die Augen. Nur einer lächelte: ein sehr jung aussehender heller Junge mit rosigen Wangen und blonden Löckchen.
"Nadia, das ist Jace."
Lola sah ihm ununterbrochen ins Gesicht und konnte kaum aufhören zu grinsen.
Jace, der zurück grinste, stand auf und fragte mit seiner angenehmen, ruhigen Stimme:
"Und...was führt dich diesmal zu uns Kleine?"
Das "Kleine" schien Lola nicht zu gefallen. Sie schmollte und erklärte kurz und ohne mich davor um Erlaubnis zu bitten, die Sache mit der Uhr.
Nachdenklich schob Jace sich seine Hände in die Hosentaschen und blickte erst eine Weile an die Decke und dann intensiv in meine Augen.
Er lief lächelnd ein paar Schritte auf mich zu.
"Du willst also schön Kohle mit der Uhr machen, aber beim Verchecken nicht entdeckt werden?"
Ich holte tief Luft und antwortete so kühl wie möglich:
"So ziemlich. Aber ehrlich gesagt wäre es mie lieber Lola würde sie mir einfach abkaufen und ich hätte mein Geld sofort."
Sie lachten.
"Du traust mir nicht?"
"Warum sollte ich?"
"Hmm, touché."
Ich sah mich um. Inzwischen waren die anderen Jungs auch aufgestanden und schauten uns amüsiert zu. Lola ist inzwischen knallrot geworden. Vor Scham oder Wut konnte ich nicht erkennen.
"Hör zu", sagte ich,"ich fand unseren kleinen Ausflug zum Arsch der Welt ja ganz amüsant, aber um eine läppische Uhr zu verkaufen brauch ich keinen Möchtegern-Gangster."
Jace Lächeln zog er zu einem Grinsen und auch die anderen Jungs fingen an zu lachen und den Kopf zu schütteln.
Zwei der Jungen lösten sich auf einmal von der Gruppe und traten vor die Tür hinter mir um mir den Weg zu versperren.
"Was zum..."
Langsam bekam ich Panik.
Fassungslos und Hilfe suchend sah ich Lola an.
Diese schaute nur zerknirscht zur Seite.
"Sorry nadja."
Ich konnte es nicht glauben. Sie hat mich verarscht, die ganze Zeit über. Ich schüttelte den Kopf und verfluchte mich selbst wie ich es wagen konnte dieser Tusse zu vertrauen. Wie kann man nur so dumm sein? Wieso konnte ich nie das Richtige tun? Das war's. Die Uhr kan ich jetzt vergessen. Ich musste mich zusammenreißen nicht zu weinen.
Jace trat ein paar Schritte näher, worauf ich reflexartig auch ein paar Schritte nach hinten ging, bis ich an die Kerle hinter mir stieß und erschrocken zusammenzuckte.
Jace kicherte kindlich verspielt in sich hinein.
"Sorry Kleine, aber das ist nicht Teil unserer Vereinbarung. "

senselessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt