Kapitel 8

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Ich war die ganze Nacht unter dem Bett geblieben. Granny hatte mich noch ein paar Mal gerufen, aber ich wollte meine Ruhe haben. Durch das Licht, das auf den Boden fällt konnte ich sehen, dass gerade die Sonne aufging. Die ganze Nacht über hatte ich nachgedacht und jetzt war ich zu einem Entschluss gekommen. Ich würde die Aufgabe annehmen die mir zugeteilt wurde. Mit hoch erhobenem Kopf und Schwanz kam ich unter dem Bett hervor. Granny war bereits wach, ich konnte sie in der Küche hantieren hören. Sicherlich würde sie gerade ihre Teekanne vorbereiten. Ich konnte ein amüsiertes Schnurren nicht unterdrücken. Ich hatte sie wirklich in mein Herz geschlossen und ich würde sie sehr vermissen. Ich lief in die Küche und strich ihr um die Beine.
"Ah, guten Morgen mein Liebes. Wie ich sehe bist du endlich unter dem Bett hervor gekommen." Ich lief schnell zu meinem Futternapf und fraß alles leer, dann trank ich den Wassernapf leer. Ich wusste nicht, wie lange ich unterwegs war, da konnte es sicher nicht schaden gut gesättigt zu sein. Granny blickte mich an:"Ich glaube ich verstehe. Du wirst nun weiterziehen meine Hübsche, oder?" Sie nahm mich auf den Arm und schmuste ein letztes mal mit mir. "Ich wünsche dir eine gute Reise, meine Liebe. Vergiss bitte die alte Granny nicht." Mit einem letzten Lächeln setzte sie mich auf dem Boden ab und öffnete mir die Haustür. Gleißendes Sonnenlicht schien mir entgegen und ich musste meine Augen zusammenkneifen. Ich trat ein paar Schritte hinaus und als sich meine Augen an das helle Licht gewöhnt hatten, sah ich endlich zum ersten Mal wo ich gelandet war. Das Haus von Granny stand am Waldrand, es war eine kleine Holzhütte. Allerdings erkannte ich die Gegend nicht wieder. Ich wusste nicht in welche Richtung ich laufen musste um zu der Wohngegend zu gelangen in der mein Freund lebte. Ich blickte noch einmal zu Granny zurück und sie rief mir entgegen:" Du musst immer in diese Richtung gehen, dort wirst du deinen Freund finden." Mit ihrer Hand zeigte sie auf einen Weg  direkt vor mir. Ich richtete den Blick starr gerade aus, ich würde jetzt  nicht mehr zurückblicken. Nein. Die Zukunft und meine Aufgabe lagen direkt vor mir!

Die Sonne stand senkrecht am Himmel, hoch über mir. Ich musste schon einige Stunden gelaufen sein. Den Weg hatte ich nicht verlassen aus Angst ich würde mich verlaufen. Auch Fußgänger traf ich hier nicht an. Der Teil des Waldes musste wirklich verlassen sein. Mein Magen fing an zu knurren. Oh nein. Ich hatte doch soviel gefressen heute morgen. Was sollte ich nur tun? Hier gab es keine Granny die mir regelmäßig meinen Napf füllte. Die einzige Möglichkeit die mir blieb, war selbst etwas zu fangen. Wenn ich lachen könnte hätte ich jetzt sicherlich laut losgelacht. Ich war keine Katze, und ich hatte noch nie im Leben mir etwas zu Essen gefangen. Ich wusste überhaupt nicht wie das ging. Aber mein Magen gab mir unmissverständlich zu verstehen dass er keine Ausreden hören wollte. Ich blickte mich ein bisschen um und entschied mich dafür nicht direkt am Weg zu jagen. Die Beutetiere würden sich wohl eher im dichten Dickicht verstecken. Also verließ ich widerstrebend doch den Weg und zwängte mich durch ein Brombeergestrüpp. Als ich ein Stück in den Wald hineingelaufen war, kauerte ich mich nieder und lies meinen Katzensinnen freien Lauf. Schon nach kurzer Zeit konnte ich mehrere Tiere hören. Aber das Geräusch das am nähsten war, kam direkt von den Baumwurzeln ein Stück vor mir. Als ich meine Augen anstrengte konnte ich auch den kleinen Körper einer Maus sehen die in der Erde rumwühlte. Ich nahm sie ins Visier und kroch Millimeter für Millimetervorwärts. Plötzlich hob die Maus ihren Kopf und blickte mir direkt in die Augen. So ein Mist! Vor lauter Anstrengung hatte mein Schwanz angefangen zu zittern, was schließlich auch die Maus aufschreckte. Blitzschnell flitzte sie davon. Ich rannte ihr hinterher, so schnell wollte ich nicht aufgeben. Ich rannte und rannte, die Maus war schon längst über alle Berge, aber ich konnte einfach nicht aufhören zu rennen. Mein ganzer Frust musste raus und so lief ich solange bis sich der Wald vor mir plötzlich teilte und ich auf einer großen Wiese stand. Völlig außer Atem blieb ich stehen. Mir wurde gar nicht bewusst, dass ich den Weg verlassen hatte und blindlings durch den Wald gestürmt war ohne darauf zu achten wohin ich lief. Freude durchströmte meinen Körper als ich erkannte wo ich gelandet war. Vor meinen Augen spielten ein paar Kinder Fußball. Ich war an der großen Wiese an der Hauptstraße rausgekommen, nicht weit von dem Wohnblock entfernt wo mein Freund lebte. Durch die Freude vergaß ich auch meinen Hunger. Ich musste so schnell wie möglich meinen Freund sehen und ihm erklären wer ich war. Auch wenn ich noch gar keine Idee hatte wie ich das anstellen sollte.

Ich entschied mich diesmal nicht im Gebüsch zu warten, sondern direkt vor der Haustür. Er sollte mich diesmal richtig wahrnehmen und sich nicht vor mir erschrecken. Schon von weitem erkannte ich meinen Freund. Aber ich erschrak, schon sein Gang verriet mir wie schrecklich es ihm ging. Als er immer näher kam erkannte ich die tiefen Augenringe und die blasse Haut. Seine Schultern hingen. Wieso war mir das nicht schon letztes Mal aufgefallen? Wieder überkamen mich Schuldgefühle, aber ich schüttelte sie schnell ab. Ich rief mir meine Aufgabe in den Kopf und schritt mit hoch erhobenem Kopf auf ihn zu. Ich strich ihm um die Beine und er bückte sich um mir über den Rücken zu streicheln:"Hallo du. Ich habe dich schon lange nicht mehr gesehen." Er lief weiter Richtung Haustür, diesmal würde ich mich nicht so leicht abschütteln lassen. Er blickte ein paar Mal zu mir runter, er schien verwirrt zu sein, dass ich ihm so hartnäckig folgte. Und wieder schaffte er es, sich so durch die Haustür zu drücken, dass ich nicht mit hindurch schlüpfen konnte. Aber als die Haustür ins Schloss fiel, fing ich einfach lautstark an zu miauen. Und ich würde erst aufhören wenn er mich mit in die Wohnung nahm. Es dauerte eine ganze Weile bis sich die Tür wieder öffnete und mein Freund seinen Kopf hindurchstreckte. Er seufzte:"Wenn das rauskommt, dass ich dich mit in die Wohnung genommen habe bekomme ich sicher riesen Ärger. Aber ich würde sicher noch mehr Ärger bekommen wenn du die nächsten drei Stunden die Nachbarschaft zusammen miaust." Er hielt mir die Tür auf und ich schlüpfte schnell hindurch. Ja! Ich hatte es geschafft! Ich war im Hausflur!

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