Ich bin für dich da (Gregor Kobel)

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Ungläubig schaute ich auf die große Anzeigetafel. 1:4-Niederlage. Dass es gegen Spanien schwierig wird, das wusste ich vorher, aber das es so ausgeht wollte nicht in meinen Kopf. Die Jungs waren so nah am Ausgleich dran, doch dann überrannten die Spanier sie und das mit einem Mann weniger.

Als ich meinen Blick von der Tafel lösen konnte, ging mein Blick sofort auf die Suche nach Greg. Ich konnte mir gut vorstellen, was ihm jetzt durch den Kopf geht. Es war sein zweites Spiel als neue Nummer Eins der Schweiz und seine zweite Niederlage, sein sechstes Gegentor. Auch wenn keins der Gegentore seine Schuld waren, so wusste ich, dass ihm das jeder sagen konnte und er würde es nicht glauben. Eine Eigenart die ich absolut nicht an ihm mochte, aber ihm auch nicht übel nehmen konnte. Schließlich bin ich selbst so, wenn ich auf dem Platz stehe.
Mein Blick fixierte meinen Freund, der unten im Regen stand, mit ein paar Mannschaftskollegen sprach und kurz darauf auf dem Weg zur Kabine von Reportern aufgehalten wurde.  Anstatt wir die anderen einfach weiter zu gehen, blieb er stehen und schenkte den Reportern Antworten auf die typischen Fragen nach so einem Spiel. Ich fand es schon immer bewundernswert wie er das anstellte. Innerlich total aufgewühlt zu sein und trotzdem die Ruhe für nervige Fragen zu finden. Eine Antwort darauf, wie er das machte, hatte er nicht. „Es gehört zum Job.“, hatte er nur gesagt.  Keine zwei Minuten später, verschwand er auch Richtung Kabinen und mir war klar, dass ich ihn erst morgen wiedersehen werde, wenn wir von Genf nach Zürich fahren um dort noch einen Tag zu verbringen bevor es zurück nach Dortmund ging. Dieses Alleinsein hasste ich über alles. Nicht, weil ich alleine bin, sondern weil Greg es ist. Keiner der ihn festhält, oder einfach nur da ist. Auch wenn er meint, es ginge ihm gut und ich bräuchte  das nicht machen, so wusste und merkte ich immer wieder wie sehr ihn das runterfährt, auch wenn er es nie zu gibt. Seufzend machte ich mich auf den Weg zu meinem Hotel und bekam kurz vorm schlafen nur eine kurze Nachricht von Greg, wann er morgen fahren wollte.

Pünktlich zu gewünschter Uhrzeit stand ich an unserem Treffpunkt, doch von Greg fehlte jede Spur, was mehr als untypisch für ihn war. Unsicher, beinahe schon ängstlich steigt ich aus dem Auto aus und sah mich etwas um. Der Parkplatz vor dem kleinen Park war leer, kein Wunder bei dem Regenwetter, welches nach wie vor in Genf herrschte. Es konnte doch also nicht so schwer sein einen 1,95m großen Mann zu finden. Anrufen war unnötig, da Greg sein Handy ausgeschalten hatte, wie ich heute morgen bemerkt hatte, als ich ihm wie immer „Guten Morgen“ geschrieben habe.
Verwirrt über das Fehlen meines Freundes ging ich in den Park und sah mich um. Ab und zu rief ich seinen Namen, was eher ein leises unsicheres Fragen war, als ein lautes Rufen. Als ich mich einem kleinen Spielplatz näherte und dort eine Person auf der Schaukel sitzend erkennen konnte, machte ich eine Erleichterung in mir breit. Mit schnellen Schritten ging ich auf ihn zu und kam vor ihm zum Stehen.

„Greg? Was machst du denn hier?“, fragte ich leise. „Ich sitze hier so rum. Sorry, anscheinend habe ich die Zeit vergessen.“, kam leise als Antwort. „Schon okay, ich habe mich nur gewundert. Komm, lass uns ins Auto setzen, da ist es wenigstens trocken.“, versuchte ich ihn zum Aufstehen zu bewegen und griff nach seinen Händen, doch Greg blieb genauso sitzen wie er schon saß. Keine Körperspannung, den Blick auf den Boden gerichtet. Es tat mir unglaublich weh ihn so zu sehen, aber ich wusste, dass jetzt nichts hilft außer Warten und da zu sein. Und auf Greg würde ich auch Stunden im Regen stehen, allerdings blieb mir das erspart und nach zwei Minuten Stille, hob er den Kopf und diese blauen Augen, in die ich mich verliebt hatte, sahen mich mit Enttäuschung und einem Hauch von Angst an. „Lag es an mir? Bin ich doch noch nicht bereit? Du bist immer ehrlich zu mir, also sag es mir bitte.“, flüsterte er mir zu und ich wusste im ersten Moment gar nicht was ich sagen sollte. „Gregor Kobel, jetzt hörst du mir mal gut zu, okay?“, fing ich einen Moment später an und strich ihm die nassen Strähnen aus seinem Gesicht, „Du bist die Nummer 1 von einem der besten Clubs Europas. Du bist der fleißigste Mensch, den ich kenne und ich weiß, dass dir solche Fragen nach so einem missglückten Start durch den Kopf gehen. Und es tut mir unglaublich weh, dich so zweifeln zu sehen und zu wissen, dass ich  nichts tun kann, außer dir zu sagen, wie stolz ich auf dich bin. Du hast so lange gewartet, jetzt ist deine Zeit und du hast alles getan, was du tun konntest. Keine Stellungsfehler, kein Danebengreifen, du hast alles richtig gemacht. Du bist nun Mal der letzte Mann, aber die Fehler passieren vor dir, nicht bei dir. Und es wird besser mit der Zeit. Und wenn es länger dauert, dann ist es so, aber vergiss nie, dass ich deinen Namen immer am lautesten rufen werde und dich immer wieder daran erinnere wer du bist und wie stolz ich auf dich bin. Okay?“

Es arbeitete in ihm, das konnte ich in seinem Blick sehen. Dann stand er einfach auf und legte seine Arme um mich, was ich dankend annahm, da es langsam echt kalt wurde so im Regen zu stehen. Sofort schmiegte ich mich an ihn, atmete tief durch und genoss seine Wärme und die Sicherheit die er mir gab. Auch Greg entspannte sich merklich. „Okay!“, hauchte er leise und drückte mir einen Kuss auf den Kopf, „Ich liebe dich so sehr. Ich bin unglaublich froh dich an meiner Seite zu haben. Ohne dich würde ich wahrscheinlich durchdrehen oder keine Ahnung was.“
„Ich liebe dich auch, Gregi. Über alles und ich würde alles für dich tun, das weißt du!“, lächelte ich ihn an, „Aber können wir jetzt bitte ins Auto. Es wird kalt.“ Jetzt musste er kurz Lachen, und alleine dafür hat sich das Frieren schon gelohnt. „Ja wir gehen jetzt und in Zürich machen wir es uns gemütlich mit Decken, heißem Kaffee und irgendwelchen Serien oder worauf auch immer wir Lust haben.“, grinste er mich an, während er sich von mir löste um Richtung Auto zu gehen. Die Idee gefiel mir, genauso wie die Tatsache, dass mein Freund wieder lachen kann. Auch wenn er sich eher darüber lustig machte, dass ich so eine Frostbeule war.
Aber das war es mir wert, wenn ich dadurch meinen Freund wieder lächeln sehe – und heißen Kaffee bekomme.

Mixed Oneshots Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt