Mitternachtssnack (Gregor Kobel)

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Ein Oneshot nach dem nicht ganz so glücklichen Pokal-Aus. Natürlich wieder mit dem lieben Gregi.

Es war ein Spiel zum vergessen. 116 Minuten lang hatten wir Hoffnung und dann war es wieder dieser eine Ball, der durch kam. Jetzt standen wir hier, das Spiel war vorbei, die Niederlage und das Ausscheiden aus dem DFB-Pokal besiegelt. Die ganze Mannschaft stand vorm Gästeblock, die ganzen enttäuschten Gesichter waren zu sehen. Nico versuchte noch irgendwie zu kommunizieren, aber es war vergebens. Alle standen einfach nur da – fast alle. Mein Blick ging zur Ersatzbank, wo man das leuchtende orange kaum übersehen konnte. Mein Herz zersprang in tausend Teile, auch wenn ich Gregs Gesichtsausdruck auf die Entfernung nicht sehen konnte, hatte mir seine Körpersprache schon gereicht, um Enttäuschung, Wut und Nicht-mehr-weiter-wissen zu sehen. Und es tat weh, es tat verdammt weh ihn so zu sehen.
Ich weiß nicht wie lange ich nur auf Greg geschaut, oder eher gestarrt habe, bis meine Freundin vorsichtig an meinem Trikot gezogen hat, um mir zu verdeutlichen, dass wir jetzt gehen sollten. Auf dem Weg zum Hotel haben wir zwar ganz normal gequatscht, aber es war uns klar, dass jeder mit seinem „Liebling“ mitlitt.

Im Hotel angekommen war es nicht die schlauste Idee Social Media zu öffnen oder sich einzelne Szenen in den Mediathek nochmal anzusehen. Nico auf dem Boden sitzend und im nächsten Bild Greg, der seine Handschuhe gegen die Bank warf, war eindeutig zu viel. Schlafen konnte ich mir damit dann wohl abschminken, da ich diese Bilder die nächsten Tage wohl kaum aus dem Kopf bekommen werde. 
Gegen 2 Uhr habe ich es dann aufgegeben mich hin und her zu wälzen und damit auch meine Freundin vom schlafen abzuhalten. „Ich gehe mir einen Snack holen.“, sagte ich leise und bekam als Antwort nur ein zustimmendes Murmeln. Schnell zog ich mir meine lange Hose und meinen BVB-Pulli drüber und verschwand mit Kleingeld und der Zimmerkarte nach draußen. Und wenn es eine Sache gab, die gruseliger war, als ein verlassener Hotelflur, dann war es ein eigentlich verlassener Hotelflur wo man aber immer wieder Geräusche hörte, bei denen man meinen könnte hier wird gerade jemand oder etwas kaputt getreten. Und obwohl ich in solchen Momenten immer einfach umgekehrt wäre, so lief ich den Weg zum Snackautomaten trotz lauter werdenden Geräuschen immer weiter.
Vorsichtig sah ich um die Ecke, um jemanden mit tief ins Gesicht gezogener Kapuze vorm Snackautomaten stehen zu sehen. Normalerweise würde ich jetzt stehen bleiben und warten bis der Dude fertig ist und geht, aber irgendwie wollte er sich nicht damit abfinden, dass sein Snack offenbar fest steckte und er mit leeren Händen gehen musste. Je länger ich zu ihm sah, desto bekannter kam mir die Figur, die Körperhaltung vor. Und plötzlich macht es alles Sinn, als er sich frustriert seufzend die Kapuze vom Kopf zog. Meine Augen und mein Bauchgefühl hatten mir also doch keinen Streich gespielt. Es war Gregor Kobel und er hatte jetzt eine genauso traurige und schlappe Körpersprache wie schon vorm Anpfiff. Nur wäre sie jetzt erst recht berechtigt gewesen.

Was machte man jetzt in so einer Situation? Die meisten würden wahrscheinlich hingehen oder heimlich Fotos machen, doch das war für mich nun gar keine Option. Dieser Mann ist gerade aus dem DFB-Pokal rausgeflogen, die Mannschaft hängt in einer Krise und jetzt reichen Kleinigkeiten, wie ein nicht funktionierender Snackautomat, auch schon aus um dem ganzen die Krone aufzusetzen. In solchen Momenten macht man nicht noch stalkermäßig Fotos. Und das er Lust auf Gesellschaft hatte, konnte ich mir auch nicht vorstellen, auch wenn ich ihn gerade einfach mal fest in den Arm nehmen wollen würde.
Spätestens als er seinen Kopf gegen die Scheibe des Automaten lehnte, war es bei mir vorbei. Ich konnte mir das nicht mehr länger mit ansehen und auch wenn ich der größte Angsthase auf diesem Planeten war, lotsten mich meine Beine die paar Meter zu ihm. Natürlich bemerkte er mich recht schnell, weswegen er sich wieder normal hinstellte und mich etwas überrascht ansah. Verständlich, normalerweise schliefen Menschen um diese Uhrzeit.

„Sorry, ich wollte dich nicht erschrecken.“, entschuldigte ich mich sofort, obwohl ich eigentlich nicht mal wirklich was getan hatte. Greg sagte dazu nichts, aber wahrscheinlich hat er es akustisch auch einfach nicht verstanden, so leise wie ich es vor mich hin gemurmelt habe. Er sah mich nur weiter an und ich hasste es wie die Pest. Vor allem wenn in seinem Blick nichts anderes zu erkennen war, als Enttäuschung, Müdigkeit und Erschöpfung. Schnell sah ich zum Automaten, in dem die Nussmischung nur noch an der letzten Ecke hing und trotzdem nicht den Weg nach unten finden wollte. „Ich nehme einfach die M&Ms oben drüber, vielleicht klappt das ja, dass deine Tüte mit runtergezogen wird.“, sagte ich und wusste nicht mal ob ich es zu ihm oder mir selbst sagte. Die Tatsache, dass er auch darauf nichts antwortete, machte dieses ungute, unangenehme Gefühl nicht besser.
Es wurde auch noch unangenehmer, als mein Snack zwar hinunterfiel, aber genau an der Nussmischung hängen blieb und wir nun beide davor standen und nichts hatten. „Klappt genauso gut wie unser Spiel.“, murmelte Greg. Auf der einen Seite war ich froh, dass er endlich mal was von sich gab, auf der anderen tat es mir schon wieder in der Seele weh, was es war. Ich sagte darauf nichts, sondern schlug immer mal wieder gegen die Scheibe – vergebens. „Das habe ich auch schon versucht, aber bevor am Ende jemand kommt und sich über den Lärm beschwert, habe ich es gelassen.“, sagte er wieder.  „Dann muss man halt was anders machen.“, flüsterte ich und sah mich kurz um. Als ich mir sicher war, dass keiner in unmittelbarer Nähe war, stellte ich mich neben den Automaten, nur um mit all meiner Kraft einmal kräftig dagegen zu treten. Tat eigentlich gut, so mal etwas von dem ganzen Frust der letzten Wochen, den ich mit herumschleppte, loszuwerden. Auch wenn da ein Snackautomat alleine nicht reichen würde. Aber der hier wackelte ordentlich und auch darin schien sich etwas zu tun. Greg schaute mit großen Augen zum Automaten, dann zu mir. „Hat es geklappt?“, fragte ich jetzt doch wieder unsicher  „Also wenn das der Schlüssel zum Erfolg ist…kurz und schmerzlos, dann nehme ich glaube trotzdem lieber lang und qualvoll.“, antwortete er mir. Ich hatte keine Ahnung, was er damit meinte, also betrachtete ich mein Werk selbst. Und dann machte es auf einmal Sinn. Nicht nur seine Nüsschen und meine M&Ms haben den Weg nach unten gefunden, sondern auch ein paar andere Snacks – ein paar viele. „Oh..naja…ich glaube deine eine Tüte Nüsschen reicht nach heute aber auch nicht.“, murmelte ich und holte alles was runtergefallen ist raus, „Wollen wir das teilen? Und…ähm…kann ich dich noch was fragen?“, fragte ich unsicher. Greg nickte nur und steuerte eine der kleinen Sitzecken an, wo er sich seufzend in einen der Sessel fallen ließ. „Was möchtest du wissen? Ich weiß nicht woran es lag und ich weiß nicht wie es weiter geht, falls es das ist.“ „Was? Nein! Nein, das möchte ich nicht wissen. Also schon, aber das ist eine Sache die du leider nicht wissen kannst.“, meinte ich während ich mich auf dem Sessel daneben setze und zu ihm sah, „Ich wollte fragen wie es dir geht. Also…nicht wie es Gregor Kobel, dem Torhüter von Borussia Dortmund geht. Dem geht es wahrscheinlich gerade echt beschissen. Nein, wie geht es dir? Greg…abseits vom Platz?“
Stille. Und ein Blick aus dem ich nichts deuten konnte waren im ersten Moment die Antwort darauf. So sehr ich versuchte, diesem Blick standzuhalten, so wurde es von Sekunde zu Sekunde schwieriger. „Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Irgendwie leer, irgendwie geht mir aber gleichzeitig so viel durch den Kopf. Ich kann Gregor Kobel und Greg eigentlich fast gar nicht mehr trennen, deswegen ist das eine echt schwierige Frage. Aber so an sich glaube ich gerade nicht so gut.“, sagte er leise. Autsch. Was sagt man darauf jetzt. „Fühlst…fühlst du dich in Dortmund so an sich aber noch wohl?“, fragte ich vorsichtig weiter, worauf er sofort nickte. „Auf jeden Fall. Die Jungs sind top. Ja es ist jetzt schwierig und alles echt scheiße, aber das wird kein Dauerzustand sein. Vielleicht ist es ja Samstag gegen Leipzig schon wieder anders. Ein bisschen Restoptimismus habe ich ja noch.“
„Das würde ich gerne sehen, wenn ich schon früh um fünf aufstehe um zu euch nach Dortmund zu fahren.“, lachte ich leise. „Du kommst am Samstag nach Dortmund? Obwohl das heute so lief?“, fragte er sichtlich überrascht. „Natürlich. Wir gewinnen und verlieren zusammen. Warum sollte ich zu keinem Spiel kommen, nur weil ihr heute verloren habt? Was wäre ich denn für ein Fan, der nur kommt, wenn es gut läuft?“, lächelte ich ihn an, „Außerdem schaue ich dir gerne beim Spielen zu.“  In dem Moment wo ich es ausgesprochen haben, hätte ich mich schon dafür ohrfeigen können. Wie klang das denn? Total drüber. Aber Greg schien das nichts auszumachen. Es ließ ihn sogar schmunzeln. „Du schaust mir gerne beim Spielen zu? Darf ich denn dann auch wissen, wer mir am Samstag zuschaut?“ Spätestens jetzt musste meine Gesichtsfarbe der einer Tomate geglichen habe und ich versuchte einfach nur jetzt nicht panisch wegzurennen, oder was dummes zu sagen. „Ich.. heiße…Micu. Also alle nenne mich so, das ist mein Spitzname, also…ja mit dem fühle ich mich wohler und…ja.“ Gott war das peinlich, hoffentlich fragt er jetzt nicht warum oder so etwas ähnliches. Unsicher sah ich zu ihm, doch sein Gesichtsausdruck war plötzlich warm und ein sanftes Lächeln zierte seine Lippen. „Verstehe. Also dann Micu. Wir sollten wahrscheinlich trotzdem langsam schlafen gehen.“, sagte er und stand auf, „Und dann sehen wir uns am Samstag.“ „Ja…ja wir sehen uns am Samstag.“, nickte ich. Lächelnd drehte er sich schon um und wollte gehen, da meinte mein kleines selbstbewusstes Ich nochmal einen rauszuhauen. „Greg warte!“, rief ich leise hinterher und stand auf. Verwirrt drehte er sich nochmal um. „Das soll jetzt nicht komisch oder übergriffig sein, aber…kann ich dich noch einmal umarmen? Ich weiß nicht, ich hab das Gefühl, das könnte dir gerade mehr geben, als irgendwelche Floskeln wie „ihr schafft das schon“ oder so.“, fragte ich ihn tatsächlich. Wahrscheinlich lachte er gleich oder ging einfach weiter. Aber da hatte ich mich geirrt. Er nahm das Angebot dankend an und ich ehrlich gesagt auch, denn in dem Moment wo ich meine Arme um ihn legte, spürte ich so eine gewisse Ruhe, Entspannung, als ob etwas von meinem eigenen Päckchen abfiel. „Ich glaube das tut uns beiden gerade gut.“, flüsterte er und legt auch seine Arme um mich, „Das können wir Samstag gerne nochmal machen.“  Ich nickte einfach nur und sah zu ihm hoch als wir uns voneinander lösten. „Dann also jetzt. Gute Nacht und bis Samstag.“, lächelte er und verschwand.
Mit einem mulmigen, aber auch guten kribbelnden Gefühl im Bauch sah ich ihm nach. „Ja…Bis Samstag.“

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⏰ Letzte Aktualisierung: 3 days ago ⏰

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