•|Am Nordpol |•

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Der Nordpol war ein Ort, den Darcy bisher nur in Legenden gehört hatte - ein verschneites Reich aus ewiger Kälte, das für die meisten Lebewesen unerreichbar blieb. Doch hier stand sie nun, an Klaus' Seite, in einer Landschaft aus glitzerndem Schnee und schneebedeckten Fichten, während der Wind sanft die Kälte durch die Luft wirbelte. Sie trug einen dicken Mantel, doch selbst der konnte nicht die winterliche Schärfe vertreiben. Klaus hingegen stapfte voller Energie durch den Schnee, als wäre die eisige Kälte nur ein Sommerwind.

„Willkommen in meinem kleinen Reich!" rief er, seine Stimme voller Begeisterung. „Es gibt keinen Ort wie diesen - und das Beste daran ist noch immer die Fabrik. Du wirst staunen, Darcy!"

Neugierig folgte Darcy ihm durch die verschneite Landschaft, bis plötzlich ein riesiges, leuchtendes Gebäude vor ihnen auftauchte. Die Fabrik, die sich vor ihnen erstreckte, war aus leuchtenden roten Ziegeln erbaut, und große Fenster schimmerten warm in den Farben des Weihnachtsfestes. Riesige goldene Glocken hingen von der Fassade, und im Inneren konnte Darcy das emsige Treiben von unzähligen Elfen sehen, die wie ein fleißiger Schwarm in alle Richtungen huschten. Die Luft war erfüllt vom fröhlichen Klirren kleiner Werkzeuge und dem Lachen der Elfen, die mit unglaublicher Geschwindigkeit Geschenke zusammenbauten.

„Das hier ... ist alles deins?" fragte Darcy mit einem skeptischen, aber beeindruckten Blick.

„Jawohl!" Klaus grinste stolz und führte sie durch die Eingangshalle, wo riesige, leuchtende Dekorationen und glitzernde Girlanden den Raum schmückten. „Ich mag der Boss sein, aber ohne meine Elfen wäre das alles nicht möglich. Hier entstehen die Träume von Millionen von Kindern."

Darcy beobachtete die kleinen Elfen, die sich über Arbeitstische und Maschinen beugten und winzige Schrauben drehten, Puppen zusammensetzten, Holzspielzeuge bemalten und Schleifen banden. Es war ein unglaublicher Anblick, fast surreal. „Und das alles machst du jedes Jahr? Was für eine Bürde ..."

„Ach, die Mühe ist es wert," sagte Klaus mit einem Schulterzucken. „Die Freude der Kinder, das Leuchten in ihren Augen - dafür ist es mir wert, jedes Jahr hier zu arbeiten. Außerdem", er grinste und tippte sich an den falschen Bart, „bin ich nicht ganz so alt, wie die Menschen glauben. Der Bart hier? Ein kleines Täuschungsmanöver. Ich bin jung geblieben - aber das sollte keiner wissen."

Darcy musste unwillkürlich schmunzeln. „Jung und unerkannt, und gleichzeitig einer der ältesten Legendenfiguren. Du bist wirklich voller Überraschungen."

Doch das Lächeln in ihrem Gesicht schwand, als plötzlich ein unheilvolles Geräusch durch die Halle hallte. Ein Kratzen, fast wie das Schleifen von Metall auf Stein, ließ die Elfen innehalten. Dann tauchten Schatten auf - Wesen, die aus den Ecken der Halle krochen. Sie waren grotesk und verzerrt, ihre Formen so unnatürlich, dass Darcy sich kaum vorstellen konnte, dass sie aus dieser Welt stammten. Ihre Augen glommen wie schwache Glut, und ihr Geifern hallte durch den Raum, während sie sich auf Klaus und Darcy zubewegten.

„Wir haben ungebetene Gäste," murmelte Klaus und rollte die Ärmel seines roten Mantels hoch, seine Augen glitzerten vor Kampfgeist. „Das sind Geister des Neids. Sie versuchen jedes Jahr, die Fabrik zu zerstören - eine alte, mühsame Fehde. Bist du bereit, Darcy?"

Ein Lächeln umspielte Darcys Lippen. „Bereit, wenn du es bist, Weihnachtsmann."

Ohne ein weiteres Wort hoben sie beide die Hände, und ihre Kräfte entfalteten sich in perfekter Harmonie. Klaus rief eine strahlende Energie hervor, ein blendendes Licht, das wie die Sonne auf die Wesen strahlte. Darcy wiederum ließ die Dunkelheit wachsen, eine schwarze, pulsierende Kraft, die die Schattenwesen einhüllte und sie verwirrte. Die beiden Elemente, Licht und Dunkelheit, arbeiteten wie zwei Hälften eines Ganzen zusammen.

Klaus trat vor und schleuderte einen Lichtstrahl auf die erste Kreatur. Sie kreischte und löste sich in einem Funkenregen auf. Darcy bewegte ihre Hände, und dunkle Energien schossen durch den Raum, wickelten sich um die Beine der Angreifer und hielten sie fest, während Klaus seine mächtigen Lichtattacken auf sie niedergehen ließ.

„Ich muss sagen," rief Klaus über das Kampfgetöse hinweg, „du und ich - wir machen ein ziemlich gutes Team!"

Darcy konterte mit einem leichten Lächeln und ließ eine weitere Welle schwarzer Energie auf die Angreifer niederfahren. „Vielleicht bist du doch mehr als nur ein Weihnachtsmann mit einem falschen Bart!"

Der Kampf war heftig, doch Klaus und Darcy bewegten sich perfekt synchron, ihre Energien tanzten und webten wie ein unzertrennbares Band zwischen Licht und Dunkelheit. Bald lagen die Kreaturen in Asche auf dem Boden verstreut, und die Elfen, die sich ängstlich versteckt hatten, begannen langsam zu applaudieren und zu jubeln.

„Also, wie war das?" Klaus grinste zufrieden und ließ den falschen Bart in seine Hand sinken. Darunter kamen tatsächlich ein glattes, junges Gesicht und ein verschmitztes Lächeln zum Vorschein. „Überraschung!"

Darcy lachte und schüttelte den Kopf. „Du bist also wirklich kein uralter Mann, wie die Legenden es beschreiben."

„Nein, das Aussehen ist nur Teil der Geschichte. Die Menschen wollen sich eine Figur vorstellen, die weise und gütig aussieht. So sehen sie mich lieber, und damit kann ich arbeiten." Klaus grinste verschmitzt und strich sich über das glatte Kinn. „Aber es hat auch seine Vorteile, nicht als alter Mann kämpfen zu müssen."

Darcy sah ihn einen Moment lang an und spürte, wie ihr Respekt für ihn wuchs. „Ich verstehe jetzt, warum du der Boss bist," sagte sie schließlich. „Du weißt, wie man sich an die Erwartungen anpasst, aber behältst dennoch deine wahre Natur."

Klaus nickte. „Es ist wichtig, das Gleichgewicht zu halten - eine Fähigkeit, die ich wohl mit dir gemeinsam habe. Und vielleicht gibt es noch andere Kämpfe, bei denen wir Seite an Seite stehen müssen."

Ein Funke gegenseitigen Verständnisses blitzte zwischen ihnen auf. Darcy spürte, dass sie und Klaus zwar sehr unterschiedlich waren, aber gemeinsam eine Kraft bildeten, die gegen jede Bedrohung bestehen konnte - eine Kraft, die weder in Licht noch Dunkelheit allein zu finden war.

Die Elfen jubelten und klatschten, während Klaus und Darcy zurück in die Fabrik traten. Es war noch viel zu tun, und für Darcy wurde der Nordpol - wie ungewöhnlich es auch war - ein weiterer Ort, an dem sie sich seltsamerweise zu Hause fühlte.

•|The Last Witch: A Covenant of Light|•Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt