Als Darcy und Zeke die Sandburg des Sandmanns erreichten, verschlug es Darcy fast die Sprache. Vor ihr erhob sich eine Festung aus goldenem, schimmerndem Sand, die im Licht der dämmernden Sonne in allen Tönen von Bernstein bis tiefem Gold leuchtete. Die Wände der Burg schienen zu fließen und sich zu formen, als ob sie lebten und auf die Präsenz von Zeke und Darcy reagierten. Hohe Türme und Kuppeln ragten majestätisch in den Himmel, während sanfte Dünen sich wie Wellen rund um die Burgmauern legten. Es war ein Anblick von hypnotischer Schönheit und beinahe surrealer Macht.
„Das hier ist deine Sandburg?" Darcy sah Zeke erstaunt an, und er lächelte leicht.
„Ja, willkommen in meiner Welt," sagte er mit sanfter Stimme, die von einem tiefen Stolz getragen wurde. „Hier kontrolliere ich die Ströme der Träume, die Hoffnungen und Ängste, die die Menschen nachts heimsuchen. Es ist der Ort, an dem Albträume zu Asche zerfallen und sanfte Ruhe über die Schlafenden kommt. Hier, Darcy, werden Träume gewoben."
Darcy nickte nachdenklich und ließ den Blick über die kunstvoll verzierten Mauern schweifen. Der Sand schien lebendig, fließend und doch stabil, fast wie Magie, die in jedem Körnchen pulsierte. Sie folgte Zeke durch das große Eingangstor, das ebenfalls aus Sand bestand und sich wie von selbst vor ihnen öffnete. Im Inneren erstreckte sich eine majestätische Halle, in der Sand in Wirbeln und Bögen in der Luft schwebte, als ob eine unsichtbare Melodie ihn tanzend trüge.
„Hier sammeln sich die Ströme der Nacht", erklärte Zeke leise, seine Hand ausgestreckt zu den schwebenden Sandwirbeln. „Sie tragen die Träume und Erinnerungen der Menschen und leiten mich, wo ich gebraucht werde. Der Sand hält alle Geheimnisse, Darcy."
Bevor sie antworten konnte, hörte Darcy Schritte hinter sich. Sie drehte sich um und sah eine Frau mit scharfen Gesichtszügen und streng zurückgebundenem, sandfarbenem Haar auf sie zukommen. Die Frau musterte Darcy mit einem kühlen Blick, die Augen wie kalter Stahl. Sie trug ein fließendes Gewand, das wie der feinste Sand glitzerte, und hielt ein goldenes Zepter in der Hand.
„Darcy, das ist Mira, die Sandfrau," stellte Zeke sie vor, doch Mira bedachte Darcy nur mit einem abschätzigen Blick.
„Eine Hexe," sagte Mira mit leiser Verachtung in der Stimme. „Ich hätte nicht gedacht, dass du jemanden wie sie hierherbringen würdest, Zeke. Hexen bringen Unruhe – und Unruhe ist etwas, das wir hier nicht dulden."
Darcy spürte, wie sich ihre Hände zu Fäusten ballten, doch sie zwang sich zu einem kühlen Lächeln. „Mach dir keine Sorgen, Mira. Ich bin nicht hier, um deinen kostbaren Sand durcheinanderzubringen."
Mira zog die Augenbrauen zusammen und bedachte Darcy mit einem misstrauischen Blick, bevor sie Zeke vielsagend ansah. „Ich hoffe, du weißt, was du tust. Diese Hexenenergie ... sie könnte alles zerstören, was du hier aufgebaut hast."
Mit diesen Worten verschwand Mira in einem Wirbel aus Sand, und Darcy schnaubte leise. „Sie scheint dich ja wirklich beschützen zu wollen, hm?"
Zeke zuckte leicht mit den Schultern, ein wenig verlegen. „Mira hält Ordnung in der Sandburg. Sie kennt jede Ecke, jeden Fluss des Sandes, und ihr Misstrauen ist ... nun ja, ein Teil ihrer Natur. Ich bin sicher, sie wird sich an dich gewöhnen."
Darcy nickte zögerlich und folgte Zeke tiefer in die Burg hinein. Sie kamen in einen großen, offenen Raum, in dem unzählige Sandströme wie schwebende Flüsse in der Luft wirbelten. Ihre Bewegungen waren sanft und hypnotisch, und jeder Strom funkelte in einer anderen Farbe, fast wie ein Kaleidoskop, das Träume in den Raum malte.
„Jeder Sandstrom hier", erklärte Zeke mit leiser, andächtiger Stimme, „steht für die Träume eines Menschen. Manche sind ruhig und hell, andere dunkel und unruhig. Der Sandmann sorgt dafür, dass das Gleichgewicht gewahrt bleibt, dass Albträume in der Tiefe verschwinden und die Träume der Menschen zur Ruhe kommen." Er schloss die Augen und ließ einen goldenen Sandstrom durch seine Finger gleiten. „Es ist eine unendliche Arbeit, doch ich habe sie mir selbst auferlegt. Sie ist ... meine Bestimmung."
Darcy sah Zeke fasziniert an. „Wie bist du zu dieser Rolle gekommen?"
Zeke schien einen Moment in Gedanken verloren zu sein, bevor er antwortete. „Als ich noch ein Mensch war, hatte ich eine enge Verbindung zur Traumwelt. Ich war ein Schlafwandler – jemand, der zwischen den Welten wandelte. Eines Nachts verirrte ich mich in die Traumwelt und konnte nicht mehr zurückkehren. Es hätte das Ende sein können, doch ich fand heraus, dass ich die Kräfte dieser Welt nutzen konnte, um das Gleichgewicht zu bewahren. So wurde ich der Sandmann."
Darcy betrachtete ihn in einem neuen Licht. Die Arbeit, die Zeke verrichtete, war unermüdlich und so vielschichtig, dass sie eine Art von Kraft erforderte, die Darcy bis jetzt nicht ganz nachvollziehen konnte. „Es muss unglaublich schwer sein, diese Rolle allein zu tragen," sagte sie leise.
Zeke lächelte traurig. „Es ist eine Bürde, ja. Doch jemand muss es tun. Der Sand ist formbar und stark, wie die Träume selbst. Und manchmal reicht das."
Sie gingen weiter, und Zeke führte Darcy zu einer breiten, offenen Arena aus festem Sand, die wie ein Trainingsplatz aussah. „Ich möchte sehen, wie du kämpfst," sagte er mit einem Lächeln. „Es wird nicht schaden, ein wenig zu trainieren, nicht wahr?"
Darcy nickte, und die beiden begannen, ihre Kräfte aufeinander abzustimmen. Zeke bewegte sich wie eine sanfte Brise, jeder Schritt von ihm brachte eine Wolke aus schimmerndem Sand in die Luft, die Darcy die Sicht nahm und sie zum Ausweichen zwang. Er war flink und präzise, ließ den Sand zu seinen Gunsten wirken und baute Hindernisse, die Darcy immer wieder überwinden musste.
Darcy entgegnete, indem sie ihre dunkle Magie gegen die Sandwände einsetzte, sie durch Schattenklingen durchschnitt und Zeke zwang, immer wieder zurückzuweichen. Es war ein Tanz aus Schatten und Sand, ein ständiges Spiel zwischen ihren unterschiedlichen Kräften. Sie bewegten sich harmonisch, aber Darcy spürte, dass ihre Verbindung nicht ganz so nahtlos war wie mit Klaus – Zekes Bewegungen waren sanfter und zurückhaltender, und Darcy konnte sich nicht ganz auf ihn abstimmen.
„Du bist stark, Darcy," sagte Zeke schließlich und ließ den Sand sanft auf den Boden sinken. „Deine Kräfte sind anders als meine, aber sie sind notwendig."
Darcy nickte. „Wir ergänzen uns gut, aber wir kämpfen anders. Du nutzt Sand wie ein Fluss, weich und formbar. Ich dagegen nutze die Dunkelheit eher wie ein Schwert." Sie lächelte leicht. „Aber ich schätze, Unterschiede gehören dazu."
Zeke lächelte zurück. „Die Unterschiede sind das, was uns stark macht." Dann blickte er in die Ferne, die Augen verträumt und doch fest entschlossen. „Der Sand bewahrt Erinnerungen und Träume. Ich spüre, dass du noch nicht ganz verstehst, was deine Rolle hier wirklich bedeutet. Doch irgendwann wirst du es erkennen – und dann werden unsere Kräfte wirklich vereint sein."
Darcy betrachtete den Sand in ihrer Hand, ließ ihn durch ihre Finger rieseln und sah, wie sich winzige Funken darin bewegten. Sie wusste nicht, was die Zukunft brachte, doch in diesem Moment fühlte sie sich dem Sandmann und seiner Welt verbunden, als ob auch sie ein Teil dieser ewigen Träume und Erinnerungen wäre.
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•|The Last Witch: A Covenant of Light|•
FantasyIn einer Zeit, als die Dunkelheit über die Welt herrscht, und Hexen verfolgt und verbrannt werden, entfaltet sich eine außergewöhnliche Geschichte von Freundschaft, Macht und Erlösung. Die Hexe Darcy, die die schwarzen Mächte kontrolliert, trifft au...