Ich verließ gut gelaunt die Sporthalle am späten Nachmittag und zog fröstelnd den Reisverschluss meiner Trainingsjacke nach oben, für Frühling war es immer noch ziemlich kalt. Ich hatte wie jeden Donnerstag seit sieben Jahren Turnunterricht gehabt und war nun auf dem Heimweg. Etwas später dran als gewöhnlich, da ich bald einen Wettkampf haben würde und meine Trainerin noch ein paar Dinge mit mir klären wollte. Ich hatte eine kleine zierliche Figur perfekt fürs Bodenturnen, aber ich hasste sie. Die Jungs in meinem Alter bezeichneten mich dank ihr immer nur als niedlich oder süß, meine Stupsnase und die Sommersprossen waren da auch nicht gerade hilfreich. Nächsten Monat würde ich 17 Jahre alt werden, doch die meisten schätzen mich wohl eher auf 13. Ich wohnte nicht allzu weit von der Schule entfernt in einem gepflegten Viertel der Stadt, sodass ich wie immer zu Fuß ging.
Mein Magen knurrte vor Hunger und ich hoffte das meine Mom mir etwas zu Essen gemacht hatte. Mein Dad war selten da, in der Woche eigentlich nie und manchmal schaffte er es nicht mal am Wochenende zu kommen. Er reiste sehr viel in ferne Länder, besuchte dort die Hauptsitze des Unternehmens in dem er angestellt war. Ich hatte dadurch nie wirklich die Chance gehabt eine Bindung zu ihm aufzubauen. Mein kleiner Bruder Tommy war 10 Jahre alt, für ihn war Dad ein Vorbild. Er möchte später genauso viel reisen wie er und es macht ihm auch nichts aus, dass er seinen ach so tollen Vater kaum sieht. Kein Wunder, wenn dieser am Ende einer Reise auch immer Bestechungsgeschenke mitbrachte. Meine landeten meist unausgepackt in das hinterste Fach meines Schrankes.
Unser Gartentor quietschte als ich es öffnete, in Gedanken versunken ging ich den kurzen gepflasterten Weg bis zur Haustür und kramte dabei in meiner Tasche nach dem Schlüssel. Als ich sah, dass die Tür einen Spalt offen stand, runzelte ich die Stirn, es sah meiner perfektionistischen Mutter gar nicht ähnlich die Tür offen stehen zu lassen, vor allem nicht seit die Nachbarskatze sich das letzte mal rein geschlichen und auf dem Frühstückstisch gesessen hatte.,,Mom?" Meine Stimme hallte durch den Flur, Stille. Kein Fernseher, keine Reaktion meines kleinen Bruders Tommy und von meiner Mom auch nicht. Sie hätte mir doch gesagt wenn sie weg gemusst hätte. Ich ging in die Küche, vielleicht hatte sie mir ja wenigstens eine Nachricht hinterlassen. Die Küche sah schrecklich aus! Dreckiges Geschirr stand neben der Spüle, ein zerbrochenes Glas auf dem Boden und kalt gewordenes Essen stand auf dem Tisch. Ich bekam ein flaues Gefühl im Magen, meine Mom würde das Haus nie so verlassen, es musste etwas passiert sein, mit schnellen Schritten ging ich zur Pinnwand, aber auch hier, keine Nachricht.
,, MOM! " rief ich erneut, dieses mal leicht hysterisch. Ich erwartete eigentlich keine Antwort und ich bekam auch keine. Vielleicht hatte sie mir etwas in meinem Zimmer hinterlassen. Ich wollte gerade die Küche verlassen als mir etwas auffiel, auf dem Boden lag Tommys alter Teddybär. Tommy hatte ihn seit seiner Geburt, er nahm den Bären überall mithin, dementsprechend sah er auch aus, verfilzt, mit nur einem Auge und überall Flicken, die Hälfte seiner Füllung war auch schon verschwunden. Warum lag er hier so achtlos herum? Das sah Tommy gar nicht ähnlich.
Ich hob ihn vorsichtig auf und spürte etwas dickflüssiges an meinen Händen kleben, vor schreck quiekte ich auf und der Teddy fiel wieder zu Boden.An meiner Hand war dunkelrotes Blut. Der metallische Geruch stieg mir in die Nase. Mir wurde schwindelig und ich stütze mich an der Wand ab. Was war hier passiert und wo zur Hölle waren Mom und Tommy? Mir brannten Tränen in den Augen vor Sorge.
Ich kniete mich vor den Teddy um ihn genauer zu begutachten, als ich Schritte auf der Treppe hörte, sie war sehr alt und jede Stufe knarrte. Ich erstarrte und hielt den Atem an. Ich hoffte so sehr das es meine Mom war, doch es klang anders. Ich richtete mich langsam auf und versuchte dabei keinen Laut zu machen. Wer auch immer die Treppe herunter kam fing an zu pfeifen, eine fröhliche Melodie, die in dieser Situation komplett fehl am Platz war.,,Alison bist du endlich Zuhause?" Hörte ich eine fremde Männerstimme fragen und die letzte Stufe knarrte. Ich sah mich panisch um Er, wer auch immer "Er" überhaupt war, stand inzwischen im Flur, nur ein paar Meter von mir entfernt. Mir lief eine Träne vor Angst die Wange runter, ich konnte ihn noch nicht sehen, aber das wollte ich auch gar nicht. Ich musste zusehen, dass ich hier weg kam.
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Du entkommst mir nicht
RomanceAls die 17 jährige Alison nach Hause kommt, ist alles verwüstet von ihrer Familie keine Spur. Doch Alison muss feststellen das sie nicht allein ist. Der Mann der vielleicht ihre Familie auf dem Gewissen hat befindet sich noch im Haus. Er hält sie ge...