XXVI. „Remember who the real enemy is"

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Ocean stand neben Brutus und Enobaria, während sie leise ihren Plan ausarbeiteten. Ihr Herz fühlte sich schwer an, und die vertraute Kälte der Arena umschloss sie erneut. Die beiden vor ihr sprachen in ruhigen, kalkulierten Tönen, ihre Augen funkelten vor Vorfreude auf das, was kommen würde. Doch sie erwähnten sie kaum. Sie war kein Teil ihres Plans – nur eine Zuschauerin, eine Statistin in diesem tödlichen Spiel.

„Du bleibst in der Ferne," sagte Brutus, seine Stimme hart und unmissverständlich. „Halt die Augen auf, achte darauf, wo sich Katniss und ihre Gruppe bewegen. Und warte ab. Das ist deine Rolle."

Ocean nickte mechanisch, ihre Gedanken schwirrten durcheinander. Sie fühlte sich nutzlos, als hätte sie keinen wirklichen Platz in diesem grausamen Spiel. Doch was konnte sie tun? Sie hatte sich diesen Weg selbst gewählt, hatte beschlossen, sich Brutus und Enobaria anzuschließen, um Rache zu üben, um das Kapitol und seine Spiele zu zerstören. Doch jetzt, wo es darauf ankam, war sie nur eine Randfigur in ihrem eigenen Drama.

Sie beobachtete aus der Ferne, wie Brutus und Enobaria sich in die Schatten bewegten, leise wie Raubtiere, die ihre Beute umkreisen. Ihre Aufgabe war es, dafür zu sorgen, dass alle von Katniss' Gruppe an Ort und Stelle waren. Ocean folgte ihnen, versteckt im dichten Unterholz des Dschungels, ihre Augen fest auf die Szene vor ihr gerichtet.

Es war, als würde die Zeit sich dehnen. Jeder Atemzug fühlte sich schwer an, jede Bewegung bedeutete Gefahr. Ocean sah, wie Peeta und Katniss sich nahe an dem Baum aufhielten, zusammen mit Beetee, der an etwas arbeitete – vermutlich seinem Draht. Finnick war in der Nähe, immer wachsam, immer bereit. Ocean spürte ein Ziehen in ihrer Brust, als sie ihn sah. Ihr Herz schlug schneller, doch sie riss sich zusammen. Sie durfte sich jetzt nicht von ihren Gefühlen ablenken lassen. Das war nicht der Moment für Zweifel oder Schwäche.

Plötzlich ging alles schief. Ocean sah, wie Brutus sich zu früh aus den Schatten bewegte, zu ungeduldig, zu überzeugt von seinem eigenen Sieg. In einem Augenblick, den sie kaum begreifen konnte, sah sie, wie Peeta blitzschnell reagierte. Ein lauter Schrei, das Klirren von Waffen, und dann – Stille.

Brutus' massiger Körper fiel zu Boden, seine Augen leer, sein Griff um das Schwert erschlafft. Ocean erstarrte. Ihr Atem stockte, und für einen Moment konnte sie sich nicht rühren. Sie hatte gesehen, wie Peeta ihn getötet hatte, hatte gesehen, wie der Sieg in einem Wimpernschlag in den Tod übergegangen war. Und sie hatte nichts getan. Nichts, um ihn zu retten, nichts, um den Plan zu ändern.

Ihre Hände zitterten. Alles fühlte sich surreal an, als hätte sie sich in einem Albtraum verloren, aus dem sie nicht erwachen konnte. Sie wollte schreien, doch kein Laut kam über ihre Lippen. Das Spiel – dieses abscheuliche Spiel – hatte wieder einen von ihnen genommen.

Und dann sah sie Katniss. Sie beobachtete, wie die junge Frau den Draht von Beetee um ihren Pfeil band. Es war eine seltsame Ruhe in Katniss' Bewegungen, eine Entschlossenheit, die Ocean sofort verstand. Katniss hatte einen Plan, und in diesem Plan lag eine Macht, die Ocean bis in ihre Knochen spüren konnte.

Finnick trat aus den Schatten, seine Augen fanden Oceans Blick. Er kam aber nicht näher.
Er sprach zu Katniss die den Bogen gespannt hatte und bereit war, den Pfeil zu schießen, „Denk daran, wer der wahre Feind ist."

Sie wusste, was Katniss vorhatte. Es würde eine riesige Kraftwelle geben, wenn sie den Draht durch den Himmel schoss, direkt in den Blitz, der die Arena in Flammen aufgehen lassen würde. Sie musste sich in Sicherheit bringen. Sie musste weg, bevor es zu spät war.

Ihre Beine setzten sich wie von selbst in Bewegung, während sie zurückwich, immer weiter weg von der bevorstehenden Explosion. Jeder Schritt fühlte sich an wie ein Rückzug aus einer Welt, die sie nicht mehr kontrollieren konnte.

Dann passierte es.

Der Blitz schlug ein, und die Arena schien zu explodieren. Ein ohrenbetäubendes Krachen erfüllte die Luft, und Ocean sah, wie die Kraftwelle alles um sich herum erfasste. Sie hatte es geahnt, hatte es gespürt, und doch war sie nicht darauf vorbereitet.

In der Ferne sah sie Finnick, wie er gegen einen Baum geschleudert wurde. Sein Körper prallte hart auf, und er blieb reglos liegen. Panik griff nach ihr. Ohne nachzudenken, rannte sie los, so schnell sie konnte. Ihr Herz raste, ihre Gedanken waren ein einziges Chaos. Finnick! Sie musste ihn erreichen. Sie musste ihn retten.

Doch kurz bevor sie bei ihm ankam, hielt sie inne. Ein dröhnendes Geräusch durchschnitt die Luft. Es war das unverkennbare Brummen eines Hovercrafts. Ocean hielt den Atem an. Hovercrafts erschienen nur, um tote Tributen abzuholen. Aber niemand war gestorben. Zumindest nicht in diesem Moment.

Ihre Augen weiteten sich, als sie die Realität erkannte. Das war kein gewöhnlicher Tod. Dies war kein Zufall. Es war ein Plan, ein sorgfältig ausgearbeiteter Plan, um sie alle aus der Arena zu holen. Alles, was sie erlebt hatte, jede Entscheidung, jede Träne – es war alles Teil dieses Plans gewesen. Ein Plan, von dem sie nichts gewusst hatte. Ein Plan, der sie benutzt hatte.

In ihrem Kopf drehte sich alles. Ocean wollte zu Finnick rennen, ihn festhalten, sicherstellen, dass er am Leben war. Doch sie wusste, dass sie in diesem Moment nichts tun konnte. Der Hovercraft würde ihn retten – aber was war mit ihr? Sie war nicht Teil dieses Plans. Sie war nie Teil davon gewesen.

Mit einem letzten Blick auf Finnick drehte sie sich um und rannte. Ihr Herz hämmerte in ihrer Brust, Tränen brannten in ihren Augen. Sie rannte, weil das alles war, was sie tun konnte. Weg von der Arena, weg von dem Chaos, weg von der Realität, die sie eingeholt hatte.

The fallen AngelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt