One shot: One hit

Das betrunkene Mädchen und der Wolf

Er saß nun schon eine ganze Weile auf der Bettkante; neben ihm die noch immer wie tot aussehende Isobel, zumindest hatte sie so ihre Freundin genannt. Diese war nun auch schon eine ganze Weile verschwunden, wahrscheinlich wurde sie von Benjamin in irgendein Zimmer gezerrt. Nathan hatte von Anfang an gespürt, dass Benjamin hinter ihr her war. Das hatte man nicht nur an den Blicken erkannt, die er ihr zugeworfen hatte, sondern auch an seiner ganzen Körpersprache. Als Leyla wegen Isobel herumgezetert hatte, hatte Ben ihren Duft geradezu inhaliert und sein ganzer Körper hatte sich angespannt; darauf reagiert, wie es nur ein Gestaltwandler konnte, der etwas wollte. Besitzen wollte.

Sein Blick wanderte wieder zu Isobel, sie sah ganz bleich aus. Allem Anschein nach wurde sie von irgendeinem Kerl abgefüllt, zumindest hatte sie irgendetwas in dieser Richtung erzählt. Ob so eines Verhaltens konnte Nathan nur den Kopf schütteln. Man sollte Frauen nicht auf so eine Art und Weise herumkriegen wollen, das hatte einfach keinen Stil und war absolut unangebracht.

Er schob ihren Pony etwas zur Seite, der fast schon zu lang war. Sie war schön. Keine klassische Schönheit, sondern interessant schön. Viele Sommersprossen zierten ihre Wangen und die kleine Stupsnase. Ihre von Natur aus feuerroten Haare gingen ihr ungefähr bis zu den Schultern und sie hatte einen geraden Pony. Vorhin hatte Nathan ihre hellen, strahlend blauen Augen gesehen, die schon etwas glasig waren, da sie zu viel Alkohol intus hatte.

Nun da sie beinahe komatös vor ihm lag und ihre vollen, rosigen Lippen etwas geöffnet waren, konnte er nicht umhin ihren Körper eingehender zu betrachten. Sie war fast so groß wie Leyla, wenn sie sich dann mal gerade hinstellte und nicht von einer Wand zur anderen torkelte, um sich abstützen zu können. Und Bens Angebetete war schon abnormal groß für einen Vollmenschen; fast eins achtzig. So groß wie die meisten männlichen Vollmenschen. Zudem waren beide gerade mal Anfang zwanzig, schätzte er. Wenn man die beiden zusammen auf der Straße sehen würde, stachen sie wahrscheinlich genauso aus der Menge heraus wie Benjamin. Der Junge war aber auch riesig, selbst für einen ausgewachsenen Bären. Insgeheim freute sich Nathan schon auf das Training mit ihm. Es würde bestimmt interessant werden.

Sie fühlte sich elend. Ihr Magen rumorte schon seit einiger Zeit und gab einfach keine Ruhe. Zudem vernahm sie dieses dumpfe Klopfen in ihrem Kopf als würde jemand in regelmäßigen Abständen einen Meißel hineinjagen wollen. Ein Wimmern drang zwischen ihren Lippen hervor. Jemand sollte diese beschissenen Kopfschmerzen vertreiben, die sie plagten. Was war eigentlich passiert, dass sie so etwas verdient hatte?

Er hatte sofort gemerkt, dass sie wach war, als sie sich bewegte. Isobel wurde langsam unruhig und sein außerordentlich gutes Gehör vernahm sofort die Geräusche, die ihre Bewegungen verursachten.

„Hey, ist dir schlecht?", fragte er sanft und mit ruhiger Stimme. Sie hatte bis auf ihre Bewegungen oder das Wimmern noch nichts von sich gegeben, doch nun schlug sie überrascht und erschreckt diese funkelnden blauen Augen auf und sah in seine Richtung. Dabei setzte sie sich schlagartig auf, stöhnte dann allerdings vor Schmerz auf, schloss ihre Augen und hielt sich den Kopf.

„Langsam", sagte er ruhig, aber dennoch mit tadelndem Unterton.

„Mir geht's gut, außer dass sich mein Kopf anfühlt als würde er gleich aufplatzen", gab sie letztendlich gequält von sich.

„Ich denke, das ist normal, nachdem du dich durch sämtliche alkoholische Getränke durchprobiert hast", gab er seufzend von sich und sah ihr dabei zu, wie sie ihre Hand von ihrem Kopf löste und ihn daraufhin verwundert ansah.

Sie sah sich wenig später in dem kleinen Schlafzimmer um, und fragte dann noch immer total verwirrt, dass sie sich in so einer Situation wiederfand: „Wo sind wir eigentlich?" Und dann sah sie ihn an; runzelte nachdenklich die Stirn. „Und wer bist du?"