"Nadja!"
Ich wurde gewaltsam aus meinem Traum in die Wirklichkeit gezogen. Ich schreckte auf und hob meinen Kopf von der Tischplatte. Nur um in die wütenden dunkel-braunen Augen meines Geschichtslehrers zu schauen. Ich bin tatsächlich im Unterricht eingeschlafen. Na toll.
"Was fällt dir ein dieses unangebrachte Benehmen im Unterricht aufzuweisen! Liegt dir deine Zukunft denn nicht am Herzen? ", rief er aufgebracht und gestikulierte dabei wild herum. Wenn der nur wusste. Meine Zukunft ist das einzige, was mich je interessiert hat. "Sorry. Wird nicht mehr vorkommen. " Er blickte mich enttäuscht an und atmete hörbar ein und aus während er den Kopf schüttelte. Schließlich drehte er sich um und kritzelte in seiner unleserlichen Handschrift ein neues Thema an die Tafel: "der zweite Weltkrieg". Und damit will er mich wach halten? Pff, sehr witzig.
Ich schaute fast alle zwei Minuten auf die Uhr weil ich es nicht abwarten konnte diese Freaks für heute nicht mehr sehen zu müssen. Als es klingelte warf ich mir meine Tasche über die Schulter und wollte gerade aus dem Zimmer stürmen, als jemand meinen Arm fest hielt und ich mich verwundert umdrehte. "Wir müssen reden." Diese großen dunkel-braunen Knopfaugen schienen mich regelrecht zu durchlöchern. "Was gibt's Herr Spenner?", fragte ich eine Spur zu gelangweilt. Er seufzte. "Ich mache mir Sorgen um dich. Du hast dich sehr verschlechtert seit dem letzten Jahr. Ich bitte dich ein bisschen mehr wert darauf zu legen gute Noten zu schreiben. Tu es wenigstens für dich." Sein Blick war so besorgt und traurig, dass man ihn schon fast trösten wollte. Ich betrachtete ihn ein wenig bevor ich antwortete.
Ich verstand nicht wieso so viele Schüler auf ihn standen, er sah aus wie ein normaler Student. Zwar hatte er Muskeln und einen drei-Tage-Bart aber sonst...nee, nicht mein Typ.
Bildete ich mir das nur ein oder wurde er unter meinem Blick wirklich ein bisschen verlegen? So wie er mit einem Fuß auf den anderen trat, tat er einem schon fast leid. Was für n' Lappen.
"Jaja, ich geb mein bestes.", nuschelte ich und wollte aus dem Zimmer gehen. Aber sein Blick wurde jetzt harter und er meinte bestimmend: "Ich will dass du das ernst nimmst, Nadja. Sonst sehe ich mich gezwungen mit deinen Eltern zu reden. Was sagen die eigentlich zu deinen mangelhaften Noten?"
Man wird mich jetzt wahrscheinlich für verrückt und etwas durchgeknallt halten, aber nach dieser Frage konnte ich einfach nicht anders als laut zu lachen. Und ich meine kein normales lachen oder ein Mädchengekichere oder so. Ich lachte wie ein hysterischer Psycho der gerade einen Astmaanfall erlitt. Ich hielt mir den Bauch, warf den Kopf nach hinten und klatschte vergnügt in die Hände. Und mein Lehrer? Der sah mich an als wüsste er nicht ob er sein Pfefferspray raus holen oder ob er mich gleich in die Klapse verfrachten sollte.
"Mein Eltern? Was meine Eltern dazu sagen?", ich lachte wieder, "Die sind schon seit 5 Jahren tot!" Ich lachte wieder. Herr Spenner weitete seine Augen und blickte much fassungslos an. "N...n...Nadja, ich...ich...wusste n...nicht... es...es tut mir so leid...ich...", stotterte er vor sich hin. Ein Lappen, sag ich doch. Ich drehte mich, immer noch kichernd, und rief: "Ach, leck mich doch. " und ging aus dem Zimmer. Dieser Tag wäre mehr oder weniger überstanden, dachte ich, doch als ich gerade den Gang entlang laufen wollte, hörte ich hinter mir eine vertraute Stimme: "Yaya! Yaya, warte!" Oh, fuck. Ich rannte los. Andrej war zwar flink, wegen des Fußball Trainings, doch ich war schneller, dank sechs Jahren Leichtathletik. "YAYA!", rief er nochmal doch ich war schon zu weit weg um es zu hören. Und während ich zur U-Bahn Station rannte, überlegte ich, wie lange er mich schon so nannte. Seit dem Kindergarten, glaubte ich. Wir waren schon immer Freunde gewesen.
Jep, gewesen triffts ganz gut.
Endlich war ich an der U-Bahn Station angekommen, gerade rechtzeitig um in die Bahn einzusteigen. Ich suchte mir einen platz an der rechten Fensterseite, setzte mich hin und verschnaufte erstmal. Vor der Bahn stand Andrej und ich war Gott froh, dass sich die Türen schon geschlossen hatten. "Es tut mir leid!", rief er so laut, dass ich es in der Bahn noch hörte während sie langsam los fuhr. Zur antwort streckte ich ihm meinen Mittelfinger entgegen und genoss den verzweifelten Blick, den er mir zu warf.
An meiner Station angekommen, stieg ich aus und lief nach Hause. Schon schade, das Andi so ein Arschloch geworden ist. Wir waren wirklich gute Freunde in unserer Kindheit. Aber mit der Zeit wollte er "mehr" und dann war's für mich vorbei. Ich hoffte, dass er mich einfach in Ruhe lassen wird. Wenn ich damals nur wüsste...
Daheim angekommen, schloss ich die Haustür auf und lief in die Wohnung. Nata kochte gerade und fragte mich mit monotoner Stimme, ob ich Hunger hätte. Mit ebenso monotoner Stimme verneinte ich und lief in mein Zimmer. "Nadja!", rief Jana glücklich und rannte mir entgegen, sodass ihre blonden Lökchen nur so sprangen. Ich lächelte und kniete mich hin um sie in den Arm zu nehmen. Ich legte meinen Kopf auf ihre Schulter und atmete ihren süßen Vanille-Duft ein, den ich so liebte. Und ich schwöre, selbst wenn die Welt untergeht und unser Haus verbrennt und die Toten auferstehen, wenn es trotzdem diesem Mädchen gut geht, ist alles für mich in Ordnung. Ich habe Jana aufgezogen, da Nata um meine Mutter trauerte, ich gebe ihr alle möglichen Ratschläge und ich werde sie immer beschützen und auf sie aufpassen, weil sie die einzige Person ist die ich wirklich liebe.
Sie löste sich aus der Umarmung und sah mich mit müdem Blick an."Nadi, meine Brust tut ganz arg weh.", sagte sie mit trauriger stimme und legte ihre Hand auf ihre Lungengegend. "Aber wieso denn da Süße? Ist es arg schlimm?", fragte ich besorgt, worauf sie den Kopf schüttelte. Ich gab ihr nochmal einen Kuss auf die Stirn und ging in mein Zimmer um mich fertig zu machen für meine absolute Lieblings-Beschäftigung: Tanzen.

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senseless
CasualeIhr denkt bestimmt euer Leben ist scheiße. Jeden Tag den gleichen Ablauf, die Schule geht euch auf die Nerven, eure Eltern gehen euch auf die Nerven und eure Freunde haben nur selten Zeit für euch. Was für n' Horror. Wisst ihr, mein Leben lief ander...