Hermine stöhnte, als sie sah, wie ihre Sicht erneut verschwamm, so wie es in der letzten Woche oft der Fall gewesen war. Zu ihrer Freude gelang es ihr nun jedoch, die Sichtweisen teilweise aufzuteilen. Obwohl etwas verschwommen, konnte sie sich immer noch auf ihren Unterricht konzentrieren, während der andere Teil ihres Geistes ihr zeigte, was Malfoy sah.
Sie hielt das für ziemlich nutzlos, weil sie in den meisten Fällen nur ein Klassenzimmer sehen konnte. Als hätte sie noch nicht genug Unterricht, an dem sie teilnahm. Aber was jetzt ihre Aufmerksamkeit erregte und dazu führte, dass sie in ihrer eigenen Klasse den Fokus verlor, war die Tatsache, dass Malfoy überhaupt nicht im Unterricht war.
Tatsächlich befand er sich in einem viel schwächer beleuchteten Raum und sein Blick war ausschließlich auf den Vogel gerichtet, den er in einen Gegenstand steckte und diesen schloss. Sie hörte wieder in ihrem Kopf das vertraute Harmonia Nectare Passus.
Und da fiel es ihr ein: Das Verschwindekabinett. Sie hörte zu, als er den Zauberspruch wiederholte und sah, wie er den Schrank öffnete; aber der Vogel war tot.
Sie zwang sich, wieder zu ihrer eigenen Sicht zurückzukehren und hörte geistesabwesend ihren Professor zu. Aber Hermines Fokus lag auf etwas ganz anderem. Warum versuchte Malfoy, dieses Verschwindekabinett zu reparieren? Seit Monaten war er darauf fixiert, es zu reparieren. Aber warum?
Mit düsterer Stimmung saß sie während ihrer nächsten Unterrichtsstunden da, als ihr auffiel, dass Malfoy nirgends in Sicht war. Nicht in Korridoren und auch nicht in der großen Halle. Als es spät am Abend wurde, blieb sie allein zurück und ging nach dem Abendessen alleine zum Gemeinschaftsraum. Harry und Ron sagten, sie müssten ihre Besen für das Quidditch-Training morgen früh polieren.
Ihre Neugier wurde erneut geweckt, als sie das weißblonde Haar um eine Ecke sah. Er blickte vorsichtig um sich, wahrscheinlich um zu schauen, ob ihn jemand sieht. Wie es scheint, kam er heute zum ersten Mal aus dem Raum der Wünsche. Sein Haar war zerzaust, die Krawatte um seinen Hals war gelockert und die Müdigkeit sah man in seinen Gesichtszügen.
Malfoy ging um die Ecke und betrat den Korridor, in dem sie stand. Und er schien es auch zu merken, da er plötzlich stehen blieb und ihr einen ausdruckslosen Blick zuwarf. Seine Augen waren geschwollen und glänzten sogar ein wenig - es sah fast so aus, als hätte er geweint.
,,Malfoy..." fing Hermine an, aber Malfoy schien aus seiner Trance zu erwachen und ging hastig an ihr vorbei. Aber nicht mit ihr. Nicht dieses Mal, nicht heute Abend. Sie hatte es satt, im Dunkeln gelassen zu werden. Ständig Einblicke in das zu bekommen, was er tat, ohne zu wissen, warum er es tat.
Mit einer Entschlossenheit, die ihren Körper durchströmte, beschleunigte sie ihr Tempo und lief ihm nach. ,,Malfoy!" zischte Hermine. Sie wollte ihre Stimme nicht zu laut erheben, aus Angst, die Aufmerksamkeit von Schülern auf sich zu ziehen, die vielleicht in der Nähe waren.
Als sie nahe genug bei ihm war, packte sie den Stoff seines linken Ärmels und zwang ihn, anzuhalten und sie anzusehen. Da sie nicht wollte, dass sich ihr Arm in eine unbequeme Position verdrehte, wie beim letzten Mal, als er seinen Arm losgerissen hatte, ließ sie nun den Stoff los, als er sich umdrehte. Ein durchdringender Blick traf ihren.
,,Fass mich nie wieder an, Granger" spie er aus, aber Hermine wollte darauf gar nicht antworten. Zumindest nicht jetzt. Sie hatte wichtigeres im Kopf als seinen Ekel vor ihrer Berührung.
,,Wofür benötigst du ein Verschwindekabinett?" fragte Hermine. Ihre Stimme war leise, damit sie nicht belauscht wurden. Sie kam zu dem Schluss, dass es keinen Sinn hatte, um den heißen Brei herumzureden und stellte ihre Frage geraderaus.
Natürlich war seine Antwort zu erwarten. Auch er antwortete mit ebenso leiser Stimme: ,,Das geht dich überhaupt nichts an." Das brachte ihr Blut zum kochen. Es war auch ihre Sache. ,,Oh doch, Malfoy, das tut es" zischte Hermine und trat einen Schritt näher an ihn heran, da es ihr große Mühe bereitete, ihre Stimme leise zu halten. Am liebsten hätte sie wegen seiner Arroganz geschrien.
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Der Schlamassel - Dramione
FanfictionDraco und Hermine befinden sich in einer sehr unglücklichen Situation, in der sie gezwungen sind, einander ihre tiefsten Geheimnisse anzuvertrauen. Denn wie verändert sich eine Beziehung zwischen Feinden, wenn sie vollen Zugriff auf die Gedanken des...