Kapitel 4

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Durch die Zweige hindurch konnte ich meinen Freund sehen. Ich war nervös, was sollte ich nun tun? Er ließ seinen Schlüssel fallen, direkt vor dem Gebüsch in dem ich mich versteckt hatte. Ich zwängte mich durch die Zweige ein paar Schritte vor. Mein Freund griff gerade nach seinem Schlüssel als er mich entdeckte:"Was zum...? Man hast du mich erschreckt, Kleine." Er fing an zu lächeln, griff nach seinem Schlüssel und mit der anderen Hand kam er mir immer näher. Ich zuckte zurück.
"Hey Kleine, keine Sorge. Ich tu dir nichts. Ich will dich nur ein bisschen streicheln." Ich zwang mich nicht wegzurennen. Obwohl ich meinen Freund kannte und wusste, dass er Tiere über alles liebte, hatte ich etwas Angst. Seine Hand fuhr mir sanft über den Kopf und dann über den Rücken. Es war ein schönes Gefühl meinen Freund wieder zu spüren. Auch wenn ich nicht mehr seine Freundin war. Ich sah ihn mit großen Augen an. Jetzt oder nie! Ich wollte seinen Namen rufen und ihm alles erklären. 'Claudiu! Ich bin es, deine Freundin. Ich weiß nicht was passiert ist. Da war diesen Jungs am Bahnsteig und der Zug kam und irgendwie wurde ich angerempelt. Und dann wachte ich auf und war plötzlich eine Katze!' Claudiu kniete sich hin und legte seinen Rucksack neben sich, ich ging ein Stück näher zu ihm hin.
"Es tut mir Leid Kleine, aber ich verstehe leider keine Katzensprache." Er lächelte und streichelte mich weiter. Ich wurde ärgerlich und begann ihn anzufauchen. War er denn blöd geworden? Wieso verstand er mich denn nicht? Als ich versuchte ihn anzuschreien und ihm alle erdenklichen Schimpfwörter an den Kopf werfen wollte, merkte ich, dass ich nur fauchte. Alles was aus meinem Mund rauskam war ein Fauchen. Er schaute mich erschrocken an und wich zur Seite.
"Hey, tut mir Leid. Was hab ich denn getan? Gefällt dir das nicht?"
Ich war frustriert, das konnte doch nicht sein, dass er mich nicht verstand. Er musste mich einfach verstehen. Claudiu packte seine Sachen zusammen und stand auf, er zückte den Schlüssel und schob ihn ins Schloss. Traurig blickte ich zu ihm hoch. Na gut, dann würde ich ihm eben einfach in die Wohnung folgen. Irgendwann würde er schon verstehen wer ich war. Als er die Haustür aufschob und ich zwei Schritte nach vorne machte sagte er:"Tut mir Leid, aber ich kann dich nicht mit reinnehmen. Deine Besitzer würden dich bestimmt vermissen." Er quetschte sich durch den schmalen Türspalt und lies die Haustür zufallen. Ich stand völlig perplex davor. Eine tiefe Traurigkeit überkam mich. Wie sollte ich Claudiu verständlich machen dass ich es war? Er hielt mich für eine gewöhnliche Hauskatze die irgendwo ein zuhause hatte. Aber das war ich nicht. Und ich hatte auch kein zuhause. Ich blickte zum Himmel hoch. Die Sonne ging schon unter. Wo sollte ich nur hin? In die Wohnung konnte ich nicht, und überhaupt konnte ich nirgendwo hin.
Ich drehte mich um und wollte erstmal Schutz unter einem parkenden Auto suchen und dann überlegen wo ich hinsollte. Als ich gerade unter das Auto kriechen wollte hörte ich aus dem Gebüsch hinter mir ein Zischen. Meine Ohren stellten sich auf und ein Kribbeln fuhr mir durch den Pelz. Als Katze hatte ich keine Ahnung wer oder was alles zu meinen Feinden gehörte. Ich drehte mich blitzschnell um, konnte aber nichts sehen. Das Zischen kam nochmal. 'Hallo? Wer ist das?', rief ich leise. Nochmal ein Zischen. Es hörte sich so an als ob es direkt aus diesem Haselnussstrauch vor mir kam. Ich schaute genauer hin und jetzt konnte ich ein paar Bernsteinaugen erkennen die mich anblinzelten. Das Zwischen kam eindeutig von diesem Paar Augen. Ich wurde nervös und überlegte, was ich als nächstes tun sollte. Am besten einfach wegrennen. Lauf um dein Leben, dachte ich mir.
Die Zweige des Haselnusstrauchs raschelten und teilten sich. Eine andere Katze bahnte sich ihren Weg durch das Gebüsch und blieb schließlich vor mir stehen.

"Hey, ich hab dich hier noch nie gesehen. Was willst du hier und wo kommst du her?", fragte mich die fremde Katze.

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