Prolog

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Ark 2145

So schnell ich kann renne ich durch die Gänge der Ark. Schweißperlen beginnen sich bereits langsam auf meiner Stirn zu bilden und meine Lunge schmerzt, dennoch verlangsame ich mein Tempo nicht. Immer wieder weiche ich den Menschen aus, die meinen Weg kreuzen, doch wirklich darauf konzentrieren, dass ich niemanden umrenne, kann ich nicht.
Noch zwei weitere Abbiegungen und ich bin auf der Krankenstation angekommen.

Zimmer 212

Der Raum, in dem ich die letzten Wochen am meisten Zeit verbracht habe und der Ort, der für mich die meisten Schmerzen bereit hält.

„Mom", flüstere ich mit heisere Stimme, während ich die Tür aufschiebe. Vier Augenpaare blicken mich aus traurigen Augen an.

Mein Vater, der an der Bettkante meiner Mutter sitzt und ihre Hand fest gedrückt hält, Dr Griffin, die ihren Satz unterbrochen hat und mich nun mitfühlend anschaut, Jackson, der Assistenzarzt von Dr. Griffen, welcher die Vitalwerte misst und zuletzt meine Mutter.

Ihr Gesicht ist Aschfahl und eine leichte Schicht Schweiß benetzt ihre Haut. Vorsichtig leckt sie sich noch einmal über ihre spröden Lippen, bevor sie zittrig die dünnen Arme nach mir ausstreckt.
„Nova, komm zu mir mein Schatz", sagt sie mit rauer Stimme und Tränen in den Augen.

Zittrig mache ich einen Schritt vor den anderen. Fast sicher, dass meine Beine jeden Moment nachgeben werden, komme ich neben ihr am Bett an und lasse mich auf die Matratze sinken. Dabei bemerke ich, dass meine Wangen mittlerweile tränenüberströmt sind und auch sie verliert aus dem Augenwinkel eine Träne. Mein Hals fühlt sich an wie zugeschnürt und mein Herz pocht mittlerweile so laut, dass ich die einzelnen Schläge in meinem Kopf spüren kann.

All das fühlt sich so weit entfernt von der Realität an, dass ich nicht begreifen kann, was in den nächsten Minuten auf mich zukommen wird. Oder vielleicht könnte ich es begreifen, doch mein Herz und mein Verstand weigern sich einfach, die Realität anzunehmen und es wahrhaben zu wollen.

„Nova hör mir jetzt zu. Du bist die wundervollste Tochter, die ich mir wünschen könnte. So klug, wunderschön und stark..."
Die leisen, zittrigen Worte, die aus dem Mund meiner Mutter kommen, bringen meine Tränen nur noch mehr zu fließen. Verzweifelt schluchzte ich auf, nicht mehr wissend, was ich noch tun soll.

„Mom bitte verlass mich nicht. Ich weiss nicht wie ich das ohne dich schaffen soll bitte. Ich brauche dich doch", weine ich bitterlich.
Meine Mutter jedoch nimmt mein Gesicht in ihre schmalen Hände, zieht ihn zu sich und gibt mir einen Kuss auf die Stirn.
„Du irrst dich mein Schatz. Du wirst zurecht kommen und eine wundervolle Frau werden. Du bist nie alleine, denn ich werde immer bei dir sein."

Sie greift neben sich und nimmt meine Hand in ihre. Als sie ihre Finger öffnet, spüre ich kaltes Metall, welches meine Haut berührt. Vorsichtig öffne ich meine Hand und sehe eine Kette mit einem feinen Anhänger in der Form eines heulenden Wolfes.

„Das ist mein Geschenk an dich, damit du weißt, dass ich immer an deiner Seite bin und dich beschützen werden. Der Wolf passt so gut zu dir. Klug, unzähmbar und wunderschön..."
Ihre Stimme wird zum Schluss hin leiser, jedoch kann man kurz ein schwaches Lächeln auf ihren Gesicht erkennen, bevor sie es schmerzhaft verzieht.

Schluchzend falle ich ihr in die Arme und kann mich nicht mehr halten. Salzige Tränen rinnen über meine Wangen und befeuchten den gepunkteten Krankenhauskittel meiner Mom.
„Ich hab dich so lieb Mom. Ich will dich nicht verlieren", kommt zwischen meinen Schluchzern hervor und meine Mutter, die ebenfalls ihre Arme um mich gelegt und ihr Gesicht in meinen Haaren vergraben hat erwidert:" Ich liebe dich auch über alles Nova, vergiss das nie."
Zum Schluss hin gleicht ihre Stimme nur noch einem Flüstern und nach wenigen Sekunden merke ich, wie ihre Arme um mich herum erschlaffen und neben ihren Körper fallen.

Die Maschinen neben ihrem Bett, welche zuvor noch ein gleichmäßiges Piepen von sich gegeben haben, wechseln zu einem schrillen, unangenehmen Ton, der sich in mein Gedächnis brennt und den ich niemals wieder vergessen werde.
Erschrocken hebe ich meinen Kopf und sehe mit vor Schrecken geweiteten Augen zu meiner Mutter, die leblos auf ihrem Bett liegt.

„Mom?"

„Mom?"

„ Wach auf bitte!", schreie ich verzweifelt. Meine Stimme wird mit jedem Wort hysterischer und ich kann nicht begreifen, was sich vor meinen Augen abspielt.
Verzweifelt schaue ich zu den Leuten, die sich ebenfalls im Raum befinden und die ich bis jetzt vollständig ausgeblendet habe. Mein Vater schaut nur starr auf den Körper meiner Mutter, während auch ihm unaufhörlich Tränen über das Gesicht laufen.

„Dad?", frage ich verzweifelt nach ihm, doch er rührt sich nicht. Er guckt nicht nichtmal an und da begreife ich, dass er mir nicht helfen wird.

Verzweifelt drehe ich meinen Kopf weiter und schaue Dr. Griffin ins Gesicht.
„Bitte! Sie müssen etwas tun!"
Mein Worte klingend herzzerreißend und verzweifelt und Trauer spiegelt sich im Gesicht der Ärztin wieder.

„Es tut mir leid Nova. Keiner konnte deine Mutter retten und wir haben alles getan, was möglich war."

Mit offenem Mund schaue ich sie an und in meinem Körper breitet sich ein ungewohntes Taubheitsgefühl aus.
Alles was möglich war? Wie kann es dann sein, dass meine Mutter tot neben mit auf dem Bett liegt.
Verzweifelt und hilflos fange ich erneut an zu schluchzen und falle meiner Mutter um den Hals, welche mich dieses mal jedoch nicht zurück umarmen kann.

Und in dem Moment wird mir klar, dass sie das auch nie wieder tun wird.

Genauso wenig, wie sie mich jemals wieder anlächeln oder mir ihren Rat geben wird.

Und ebenso wenig, wie ich jemals wieder ihre Stimme hören werden.

Obwohl ich nicht alleine in diesem Raum bin, habe ich mich bis zu diesem Zeitpunkt noch nie so einsam und alleine gefühlt.

believe me | Bellamy BlakeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt