XXV. new allies

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Ocean rannte, ihre Schritte ein unregelmäßiger Takt auf dem feuchten Boden des Dschungels. Blätter peitschten ihr ins Gesicht, Zweige kratzten an ihren Armen, aber das spürte sie kaum. Ihr Atem ging stoßweise, ihr Herzschlag war das einzige, was sie in den Ohren hören konnte. Immer wieder blickte sie über ihre Schulter, als könnte jeden Moment jemand aus dem Unterholz springen und sie zurückholen. Sie musste weg. Weg von Finnick, weg von der Gruppe, weg von der Wahrheit, die sie endlich erkannt hatte.

Cashmeres Worte hatten sich wie ein Gift in ihren Gedanken ausgebreitet, langsam, aber stetig. Anfangs hatte sie sie ignoriert, wollte nicht glauben, was die Frau aus Distrikt 1 gesagt hatte. Doch mit jedem Moment, in dem sie Finnick sah, mit jedem Blick, den er ihr zuwarf, begann das Gift zu wirken.

"ich könnte nie jemanden lieben, der mit dem halben Kapitol geschlafen hat wie Finnick" Cashmeres Stimme hallte in ihren Gedanken wider, jedes Wort schnitt tiefer als ein Messer. "Finnick würde niemals? Das hat er schon längst."

Ocean hatte versucht, diese Worte zu verdrängen, aber sie drangen immer wieder an die Oberfläche. Finnick, der Mann, den sie geliebt hatte, war nicht der Held, für den sie ihn gehalten hatte. Er war ein Opfer – ja, aber auch ein Teil des schmutzigen Spiels des Kapitols. Und sie war blind gewesen. Blind vor Liebe.

Ihre Schritte wurden schneller, als sie sich daran erinnerte, wie Finnick ihr oft von den langen Aufenthalten im Kapitol erzählt hatte. Sie hatte nie gefragt, was er dort tat. Hatte nie wissen wollen, was hinter seinem Lächeln und seinen Anspielungen steckte. Jetzt wusste sie es, und es brachte sie fast um den Verstand.

Tränen liefen ihr übers Gesicht, während sie weiter rannte. Sie wusste nicht, wohin sie ging, sie wusste nur, dass sie weg musste. Weg von Finnick, weg von der Wahrheit, weg von der Tatsache, dass sie ihm vertraut hatte. Wie hatte sie so naiv sein können? Wie hatte sie nicht sehen können, was vor ihr lag?

Als die Dunkelheit hereinbrach, ließ ihre Kraft nach. Ihre Beine zitterten, ihre Lungen brannten, aber die Gedanken in ihrem Kopf ließen sie nicht zur Ruhe kommen. Schließlich ließ sie sich an einem Baum nieder, versuchte, ihren Atem zu beruhigen, und schloss für einen Moment die Augen. Der Boden unter ihr war feucht, die Luft schwer und stickig. Sie hatte keine Ahnung, wo sie war, aber es war ihr egal. Alles, was zählte, war, dass sie weg war.

Doch die Ruhe währte nicht lange. Plötzlich spürte sie etwas Kaltes an ihrem Hals – die scharfe Klinge eines Messers. Sie erstarrte, ihr Atem stockte, ihre Augen weiteten sich.

„Du weißt nun anscheinend endlich, was Finnick alles im Kapitol getrieben hat. Sonst wärst du nicht weggerannt." Enobarias Stimme war leise, fast ein Flüstern, aber in ihrem Tonfall lag etwas Bedrohliches. Ocean schluckte schwer, spürte, wie das Messer leicht gegen ihre Haut drückte.

Langsam nickte sie, unfähig zu sprechen, unfähig, die Flut von Emotionen, die in ihr tobten, in Worte zu fassen. Wut, Trauer, Verrat – alles vermischte sich in ihrem Inneren, bis sie kaum noch wusste, wer sie war oder was sie tun sollte.

Brutus trat aus dem Schatten, seine massige Gestalt ragte bedrohlich vor ihr auf. Doch seine Augen waren nicht hasserfüllt, sie wirkten... verständnisvoll. Er streckte ihr die Hand hin, bot ihr an, aufzustehen. Nach einem Moment des Zögerns nahm sie sie an. Ihre Beine waren schwer, ihre Glieder wie Blei, aber sie stand auf, das Messer immer noch an ihrem Hals.

„Es tut weh, nicht wahr?" Enobaria zog das Messer langsam zurück, als sie sah, dass Ocean sich nicht wehren würde. „Zu erkennen, dass jemand, den du liebst, nicht der ist, für den du ihn gehalten hast."

Ocean starrte sie an, ihr Blick leer, aber in ihrem Inneren regte sich etwas. Ein Funke, der langsam zu einem Feuer heranwuchs. Die Erkenntnis, die durch die Worte von Cashmere und Enobaria in ihr entfacht worden war, verwandelte sich in etwas Dunkles, etwas Wildes. Die Tränen trockneten auf ihren Wangen, und an ihrer Stelle trat eine neue Emotion: Wut.

„Ich will sie alle tot sehen," flüsterte Ocean, ihre Stimme war kaum mehr als ein gehauchtes Versprechen. Die Worte kamen aus einer tiefen, dunklen Ecke ihres Herzens, einem Ort, den sie zuvor nie gekannt hatte. „Jeden Einzelnen von ihnen."

Enobaria lächelte, ein kaltes, grausames Lächeln, das ihre spitzen Zähne entblößte. „Dann bist du auf dem richtigen Weg."

Ocean sah sie an, ihre Augen funkelten in der Dunkelheit. Die Wut, die in ihr aufstieg, war fast überwältigend. Nicht nur auf Finnick, sondern auf das gesamte Kapitol. Auf das System, das Menschen wie Finnick und sie selbst benutzt hatte. Sie hatte die Spiele überlebt, aber zu welchem Preis? Sie war ein Spielball in den Händen des Kapitols gewesen, genau wie Finnick. Und jetzt hatte sie genug.

Brutus trat näher, seine massigen Hände lagen locker an seinen Seiten. „Wir haben alle Gründe, das Kapitol zu hassen," sagte er leise. „Und wir alle haben unseren eigenen Weg, damit umzugehen."

Ocean sah ihn an, und zum ersten Mal spürte sie eine Art von Verbundenheit mit den Tributen, die sie einst als ihre Feinde angesehen hatte. Enobaria und Brutus – sie waren genauso wie sie. Opfer eines grausamen Systems, das ihnen die Menschlichkeit genommen hatte. Und jetzt? Jetzt wollte sie nur noch eines: Rache.

Sie wusste, dass sie sich geändert hatte. Dass die Ocean, die in diese Arena gekommen war, nicht mehr existierte. Aber die Person, die jetzt hier stand, war stärker. Härter. Und bereit, alles zu tun, um das Kapitol zu zerstören – und sich von der Kontrolle zu befreien, die sie so lange über ihr Leben gehabt hatten.

Ocean nahm einen tiefen Atemzug und spürte, wie sich eine ungewohnte Klarheit in ihrem Kopf ausbreitete. Sie würde nicht länger das Opfer sein. Nicht länger diejenige, die blind vertraute und dann verraten wurde. Jetzt war sie bereit, zurückzuschlagen.

„Lass uns anfangen," sagte sie leise, aber mit einem Entschluss in der Stimme, der keine Zweifel zuließ. Enobaria lächelte erneut, und Brutus nickte zustimmend.

Es war Zeit, das Blatt zu wenden.

The fallen AngelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt