Kapitel 12: Tag 369 - We burn, we live, we thrive

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Ich muss wohl vor dem Tor eingeschlafen sein, da ich mich immer noch davor befinde. Die Sonne ist gerade am Aufgehen. Gestern Abend habe ich mich in den Schlaf geweint. Meine Wangen brennen jetzt wahnsinnig.


Gerädert setze ich mich auf. Nach schier endloser Zeit bin ich in einen traumlosen Schlaf abgedriftet, aber dies war weit nach Mittagnach. Die Sonne kitzelt in meiner Nase, was mich zum Niesen bringt. Sie verspottet mich. Zeigt ihre Wärme und Helligkeit, während ich mich elend fühle.


Newt ist gestern Abend noch zum Schlafen gegangen und hat mich liegengelassen. Erst wollte er mich dazu bewegen aufzustehen und in meine Hängematte zu legen, aber ich war einfach fertig und wollte so nah wie möglich bei meinen Freunden sein. Warum mussten sie mir genommen werden? Warum? Hatte ich nicht schon genug durchgemacht?


„Konntest du heute Nacht schlafen?"


Newt. Er setzt sich zu mir auf den Boden und legt uns eine Decke, um unsere Schultern. Sie spendet uns ein bisschen Geborgenheit. „Etwas", antworte ich ihm. Auch er hat dunkle Ringe unter den Augen. Newt scheint nicht viel geschlafen zu haben. Schweigend sitzen wir nebeneinander und lassen unsere Gedanken schweifen. Wie können die Schöpfer es nur so weit kommen lassen? Für sie sind wir nur Experimente. Aber wir sind doch so viel mehr.


Mit einem Krachen öffnen sich die Tore. Newt ist aufgesprungen und schaut nach. Enttäuscht sinken seine Schultern nach unten. Niemand in Sicht. Viele der Lichter haben sich in den letzten Minuten vor dem Öffnen der Tore zu uns gesellt. Auch sie sind enttäuscht, dass die drei Jungs nicht da sind.


Langsam stehe ich auf und drehe mich um. Es hat keinen Sinn. Sie sind tot. Traurig drehe ich mich vom Eingang weg. Mein Herz wiegt schwer in der Brust. Ich kann das einfach nicht mehr. Dieser ständige Verlust macht mich wahnsinnig. Als ich hier angekommen bin, wollte ich auf Teufel komm raus keine Freundschaften schließen und jetzt stehe ich wieder an einem Punkt, wo mir schon wieder das Herz gebrochen wurde, weil ein Freund gestorben ist.


„Da sind sie! Ich kann sie sehen!"


Diese zwei Sätze bringen Leben zurück in meinen Körper. Blitzschnell drehe ich mich um. Kann es wirklich sein? Am Ende des Ganges sehe ich ganz klein zwei Gestalten. Beim Näherkommen registriere ich, dass es sich um Minho und Thomas handelt. Von Alby keine Spur.


Bei uns angekommen, werden sie sofort von Newt in Empfang genommen, der natürlich sofort wissen will, was Sache ist. Allerdings wird er sofort von Thomas vertröstet, der auf unseren bewusstlosen Anführer zeigt, der in den Efeuranken hängt. Oh verdammt. Wie konnten wir ihn nicht bemerken? Vorsichtig wird Alby heruntergelassen und sofort zu den Sanis gebracht. Laut Minho wurde er von einem Griewer gestochen. Die Verwandlung wird gleich beginnen.


Mit Albys Verschwinden verziehen sich auch die anderen Jungs. Newt, Minho, Thomas und ich bleiben zurück. Die beiden Labyrinth-Überlebenden durften sich von unserem Stellvertreter einen Einlauf geben lassen. Hilfesuchend schaut Minho in meine Richtung. Daraufhin schüttle ich meinen Kopf. Da müssen beide jetzt durch. Ich habe mir genauso Sorgen gemacht und er darf sich heute definitiv von mir auch noch was anhören.


„Und jetzt legt euch erstmal schlafen. Ihr seht grausam aus", endet Newt seinen Monolog. Unter seinem strengen Blick läuft Thomas los und der Stellvertreter schließt sich nach einigen Sekunden an, nachdem er mir einen bedeutungsvollen Blick zugeworfen hat. Minho und ich bleiben zurück.


„Willst du gar nichts sagen?"


Empört schnaufe ich auf und schubse ihn nach hinten: „Bist du des Wahnsinns? Ist das alles, was du zu sagen hast?" Aufgebracht funkle ich ihn an. Das kann doch nicht sein Ernst sein?


Der Asiate zuckt erschrocken zurück. Meine Reaktion scheint ihn überrascht zu haben, antwortet aber nur mit einem Schulterzucken: „Was hätte ich sonst sagen sollen? Hey, bin doch nicht im Labyrinth verreckt; Überraschung." Ein Funken Enttäuschung blitzt in seinen Augen auf, verschwand aber sofort wieder. Hätte er gewollt, dass ich ihm gleich um den Hals falle?


Verzweifelt fahre ich mir durch die Haare und drehe mich von meinem besten Freund weg. Kann er nicht nachvollziehen, wie ich mich die letzten Stunden gefühlt habe? Tränen steigen wieder in meine Augen. Ich will nicht schon wieder weinen und schon gar nicht vor Minho.


„Hey", Minho legt mir eine Hand auf die Schulter, „alles gut. Ich bin ja jetzt da." Seine Hand dreht mich um und er schließt mich in seine Arme. Sofort erwidere ich die Umarmung und verberge mein Gesicht in seiner Halsbeuge. „Hat dir eigentlich schon mal jemand gesagt, dass du unheimlich dumm bist Minho?" Erstickt versagt meine Stimme. Dieser Typ macht mich noch wahnsinnig bei seinen waghalsigen Aktionen.


Seine Hände auf meinem Rücken zittern leicht, als er mir antwortet: „Ständig. Von Alby, Minho und Gally. Und natürlich von dir." Tief atmet er ein. Er hat sein Gesicht in meinen Haaren verborgen. Sein Atem kitzelt mich leicht am Hals.


„Deine Aktion war so unglaublich dumm. Warum hast du Alby nicht zurückgelassen? Als sich die Tore geschlossen haben und du nicht rausgekommen bist, habe ich gedacht, dass ich dich für immer verloren habe."


Statt mir sofort zu antwortet, streichelt er mir über den Kopf: „Ich weiß ganz genau wie du dich fühlst. Ich habe auch ein paar sehr gute Freunde an das Labyrinth verloren. Ich konnte nicht noch einen guten Freund dort verlieren. Letztendlich hat aber der Frischling Alby gerettet und nicht ich. Als es darauf angekommen ist, habe ich die Nerven verloren und bin feige davongelaufen. Ohne Thomas hätten es keiner von uns dreien geschafft."


Als Bestätigung nicke ich. „Wie war es dort draußen? Wie hast du dich gefühlt?" Etwas neugierig bin ich ja schon. Minho erwidert: „Kalt. Dunkel. Hoffnungslos."


Vorsichtig löst sich Minho aus unserer Umarmung und schaut mir in die Augen: „Wir haben aber was gefunden. Einen toten Griewer. Den wollen wir uns morgen in Ruhe anschauen." Einen toten Griewer?


Langsam laufen wir Richtung Gehöft. Mein bester Freund will, bevor er sich eine Runde aufs Ohr haut, noch etwas bei Pfanne essen. „Ich will ihn auch sehen Minho. Den toten Griewer." Mit seiner Antwort lässt er sich etwas Zeit, bevor er erwidert: „Ich werde dich wohl davon nicht aufhalten können oder?"


Bestimmend schüttle ich meinen Kopf. „Nie und nimmer." Auf Minhos Gesicht zeichnet sich ein leichtes Lächeln ab und er seufzt auf. Nach mittlerweile einem Jahr haben wir teilweise aufgegeben mit dem jeweils anderen zu diskutieren, wenn absehbar ist, dass die Gegenperson nicht von ihrer Meinung abweichen will.


Bei Pfanne angekommen, holen wir uns erstmal ein paar Sandwiches. Dabei schweigen wir uns einvernehmlich nach. Minho kann eher kaum noch seine Augen offenhalten und ich denke über den toten Griewer nach. Wird sich nun alles für uns ändern? Angestrengt versuche ich mögliche Szenarien zu entwerfen, aber durch den Schlafmangel kann ich keine ordentliche Theorie aufstellen. Nach zahlreichen misslungenen Versuchen gebe ich auf. Es hat einfach kein Sinn.Später verabschieden wir uns voneinander. Minho wird sich jetzt erstmal aufs Ohr hauen und ich werde meine Arbeit bei Winston antreten. Jeden Tag muss jemand anderes aus dem Schlitzer-Team die Tiere auf dem Hof versorgen und füttern. Für gewöhnlich wird dies von einer Person durchgeführt. Durch meine Abwesenheit heute Morgen, hat dies Winston übernommen. Ich werde jetzt noch die anderen kleinen Arbeiten durchführen und später zur Mittagszeit die Tiere nochmal füttern. Das wird ein anstrengender Tag stelle ich lustlos fest.

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