Kapitel 9

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Ich schlucke und hole ein paar mal tief Luft. Dann versenke ich das Blatt in den tiefen meiner Tasche. Wahrscheinlich wäre es das beste, wenn ich es zerstören würde, aber daran verschwende ich natürlich keinen Gedanken. Das ist mal wieder so was von typisch für mich.Woher konnten die wissen wie ich aussehen werde? Meine Fingernägel nehmen - wie immer wenn ich aufgewühlt bin - einen dunkleren lila Ton an. Ich kaue auf ihnen herum und meine Hände zittern. Es darf niemand von diesem Blatt erfahren. Niemand. Mein Dad würde jetzt wahrscheinlich sagen "In der Ruhe liegt die Kraft." Und ich gebe mir wirklich Mühe, aber ich schaffe es irgendwie nicht, mich zu beruhigen. Eine Kellnerin fragt, ob ich etwas bestellen möchte und starrt mich aus den Augenwinkeln komisch an. Ich schüttle nur den Kopf, unfähig etwas zu sagen.
Sobald sie verschwunden ist, hole ich tief Luft. Es ist alles gut, solange niemand von diesem Blatt erfährt. Versuche ich mich zu überzeugen und wiederhole diesen Satz in einer Endlosschleife in meinem Kopf.
Irgendwann werde ich dann doch wieder ruhiger und nachdem ich noch einmal tief Luft hole, mache ich mich auf die Suche nach einem Schlafplatz.

In einer Gaststätte am Rand der Stadt ist noch ein Zimmer frei. Es ist klein und nur mit einem dünnen Bett ausgestattet. Aber das allerschlimmste kommt erst noch: Das Bett ist aus Erde. Ja, harter, steiniger, dreckiger, matschiger Erde! Keine Meerjungfrau, die noch ganz bei Trost ist, würde es irgendjemanden zumuten auf ERDE zu schlafen, anstatt auf weichem, kornigen Sand. Es ist also eindeutig, dass der Gaststättenleiter ein Mann ist.
Ich lege mich auf das Bett, aber es drückt, überall! Wie kann man nur auf einem Bett aus Erde schlafen?
Ich wälze mich herum und versuche eine wenigstens einigermaßen angenehme Position zu finden. Dann starre ich ewig an die Wand.
Wie es wohl Mum und Dad und den anderen ergangen ist? Hoffentlich geht es ihnen gut.
Aber wieso sind wir nicht an der selben Stelle aufgetaucht? Ist irgendetwas schief gegangen? Womöglich sind sie gar nicht heil auf der Erde angekommen! Nein! Ihnen geht es gut.
Mit diesem letzten Satz im Kopf schlafe ich dann doch ein, auch wenn ich das nicht für möglich gehalten hätte.

Dunkelheit umfängt mich. Das Wasser um mich herum ist fast schwarz und gleicht dem dunklen Nachthimmel. Ich schwimme blind umher und suche panisch einen Ausweg aus dieser bedrohlichen Finsternis. Plötzlich stoße ich gegen eine harte, kalte Wand. Ich fahre mit den Fingern an ihr entlang. Ich kenne diese Kälte. Das ist Eis. Da taucht vor mir im Eis meine Mutter auf. "Mum? MUM!!", kreische ich und schlage gegen das Eis. Die Augen und der Mund meiner Mum sind weit aufgerissen und sie hat die Hände wie zum Schutz erhoben.
Was passiert hier? Plötzlich sehe ich überall die Gesichter meiner Familie. Alle haben sie den selben Gesichtsausdruck. Ich drehe mich panisch im Kreis und blicke überall in diese Augen. Als ich das hämische Lachen des Königs höre, fange ich an zu schreien und sinke wie ein Häufchen Elend hinab in die allesverschlingende, schwarze Tiefe.

Ich wache auf, als mich jemand grob wach rüttelt. Mein Herz schlägt viel zu schnell und ich schlage wild um mich. Eine Frau versucht mich zu beruhigen, während sie gleichzeitig meinen Schlägen ausweicht. Als ich realisiere wo ich mich befinde, atme ich erleichtert auf. Das war nur ein Traum. Ein ziemlich real wirkender Traum. Die Frau blickt mich besorgt an. "E ande se Kachendre?", fragt sie mich in der Sprache meines Heimatplaneten, was so viel bedeutet wie Ist alles in Ordnung?
"Achë", antworte ich immer noch leicht außer Atem.
Sie nickt erleichtert.
"Ein Albtraum?", fragt sie und ich nicke. Sie lächelt mich verständnisvoll an.

Nachdem ich nach einem ausgiebigen Frühstück das Gasthaus wieder verlasse, gehe ich wieder Richtung Stadtplatz, um von dort aus alles zu erkunden. Dort angekommen tummeln sich wieder viele Leute bei den zahlreichen Ständen und Kinder spielen verstecken oder fangen. Ach wie glücklich und unbeschwert sie doch aussehen. Sie haben noch keine Ahnung, von Samudra und dem bösen König. Vermute ich jetzt einfach mal.
Glücklicherweise entdeckte ich in einer Straße eine Karte. Ich stecke ein kleines Prospekt, auf dem die Karte in Kleinformat aufgezeichnet ist, in meine Tasche und beschließe außerhalb der Stadt mit dem erkunden anzufangen und mir einen geeigneten Trainingsplatz zu suchen.

Seashore - Under sea *pausiert*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt