Kapitel 13

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Ich rannte durch die Flure, lief die vielen Treppenstufen hinunter, sprintete zur Taxihaltestelle und winkte einem Fahrer zu. Der schwarze Wagen hielt vor meinen Füßen und ich setzte mich auf die braune Ledersitzbank."Wo soll's denn hingehen?",fragte mich der ältere Mann. "St.Georges Park 48." Ich hatte mich kurzer Hand entschlossen einige Sachen zu packen und mich in einem günstigen Hotel einzuquatieren, da ich, zummindest hier, keine Freunde habe bei denen ich nicht einfach für ein paar Nächte bleiben könnte. Ich hatte das Gefühl, dass ich nicht in der Wohnung bleiben kann, nicht unter den Umständen. Ethan wäre sicherlich vollkommen verwirrt wenn er seine Mitbewohnerin und Freundin gar nicht mehr kennt. "Sie sehen ziemlich mitgenommen aus.",stellte der Taxifahrer fest. Ich sah ihm durch den Rückspiegel in seine Augen, "Ja.". Dann sah ich aus dem Fenster, langsam fuhren wir durch den stockenden Innenstadt-Verkehr."Wollen sie darüber reden?" Der Gedanke mich jemand fremden anzuvertrauen war zwar komisch, dennoch war es vielleicht auch gut, da er keine Partei egreifen kann und alles nur objektiv sieht. "Heute war der mit Abstand schlimmste Tag meines Lebens.", begann ich die Erlebnisse zusammen zu fassen. Die ganze Fahrt über hörte mir der Mann aufmerksam und geduldig zu. Mit jedem Satz war ich erleichterter. Nachdem ich ihm den Fahrpreis und etwas Trinkgeld gegeben hatte sagte er mir noch etwas:"Sie haben viel hinter sich. Nehmen sie sich etwas Zeit für sich und machen sie Urlaub, das wird ihnen sicherlich gut tun.""Danke." Eigentlich war die Idee gar nicht mal so schlecht. Vielleicht könnte ich nach London fahren oder zu meinen Eltern, nach Tschechien, fliegen. Theoretisch gesehen könnte ich auch nach Paris fliegen und mir somit einen Wunsch erfüllen. Praktisch gesehen habe ich allerdings nicht viel Geld.

In der Wohnung angekommen, drehte ich die Musik erstmal auf. Ich begann wahllos Kleidung in meine schwarze Reisetasche zu stopfen. Egal wohin mich mein Weg führen wird ich werde auf jeden Fall weg von hier gehen. Danach räumte ich meine Sachen aus dem Badezimmer. In der Küche suchte ich ein paar Sachen für Proviant raus. Cracker, Toast, Kekse, eine Packung Instant-Nudeln und zwei Wasserflaschen. Dann fing ich an gemeinsame Fotos vom Kühlschrank abzupinnen. Bei jedem Bild kamen mir die Erinnerungen in den Sinn. Die meißten Fotos sind Selfies oder Gruppenbilder. Dann ging ich ins Wohzimmer zum Billy-Regal, wo zwischen etlichen Büchern meine Lieblingserinnerung stand. Ich war eigentlich keine Leseratte, Ethan jedoch konnte sich stundenlang mit einem Buch in einer Ecke verkriechen. Zwischen Illuminati von Dan Brown und Erbarmen von Adler Olsen stand das Foto aus unserem Hawaii-Urlaub. Die Reise hatte er mir, oder eher gesagt uns, zum einjährigen geschenkt. Es war so schön dort. Wir haben am Strand relaxt, sind tauchen gegangen und haben es uns rundum gut gehen lassen. Eine Träne tropfte auf das gerahmte Bild von uns beiden, das uns beim Kokosmilch trinken zeigt. Plötzlich klingelte es an der Tür, ich drehte das Bild sodass die Glasseite nach unten zeigte und trottete zur Tür. Vielleicht war es blos der Postbote oder eine Nachbarin die ein Paket angenommen hatte.
Ich wagte einen Blick durch den Türspion. Kein Postbote. Ein junger Mann, um die siebenundzwanzig stand draußen, mit einem Arm an den weißen Türrahmen gelehnt und wartete, dass jemand aufmachte. Langsam zog ich die quietschende Tür auf. Ich blickte durch den Spalt und mein Gegenüber machte einen Schritt zurück. "Hi." Fragend blickte ich ihn an. Ich hatte zwar das Gefühl ihn zu kennen doch ich kam nicht drauf. "Erkennst du mich nicht? Uns wurde zwar immer gesagt, dass wir uns sehr ähnlich sehen, aber okay. Ich bin Alec, Ethans Bruder wir haben uns noch nie live gesehen, glaube ich." Mir ging ein kleines Licht auf. Ich zog die Tür weiter auf."Jetzt wo du's sagst erkenne ich die Ähnlichkeit."
Was nicht stimmte.
"Kann ich reinkommen?" Verstohlen sah ich in die Wohnung, nicht gerade ordentlich aber ich konnte ja nicht wissen das ich Besuch bekomme. Was will er überhaupt hier? "Ähm ja." Mit einem Schritt zur Seite machte ich ihm den Weg frei. Er trat ein und wir setzten uns auf das Sofa. Er deutete auf die Reisetasche neben ihm:"Haust du ab?" Ich öffnete den Mund in der Hoffnung, dass zufällig ein paar gute Worte herrauskamen. Bevor ich tatsächlich etwas sagen wollte tat er es. "Als ich ins Krankenhaus kam habe ich gesehen wie du in ein Taxi gestiegen bist. Ich bin sofort zu Ethans Zimmer gelaufen. Ich meine wegen deiner Reaktion, ich dachte er wäre tot. Aber als ich dann Ajsa sah wie sie ihn küsste. Fragte ich was los sei und dann war mir klar warum du weg bist. Hör zu, ich kann verstehen das das ein Schock für dich ist. Für uns alle, aber lauf nicht weg. Es ist sehr wahrscheinlich das er wieder normal wird und dann braucht er dich mehr als jeden anderen. Also überlegs dir lieber nochmal.""Solltest du nicht eigentlich in Chicago sein und studieren?""Überraschende Frage. Ja das heißt nein. Ich habe Semesterferien.", antwortete er mir. "Kannst du erklären warum er denkt, Ajsa sei seine Freundin?""Das kannst du ja gar nicht wissen. Als du in die Tanzgruppe kamst war Ethan schon seit fast drei Jahren mit Ajsa zusammen. Dann hat er sich in dich verliebt. Er hat es Ajsa gesagt und sie...", er machte eine Pause und rieb sich den Punkt zwischen den Augenbrauen,"Sie nahm es so hin. Die beiden trennten sich, damit Ethan mit dir zusammensein konnte und er und Ajsa blieben Freunde." "Hmm.",machte ich, weil ich nichts zu erwidern wusste. Das hatte mir nie jemand erzählt. Dieser Einblick in die Vergangenheit verwirrte mich.
"Also ist er auf dem geistigen Stand seines vier Jahre jüngeren Ichs?", hakte ich zum Verständnis nach. "Ja so scheint es.""Was macht man jetzt?""Die Ärzte sagten, bitte reg dich nicht auf, dass wir für's erste mitspielen sollen um ihn nicht zu verwirren. Dann kann man langsam anfangen ihn mit der Realität zu konfrontieren und dann bekommt er irgendwann seine Erinnerungen wieder. Oder auch nicht." Entsetzt starrte ich ihn an, obwohl Theresa mich ja bereits darauf hingewiesenen hatte."Aber das passiert nur in sehr seltenen Fällen.", versuchte er seine letzten Worte zu verharmlosen."Aber warum sagst du mir das so als wäre es das schlimmste auf der Welt, dass sie schon mal zusammen waren?""Nun",er räusperte sich," Du solltest davon ausgehen dass Ajsa sich nicht zurück hält, sie liebt ihn noch immer.", eindringlich sah Alec mich aus seinen nussbraunen Augen an. Ich begriff erst nicht ganz was das bedeutete, doch als ich die Worte verstand war ich wütend. Ich kenne Ajsa nicht so gut, jedoch trieb mich der Gedanke sie könne mir Ethan, meinen Freund, wegnehmen auf eine Schiene der Eifersüchtigkeit auf der ich ihr alles zugetraut hätte. Ich konnte das nicht zulassen. "Ich werde nicht weggehen.", teilte ich Alec meinen Entschluss mit.

Für immer wäre zu kurzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt