Kapitel 98

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„Ist das so richtig?" Merlin schaute zu Ella und suchte nach ihrer Bestätigung. Der Kleine war ja immer noch durcheinander, nachdem Liam ihn so verbal angegriffen hatte. Das war echt unglaublich, dass ein erwachsener Mann sich so kindisch benahm, weil da ein paar Daten gelöscht waren. So etwas hätte Ella nie von ihm erwartet. Nein, sonst wäre sie doch auf gar keinen Fall zum Telefonieren rausgegangen. Quatsch! Sonst wäre sie niemals mit Merlin zu ihm mitgegangen, sondern gleich in ihre Wohnung und hätte mit ihrem Neffen gebastelt, so wie sie es jetzt tat. Ja, nach Liams Auftritt hatte sie ihm noch die Meinung gegeigt, sich Merlin geschnappt und war abgehauen. So ging das ja mal gar nicht. Da half auch Liams Entschuldigung nichts, dass er mit Kindern nichts anfangen konnte. Wie konnte man mit Kindern nichts anfangen? Kinder waren doch das Wichtigste. Ja, Ella freute sich schon auf den Moment, wenn sie endlich selbst welche hatte. Auch wenn dieser Moment wahrscheinlich noch sehr weit in der Zukunft liegen würde. Und so wie es aussah garantiert keinen Liam beinhaltete. Ja, das war ihr heute ziemlich klar geworden. Was sollte sie mit einem Mann, der keine Kinder mochte? „Ella?" Ups, sie hatte in ihrem inneren Aufruhr ganz vergessen Merlin zu antworten. „Ja, das ist super, so wie du es gemacht hast. Jetzt musst du nur noch ein hübsches Gesicht malen." Es war wichtig, dass der Kleine jetzt erst einmal ein Erfolgserlebnis hatte und vergaß, dass Liam ihn so zusammengefedert hatte. „Es ist doch aber Halloween. Da muss das Gesicht doch gruselig und nicht hübsch sein." Merlin verzog sein Gesicht zu einer Grimasse und stieß ein Knurren aus. Ella grinste. „Du hast recht. Es muss gruselig werden." Auch sie stieß ein gruseliges Grollen aus und brachte Merlin damit zum Lachen. Das war so viel schöner als das eingeschüchterte Kind vor kurzem. Ja, Kinder sollten lachen und Spaß haben. „Hier hast du einen Stift." Ella reichte ihrem Neffen einen schwarzen Filzer. Wie gut, dass sie am Samstag schon alles ausgeräumt hatte. Die Türglocke schellte. Nanu. Eigentlich erwartete sie niemand. „Male du schon mal. Ich gehe kurz schauen." Vielleicht hatte Ava ja was bestellt und das war der Paketbote. Ella öffnete die Tür „Tom?" Nanu, was machte er denn hier?Hatte sie eine Verabredung vergessen? Nee, eigentlich war doch heute nur der Kinderkurs. Hoffentlich klingelte Tom nicht bei ihr, um ihr mitzuteilen, dass der ausfiel. Eine Enttäuschung brauchte Merlin nicht auch noch. „Ähm....hallo Ella...ähm...." Okay, er hatte wohl eigentlich zu Ava gewollt und gar nicht mit ihr gerechnet. Das war schon süß, wie peinlich ihm das war, dass sie das mitbekam. Seine Wangen kroch ein leichtes Rot hinauf. Manno, da musste sie wirklich langsam eingreifen, damit die beiden endlich zusammenfanden. „Sorry, Ava ist schon im Pub." „Ich wollte nicht zu Ava. Ähm...ich wollte zu dir." Toms Wangen sahen wie kleine Leuchtfeuer aus. Ups, war es ihm so peinlich, dass sie ihn auf Ava angesprochen hatte? „Ella!" Merlin rief nach ihr. „Komm rein!" Ja, sie würde Merlin nicht warten lassen. „Oh, du hast Merlin schon hier?" Tom folgte ihr ins Wohnzimmer. „Ich wollte dich nämlich eigentlich fragen, ob wir zusammen die Kinder abholen und dann ins Studio fahren wollen. Das spart Benzin und ist für die drei bestimmt lustiger als mit uns alleine." Auch wenn Ella das vielleicht persönlich nehmen sollte, dass Tom seine Nichten wohl unterhaltsamer als sie fand, musste sie ihm recht geben. Das war für die Kiddies sicher lustiger. „Au ja! Können wir zusammen mit Tom, Mara und Mona fahren?" Merlin war von seinem Stuhl aufgesprungen und hüpfte begeistert auf und ab. „Und hinterher Pizza essen." Toms amüsierter Blick wanderte zu Ella. „Was meinst du, ist hinterher eine Pizza drin?" „Natürlich", nickte sie schmunzelnd. „Na dann machen wir das so, Kumpel." Tom hielt seine Hand Merlin hin, der sofort strahlend einschlug. „Was bastelt ihr denn da gerade?" Tom griff nach einem ihrer Taschentuchgespenster. „Das sieht ja toll aus." „Ja, nicht?" Merlin sah ihn lobheischend an. „Ich habe ihm auch extra ein gruseliges Gesicht gemalt." „Das ist dir toll gelungen." Tom wuschelte dem Kleinen durch die Haare. „Soll ich dir auch ein Gespenst basteln? Oder bastelst du mit uns zusammen?" „Tom hat bestimmt noch etwas anderes zu erledigen", griff Ella schnell ein, ehe Tom sich gegen seinen Willen gefesselt am Tisch wiederfand. Merlin konnte da manchmal ziemlich durchsetzungsstark und unnachgiebig sein. Außerdem reichte ihr heute schon das Erlebnis mit Liam. Sie hatte echt keine Lust noch einen weiteren Zoff mit einem männlichen Geschöpf wegen ihres Neffen zu haben. „Nein, ich habe Zeit. Ich würde gerne mit euch basteln." Tom setzte sich neben Merlin. „Du musst mir aber zeigen, wie das geht." Das war zwar eine schlichte Lüge, denn seine Mutter hatte früher auch immer diese kleinen Geister mit ihm gebastelt. Er schluckte. Ja, seine Mutter hatte sich immer die Zeit genommen, um alles selbst zu basteln und dann hatte sie zu seinem Geburtstag eine riesige Halloweenparty gegeben. Ja, er konnte sich sogar noch an seinen letzten Geburtstag erinnern. Da hatte sie trotz ihrer Erkrankung noch eine Party auf die Beine gestellt. Seitdem hatte er nie wieder seinen Geburtstag gefeiert. Das waren jetzt elf Jahre her. Seine Brüder und Maja hatten zwar protestiert, es aber schließlich akzeptiert, genau wie Liam und Ava. Sie gratulierten ihm nur einfach und beließen es bei einem gemeinsamen Essen. „Du musst hier die Watte reinstopfen und dann zubinden." Merlin schaute ihn ernst an, als würde er gerade einen Atomsprengkopf herstellen. Das war echt niedlich. Ja, Kinder waren schon etwas Tolles.

Schuss und Treffer - auf leisen Sohlen      Teil 17Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt