Als erstes gönnen wir uns im stillen Einvernehmen einen Moment der Ruhe. Das sanfte Licht des Nachmittags strahlt auf unsere Gesichter und ich genieße die vollkomme Zufriedenheit und Stille, die gerade herrscht. Minuten vergehen. Ich beobachte das Herbstlaub, das durch die Luft gewirbelt wird. Schließlich schaffe ich es irgendwie, den Anfang zu machen. "Ich hab keine Kraft mehr...", ich stehe von der Langbank auf, "ich hab einfach keine Kraft mehr, dich zu hassen. Dich... oder vielleicht auch nur deine Liebe....". Erschöpft lehne ich mich gegen die nächstbeste Wand. Sam schaut mich traurig an. "Ich hab auch keine Kraft mehr, Inga." Dich zu lieben, trotz allem... ist so kraftraubend..! ". Mich zu lieben, trotz allem? In mir steigen tausend Befürchtungen auf. Wird Sam etwa versuchen mich "rumzukriegen"? Als hätte sie meine Gedanken gelesen kommt auch prompt eine Antwort. "Inga... versteh mich nicht falsch... mein Verstand weiß längst, dass der einzige Weg aus dieser vertrackten Situation ist, mich zu entlieben. Aber das ist alles andere als einfach, das kannst du mir glauben!" Sie steht auf und bewegt sich langsam zu mir. "Ich werde alles in meiner Macht stehende tun, damit es vielleicht irgendwann wieder so wird wie am Anfang. Alles...".
Sie steht jetzt direkt vor mir. Ich sehe in ihre hübschen braunen Augen, aus denen der Glanz gewichen ist. "Ehrlich gesagt...", ihr Blick gleitet auf irgendeinen Punkt in der Wand, der nur für sie sichtbar ist, "...ist es sogar ziemlich schwer...". Gerade ist einer jener Momente, in denen man wie in Trance ist. Man denkt nichts, man fühlt nichts, man bekommt nichts mit... Jedenfalls ist das Nächste, was ich aktiv mitbekomme etwas Kaltes auf meiner Wange. Etwas Kaltes? Ähm... Was zum Teufel macht Sams Hand AN MEINER WANGE?!? Mein Puls beschleunigt sich innerhalb von Sekundenbruchteilen auf Rekordhöhe. Und ehe ich irgendeinen vernünftigen Gedanken fassen kann, machen sich meine Reflexe selbstständig.
"Au!" schreit Sam und starrt mich überrascht an, während sie ihren vermutlich schmerzenden Arm umklammert. Ich starre zurück, Tut mir leid, versuche ich ihr zu vermitteln. Doch das darf ich jetzt nicht sagen, sonst versteht Sam nicht, was ich ihr sagen will. "Sam.", sage ich bestimmt, "Reiß. Dich. Zusammen. Wenn das hier und generell mit uns wieder etwas werden soll muss dein Kopf, zumindest für ne Weile, die Kontrolle über dein Herz haben. Das ist viel verlangt, ich weiß, aber ich sehe keinen anderen Weg." Tief durchatmen. Sam hat sich weggedreht... Unschlüssig stehe ich herum und warte darauf, dass meine Freundin etwas sagt. "Verdammt! Du hast leicht Reden! ", ruckartig drehte sie sich um, "Was bitte versuche ich denn von Anfang an? Ich habe mit mir gerungen, öfter und heftiger als du dir vorstellen kannst und es war ganz und gar nicht spaßig! Was dabei herausgekommen ist weißt du ja!" Offenbar hatte sie sich jetzt erst richtig in Rage geredet. "Glaubst du wirklich ich wüsste nicht, dass ich meine Gefühle unter Kontrolle bringen muss?! ", mittlerweile schreit sie fast während ich angestrengt versuche cool zu bleiben, " Es! Klappt! Einfach! Nicht! Verdammt!". Verletzt schaut Sam mich an. "...verdammt..." flüstert sie leise und dreht sich weg. Hast du ja wieder toll hingekommen, Inga! Gaanz prima. Und jetzt?
Es gibt keine Worte, die ausdrücken, was ich gerade fühle. Ich bin enttäuscht, traurig, wütend, alles auf ein Mal! Und es tut mir einfach alles so unsagbar Leid. Plötzlich verspüre ich den Drang, Sam in die Augen zu sehen, ihr zu vermitteln, dass ich das alles doch genauso wenig wollte wie sie. Also gehe ich auf sie zu, langsam, weil ich mir, um ehrlich zu sein, nicht sicher bin, ob ich sie nicht besser einfach lassen sollte. Trotzdem, ich muss das machen. Vor ihr stehend suche ich ihren Blick. Zuerst sieht sie weg, doch nach ein paar Sekunden richtet sie schließlich ihre Augen auf mich. „Es tut mir Leid", flüstere ich leise aber fest in die Stille. Dennoch fühle ich mich, als könnte ich jeden Moment zerbrechen, während ich auf irgendeine Reaktion von Sam warte, die mich einfach weiterhin durchdringend ansieht. Das hier kann noch nicht das Ende sein. Gott hat mir Sam nicht geschickt damit wir uns, jetzt, nachdem alles so vielversprechend angefangen hat, schon wieder trennen! Es muss einen Weg geben. Es gibt einen Weg. Und wie auf ein Stichwort antwortet Sam endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit. „Okay.", der Ansatz eines Lächelns schleicht sich auf ihre Lippen und mir scheint es, als kehrte ein bisschen von dem Glanz in Sams Augen zurück. „Lass es uns versuchen."
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Together oder wie man lernt, ohne Flügel zu fliegen
Teen FictionTamara, Sam und Inga treffen in der 10. Klasse das erste Mal aufeinander. Obwohl sie völlig unterschiedlich scheinen, verstehen sie sich gleich ziemlich gut. Und schneller, als sie je geglaubt hätten entsteht zwischen ihnen eine Freundschaft, die je...