XXII. Blood rain

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Der metallische Regen hämmerte unaufhörlich auf die Baumkronen des dichten Dschungels nieder, und der Geruch von Blut lag schwer in der Luft. Ocean versuchte, die Panik in sich zu unterdrücken, während sie sich mit Johanna durch die triefenden, rutschigen Pflanzen kämpfte. Der Regen aus Blut machte es fast unmöglich, irgendetwas klar zu sehen. Alles war in ein trübes Rot getaucht, und das Niesen und Husten, das von Johanna neben ihr kam, brachte ihre eigene Übelkeit zum Brodeln.

Ocean konnte nicht glauben, dass dies wirklich geschah. Ein Blutregen, dick und warm, der ihre Haut mit einem unangenehmen Film überzog. Sie wollte schreien, rennen, einfach nur weg von diesem Albtraum, doch sie wusste, dass es keinen Ausweg gab. Nicht hier, nicht in der Arena, wo jeder Schritt den Tod bedeuten konnte. Der einzige Weg war, weiterzumachen. Immer weiter. Ihre Finger klammerten sich fester um die Wurfmesser in ihrer Hand, ihre einzige Sicherheit in dieser Hölle.

„Wie lange hält das noch an?" murmelte Johanna neben ihr, ihre Stimme klang rau und erschöpft. Ocean antwortete nicht, denn sie wusste es nicht. Sie konnte den Himmel kaum sehen, nur das endlose Rot, das durch die Bäume tropfte und den Boden in eine rutschige, glitschige Masse verwandelte.

Plötzlich, mitten im Regen, tauchten zwei verschwommene Gestalten vor ihnen auf. Ocean hielt kurz inne und hob ihre Waffen reflexartig, doch dann erkannte sie die schmächtige Silhouette von Wiress und die gebeugte Haltung von Beetee, beide aus Distrikt 3. Die beiden hatten den gleichen verzweifelten, müden Ausdruck auf ihren Gesichtern, die Augen weit aufgerissen vor Angst und Erschöpfung.

„Bleibt stehen!" rief Johanna, doch ihre Stimme war mehr erschöpft als aggressiv. Sie wusste ebenso gut wie Ocean, dass Kämpfen jetzt keine Option war. Der Blutregen drang ihnen schon genug in die Knochen.

Beetee hob die Hände und nickte. „Wir sind keine Bedrohung", sagte er leise. „Wir sollten uns zusammentun. Alleine überleben wir das nicht."

Ocean und Johanna tauschten einen kurzen Blick, und es dauerte nur einen Moment, bis sie zustimmten. In dieser Arena gab es keine dauerhaften Allianzen, aber für jetzt... war jede Hilfe willkommen. Beetee und Wiress traten vorsichtig näher, und Wiress murmelte leise etwas, das Ocean nicht verstand. Ihr Blick wirkte abwesend, als würde sie einen anderen, unsichtbaren Kampf in ihrem Kopf führen.

Gemeinsam bahnte sich die neue Gruppe ihren Weg weiter durch den Dschungel, und nach einer endlosen, zermürbenden Zeit begann der Blutregen endlich nachzulassen. Die rote Flut wurde schwächer, bis sie schließlich versiegte. Ocean konnte wieder klarer atmen, auch wenn der beißende Geruch des Blutes immer noch an ihren Kleidern und auf ihrer Haut haftete. Der Dschungel lichtete sich, und vor ihnen erstreckte sich schließlich ein endloser Strand, dessen Sand wie eine tröstliche Versprechung in der Ferne glitzerte.

„Wir haben es geschafft", murmelte Johanna, während sie als eine der Ersten durch die letzten Büsche brach und auf den Strand zu rannte. Ocean folgte ihr dicht auf den Fersen, ihre Füße sanken im nassen Sand ein, und sie konnte das kühle Wasser schon spüren, das sanft an den Rand des Strandes schlug. Sie wollten ins Meer, weg von dem schmutzigen Dschungel, den glitschigen Blättern und dem Blut, das überall auf ihnen klebte.

Hinter ihnen half Beetee der schwachen Wiress, die sich kaum noch auf den Beinen halten konnte. Ocean warf einen Blick zurück und bewunderte kurz, wie Bette mit jeder Bewegung auf sie achtete. Doch ihre Gedanken wurden jäh unterbrochen, als sie plötzlich eine vertraute Stimme hörte.

„Ocean!" Finnick.

Ihre Augen weiteten sich, als sie den Namen hörte, und ihr Herz setzte für einen Moment aus. Sie drehte sich um und sah Finnick, Peeta und Katniss, die ein Stück weiter entfernt am Rand des Strandes standen. Finnicks Augen waren nur auf sie gerichtet, sein Gesicht war eine Mischung aus Erleichterung und Panik, als er ihren Namen schrie. Ocean spürte, wie ihr Herz wild zu schlagen begann, als er losrannte, seine muskulöse Gestalt durch den Sand pflügte und sie an sich heranzog, noch bevor sie richtig reagieren konnte.

Sie brach in einen Lauf aus, die Welt um sie herum verschwamm, als sie nur noch Finnick sah. Ihre Beine trugen sie, schneller als sie es für möglich gehalten hätte, und als sie schließlich bei ihm ankam, sprang sie in seine Arme. Er fing sie auf, so als wäre sie das Kostbarste, was es auf der Welt gab. Finnick umarmte sie fest, hielt sie so, als würde er sie nie wieder loslassen.

„Ocean", keuchte er immer wieder, sein Gesicht vergraben in ihrem nassen Haar, während er unzählige Küsse auf ihre Stirn drückte. „Ich hatte solche Angst um dich... ich dachte, ich hätte dich verloren."

Ocean konnte seine Angst spüren, die Verzweiflung in seiner Stimme, und sie lächelte schwach, obwohl ihre Augen noch vom Adrenalin und der Erschöpfung brannten. „Ich bin hier. Ich bin da", sagte sie leise und schmiegte sich näher an ihn. „Die erste Nacht... und der erste Tag... ich war auf mich allein gestellt. Aber dann haben Johanna und die anderen mich aufgenommen." Sie deutete auf die Gruppe hinter sich, wo Johanna jetzt schweigend am Wasser stand, während Bette und Wiress sich noch vom Regen erholten.

Finnick hielt sie immer noch fest, als könnte jede Bewegung sie ihm entreißen. „Ich lasse dich nie wieder gehen", flüsterte er, seine Stimme war jetzt leiser, aber fester. „Nie wieder, hörst du? Ich werde dich nicht noch einmal verlieren."

Ocean spürte, wie sein Herz gegen ihre Brust schlug, seine Nähe gab ihr Sicherheit, auch wenn sie wusste, dass diese Arena ihnen alles nehmen konnte. Sie wollte ihn beruhigen, wollte ihm sagen, dass sie es schaffen würden. „Finnick..." Sie löste sich leicht aus seiner Umarmung und blickte ihm in die Augen, ein schwaches Lächeln auf ihren Lippen. „Ich bin bereit, mich mit Katniss und den anderen zu verbünden... dir zuliebe."

In seinem Blick blitzte Hoffnung auf, doch Ocean wusste, dass das nicht die ganze Wahrheit war. Tief in ihrem Inneren brodelte ein anderes Motiv, eines, das sie niemandem verraten konnte – nicht einmal Finnick. Der Deal mit Präsident Snow, das düstere Versprechen, das sie in ihren Gedanken trug, machte es schwer, sich wirklich auf die Allianz einzulassen. Doch sie sagte sich, dass es für Finnick war. Es musste für ihn sein.

„Ich tue es nur für dich", flüsterte sie, während sie seine Hand festhielt, aber in ihrem Inneren spürte sie den kalten Hauch der Verpflichtung, die sie gebunden hielt.

„Ich werde dich nie wieder loslassen", wiederholte Finnick und zog sie wieder in seine Arme, als ob er sie festhalten könnte, um sie vor der grausamen Realität dieser Spiele zu schützen.

Ocean nickte, aber in ihrem Inneren wusste sie, dass sie beide noch auf vieles vorbereitet sein mussten. Denn in den 75. Hungerspielen bedeutete Vertrauen oft den Tod.

The fallen AngelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt