Kapitel 67

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„Das tut mir echt leid, dass ich keine Zeit habe morgen zu deiner Geburtstagsfeier zu kommen, aber ich habe eine geschlossene Gesellschaft in meinem Pub. Da muss ich vor Ort sein. Das kann ich nicht einfach meinen Leuten überlassen." Ava zuckte entschuldigend mit den Schultern. Ja klar, konnte ihre Freundin da ihren Laden nicht alleine lassen. Das verstand Ella ja. Trotzdem bedeutete das nicht, dass sie deshalb nicht enttäuscht war. Wie sollte sie denn alleine die Feier in diesem dämlichen Segelverein überstehen? Schon komisch! Vor einem Jahr war sie noch ganz aufgeregt gewesen und hatte es kaum erwarten können dort mit den ganzen Leuten zu feiern und Party zu machen. Und jetzt graute es ihr förmlich davor. Bei ihrem letzten Besuch dort, hatte sie das Gefühl, dass sie alle anstarrten und hinter ihrem Rücken tuschelten. Klar konnte das auch Einbildung sein, aber trotzdem war es ihr unangenehm. Blöderweise hatte sie Jasi nicht davon abbringen können, wie jedes Jahr dort zu feiern. Okay, früher hatte ihr das gefallen...aber es war halt nicht mehr früher. Ella hätte viel lieber etwas ruhiger gefeiert. Weniger Party, mehr wirkliche Freunde. Ja, wenn sie ehrlich war, war ihr erst jetzt aufgefallen, wie wenig echte Freunde sie hatte. Sie kannte zwar viele Leute im Verein, aber als Freunde würde sie sie, so wie früher, nicht mehr bezeichnen. Ja, es waren eigentlich nur Bekannte, mit denen man temporär etwas unternahm und die sich nur am Rande wirklich für einen interessierten. Was nützten einem Menschen, die zwar gerne zu einer Party kamen, aber nicht einmal nachfragten, wie es einem ging, wenn sie einen längere Zeit nicht gesehen hatten? Okay, Ella war ja genauso oberflächlich gewesen. Sie hatte auch lieber gefeiert als sich mit den Problemen der anderen herumgeschlagen. Das hatte sich aber geändert. Sie war lieber mit Ava, Tom oder Liam zusammen. Ja, die drei waren wirklich an ihr interessiert und verdienten den Begriff Freunde auch wirklich. Sie tuschelten nicht hinter ihrem Rücken, weil sie nur die kleine dumme Friseurin war, die ihnen zwar die Haare schneiden konnte, aber ansonsten eher unter ihrem elitären studentischen Niveau lag. Ja, schon seit zwei Jahren beschlich Ella das Gefühl, dass sie im Segelverein mehr geduldet als erwünscht war. Alle ihre früheren Segelkameraden studierten mittlerweile und hielten sie wohl nicht mehr für angemessen als Umgang. Das war.....das war so..... ach egal! Schließlich hatte ja jeder die Wahl, mit wem man sich umgab. Und Ella hatte ihre Wahl ja auch getroffen. Nur morgen halt nicht. Das ließ sich aber leider nicht ändern. „Meinst du das wenigstens Tom oder Liam kommen können?" Ava senkte den Blick und kaute auf ihrer Unterlippe. Was war denn an der Frage so unangenehm? „Also, ich weiß, dass Tom einen Auftritt hat. Er wird wohl auch nicht können." Sie zuckte mit den Schultern. Interessant! Ava wusste also, was Tom am Samstag machte. Das bestärkte Ella in ihrem Gedanken, dass die beiden sich doch mehr füreinander interessierten als sie zugaben. Da wurde es wirklich Zeit, die beiden in die gleiche Richtung zu stupsen. Schade, dass das morgen nicht funktionieren würde. Es wäre doch eine einmalige Gelegenheit gewesen. „Aber wenn du Liam versprichst, dass es gutes Essen und ein paar nette Mädels gibt, kommt er mit Sicherheit vorbei." Nette Mädels? Sollte ihm Ella als Anreiz nicht genügen? Jedenfalls würde sie sich das wünschen. Ja, Liam ließ ihr Herz schon etwas schneller schlagen. „Nee!" Ava verzog das Gesicht und schüttelte angewidert den Kopf. „Sag mir nicht, dass du auf den Kerl stehst, mit dem ich mir mal neun Monate die Gebärmutter geteilt habe." War das so offensichtlich? Und was sprach dagegen? Avas intensiver Blick traf Ellas über den Spiegel. „Verstehe mich bitte nicht falsch, ich liebe meinen Bruder abgöttisch, aber dich mag ich auch sehr gerne. Ich könnte mir keine bessere Person für ihn vorstellen als dich, aber ich möchte einfach nicht, dass du von ihm enttäuscht wirst. Liam ist wie ein Kleinkind. Er muss alles haben und alles ausprobieren. Blöderweise fehlt ihm aber dieses Festlege-Gen und er ergreift sofort die Flucht, wenn es ernst wird. Also sei bitte einfach vorsichtig!" Ella nickte nur. Klar, konnte Liam sich die Mädels aussuchen, so wie er aussah. Abgesehen von dem Äußeren war er auch noch ein wirklich umgänglicher und netter Kerl. Aber vielleicht irrte sich Ava ja auch und er hatte nur noch nicht die Richtige gefunden, bei der sein Fluchtinstinkt sich in Wohlgefallen auflöste. Und ganz vielleicht war das ja Ella. Ja, sie wollte diesen Gedanken nicht ganz verwerfen. Manchmal brauchte es nur die richtige Person zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Und warum sollte sie das nicht sein? Na ganz klar, weil sie der Ellafant war und nicht Ellagazella. Schon alleine das sprach dagegen, dass Liam bei der Auswahl, die er hatte, sich für sie entschied. Da müsste sie sich schon ziemlich verändern. Verändern! Was sprach eigentlich gegen eine Veränderung zu ihrem neuen Lebensjahr? Ja, warum sollte das neue Lebensjahr nicht auch ein neuer Anfang sein? Sie hatte doch schon die ganze Zeit mit dem Gedanken gespielt sich umzustylen. Warum also nicht jetzt? Gab es einen besseren Zeitpunkt? Eigentlich nicht. „Hast du noch etwas Zeit shoppen zu gehen? Ich habe heute nämlich früher Feierabend. Du bist meine letzte Kundin." Ja, ihre Chefs hatten ihr heute schon zum Mittag frei gegeben, genau wie morgen. Das war sozusagen ihr Geburtstagsgeschenk an Ella. Die beiden waren echt zwei nette ältere Leute und waren ein wenig wie Eltern für sie. „Klar habe ich noch Zeit. Ich muss erst um 20 Uhr im Pub sein." Ava drehte ihren Kopf hin und her und betrachtete sich im Spiegel. „Und diese superschöne neue Frisur, die du gezaubert hast, schreit ja förmlich nach einem ebenso coolen Outfit. Also, lass uns die Geschäfte stürmen." Ellas Herz hüpfte bei der Begeisterung, die in Avas Gesicht leuchtete. Sie war von der Frisur begeistert, die Ella für sie ausgesucht hatte. Ja, sie verstand etwas von ihrem Handwerk. Und Ava unternahm gerne etwas mit ihr und sorgte sich um sie. Das war es, was eine wirkliche Freundschaft ausmachte.

Schuss und Treffer - auf leisen Sohlen      Teil 17Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt