Der Wandel

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"Heute kommt er!", rief ich erfreut, als ich am nächsten morgen in die Küche kam. "Wer, Spätzchen?", fragte Dad. "Er?!", quickte Mum. Ich lachte. "Mo! Er durfte wieder an unsere Schule wechseln! Ist das nicht Klasse?"
Man konnte regelrecht erkenne wie Mum enttäuscht die Luft ausstieß. Dad hingegen schien erleichtert. " Tut mir Leid, Mum." "Hauptsache du findest den Richtigen.", sagte sie und strich mir übers Haar.
Ich lächelte sie an. "Danke!" Sie nickte und betrachtete mich. "Trotzdem könntest könntest du etwas tun, um es etwas zu beeinflussen. Wenn du einen Push-Up BH trägst und einen größeren Ausschnitt und etwas Schminke aufträgst,dann...", weiter kam die nicht, denn Dad unterbrach sie entrüstet: "Lucy! Unsere Tochter ist hübsch genug. Mach sie nicht zu einer Hure!"
Mum fuhr herum. "Ich trage einen Push-Up BH, einen tiefen Ausschnitt und Schminke. Willst du damit sagen, dass ich eine Hure bin?"
Fettnäpfen, Dad! Ich packte meine Schultasche und rasste aus dem Haus. Ich hörte noch wie Dad rief: "Was? Nein! Du bist sexy und absolut heiß. Und du weißt was das bei mir auslöst, aber ich will nicht, dass ein Typ das von Lydia will, was ich von dir will."
Ich wusste schon wie das Gespräch enden würde. Igitt. Warum mussten meine Eltern überhaupt noch ein so ausgeprägtes Sexleben haben? Ich meine gut, sie waren erst siebenunddreißig, aber trotzdem. Was konnte ich dafür, dass sie mich schon mit zwanzig bekommen hatten?
In letzter Sekunde erwischte ich den Bus. Was lief ich auch immer so langsam, wenn ich nachdachte?! Gestern war ich Seijas Fragen knapp entkommen, doch heute würde ich mich stellen müssen. Ich ergab mich meinem Schicksal und setzte mich neben sie. Doch entgegen meiner Erwartungen began sie über ihre Theaterstunde gestern zu reden. Verständlich. Ich hörte ihr aufmerksam zu und lachte, als sie mir erzählte wie Josh aus der zehnten von der Bühne gefallen war, als er Helena aus der elften hinterher geglotzt hatte, nachdem sie ihm das Kostüm gerichtet hatte. Und jubelte so laut, wie es angemessen war, als Seija am Ende meinte: " Oh und ich hab die Hauptrolle bekommen."
"Wie hast du das geschafft?", fragte ich neugierig. "Ich hatte die Lehrerin darum gebeten und sie meinte ich solle vorspielen. Es war noch niemand von den anderen da gewesen, aber als ich geendet hatte, war sie begeistert gewesen. Also bekam ich die Rolle. Alle anderen fandes es in Ordnung. Es gibt ja noch drei weitere Stücke nach diesem hier in diesem Jahr und es ist mein letztes Jahr. Die sind da alle voll lieb."
"Ich freue mich rießig für dich! Ehrlich. Du hast es verdient. Und offensichtlich bist du auch wirklich gut." Sie umarmte mich zum Dank.
Als wir an der Schule ankammen, sahen wir Mo schon auf dem Parkplatz auf uns warten. Sobald der Bus stand, jagten wir hinaus. Seija war schneller als ich und warf sich ihm um den Hals.
"Ich habe dich so vermisst!" Mo drückte sie an sich und meinte: "Und ich euch erst. Es gibt eben keine anderen, die so sind wie ihr." Ich grinste. "Ist doch klar. Jeder Mensch ist einzigartig! Es sei denn das hat sich neuerdings geändert."
Mo und Seija lösten sich von einander. "Wie habe ich diesen Sarkasmus vermisst!" Mo drückte mich fest an sich.
Als ich über seine Schulter sah, sah ich Demian, der gerade von seinem Motorrad stieg und mich anssah. Sein Gesicht war bis auf eine steile Falte über seinen Augen unbewegt und ausdruckslos. Er zerrte den Helm vom Lenkrad und machte sich auf den Weg zu den Schließfächern. Dabei wurde er von einer Gruppe kichernder Barbies aufgehalten, die mit den Augen klimperten und bei jedem Wort von ihm kicherten. Eine legte die Hand auf seine Brust und lächelte ihn an, wobei sie ihm ihre Brust entgegen streckte. Demian lächelte sie an. Gerade als er etwas zu ihr sagte und seine Hand auf ihre legte, löste Mo sich von mir und versperrte mir somit die Sicht.
"Wie waren die letzten Jahre ohne mich?",fragte er grinsend. "Langweilig!",meinte Seija und ich nickte. "Als würde ein schwuler Mo mit blonden Wuschellocken fehlen!"
Seija schüttelte nur lachen den Kopf, aber Mo fragte sofort: "Wo ist eigentlich Tyler?" Seija und ich sahen uns um. "Dort.", sagten wir gleichzeitig und zeigten zu einem der Tische, an denen wir in den Mittagspausen Essen konnten. Tyler stand dort mit anderen Schwulen und Lesben , die zu seiner Clique gehörten.
Mo setzte sich sofort in Bewegung. Als Tyler ihn erblickte breitete sich ein Lächeln auf seinen Lippen aus. Er ging Mo entgegen und als sie sich trafen, küssten sie sich, als wären sie nie getrennt gewesen. Dabei hatten sowohl Tyler als auch Mo in den letzten drei Jahren schon etliche Freunde gehabt. Alle umstehenden begannen zu jubeln, als sie das sahen, was daran lag, das Tyler einer der beliebtesten Jungen der Schule war.
Ich sah zu Demian, der noch immer bei den Barbiepuppen stand, sich jedoch etwas von ihnen distanziert hatte. Gerade sah er auf und als er sah wer sich da küsste, klappte ihm regelrecht der Mund auf. Sein Kopf fuhr zu mir herum, aber ich hatte da schon losgelacht. Seine Reaktion war auch zu blöd gewesen. Hatte er noch nie ein Schwulenpaar gesehen, dass sich küsste. Das war an unserer Schule fast alltäglich. Seine Augen funkelten mich wütend an und ich versuchte meine Lachattacke unter Kontrolle zu bekommen, doch er drehte sich auf dem Absatz herum und ging davon.
Die Barbies waren empört , dass er ihre Aufmerksamkeit nicht wertschätze und ganz offensichtlich nicht genossen hatte, also machten sie sich auf den Weg zu ihrem nächsten Opfer.
Ich wandte mich wieder Mo und Tyler zu. Endlich hatten sie sich voneinander gelöst und umarmten sich fest. Seija und ich sahen uns an. "Das muss die große, wahre Liebe. Sie kommen eben immer wiede auf einander zurück. Sie können einfach nicht ohne den anderen."
Ich nickte und betrachtete die glücklichen Gesichter der beiden und schmunzelte. "Die Liebe ist eine wundervolle Sache und wenn man den Richtigen oder die Richtige gefunden hat, dann merkt man das und diese eine Person sollte man niemals gehen lassen. Dein Herz singt dann die ganze Zeit und du fühlst dich, als könntest du gleichzeitig weinen und lachen und den Körper scheint einfach viel zu klein für die ganzen Gefühle und all die Liebe. Die Liebe führt dich, wie eine Stimme in deinem Herzen und du scheinst fast zu explodieren. Es ist als würdest du fliegen. Es ist wundervoll. ", murmelte ich vor mich hin. Seija starrte mich an. "Was?", fragte ich. "Nichts. Es ist ... nichts.", sagte sie und schmunzelte. Ich ignorierte sie und betrachtete wieder Mo und Tyler, die sich inzwischen aufgeregt miteinander und anderen unterhielten.
In dem Moment klingelte es und alle verstreuten sich.
Die nächsten sechs Stunden zogen sich schleppend hin. Wir hatten kaum Zeit zu reden und man konnte deutlich merkten, dass Mo drauf brannte uns alles genau zu erzählen.
In der Mittagspause setzten wir uns an unserem alten Tisch und Mo platzte los. Er schilderte uns fast jedes Wort.
Was das "Reden, wie ein Wasserfall" anging, so stand er Seija in nichts nach. Im Gegenteil. Gegenüber ihm war Seija noch harmlos. Gerade als er uns erzählte, wie Tyler allen verkündet hatte, dass er und Mo ab nun wieder zusammen sei würden, sah ich Demian aufspringen, der bis dahin alleine und telefonierend an einem Tisch gegessen hatte. Ich erhaschte einen Blick auf sein Gesicht und erschrack. Er schien zu weinen.
Ich sprang ebenfalls auf. "Tut mir Leid, Leute. Ich habe mein Handy in einem der Klassenräume vergessen. Ich muss es schnell holen. Ich bin gleich wieder da." Schnell folgte ich Demian, doch ich hatte ihn aus den Augen verloren. Warum zum Teufel war ich überhaupt aufgesprungen? War es nicht sein Problem, wenn er heulte. Und warum hatte ich Seija und Mo nicht die Wahrheit gesagt? Ich stand inzwischen im Gang der verstopfen und kaputten Toiletten. Wie immer war der Gang menschenleer. Hier kam niemand her. Es stank und man konnte nicht mehr auf Toilette gehen. Außerdem war dieser Teil der Schule von den restlichen Klassenzimmern und Räumen weit entfernt. Ein Fehler in der Konstruktion, aber Vorteilhaft für den Rest der Schule, seit es hier so stank.
Ich wollte gerade wieder zurück zu den anderen, als ich Demians Schultasche neben der Tür der Jungentoilette sah. Woher wusste ich wie seine Schultasche aussieht?! Wieso habe ich mir das gemerkt?!
Langsam ging ich auf die Tür zu. Ich wollte da doch nicht etwa hinein gehen?
Vorsichtlich öffnete ich die Tür. Doch, wollte ich.
Ich fand Demian auf eines der Waschbecken gestützt, schwer atmend. Seine Hände krallten sich so fest an das Waschbecken, dass seine Knöchel weiß hervor traten. Tränen flossen aus seinen eisblauen Augen seine Wangen hinunter und seine rabenschwarzen Haare standen nach allen Seiten ab, als hätte er sie verzweifelt gerauft. Der Spiegel vor ohm war zerbrochen, als hatte eone Faust einmal heftig auf ihn eingeschlagen.
Als ich herein kam, sah er hoch und wischte sich die Tränen ab. Seine Augen funkelten mich wütend an.
"Was willst du?"

Ja. Was wollte ich eigentlich. Warum war ich ihm nach gerannt? Warum interessierte ich mich dafür, ob es ihm gut ging oder nicht? Warum tat er mir Leid? Warum wollte ich umbedingt, dass er mich wieder so dämlich blöd angrinste, anstatt, dass es ihm so ging?
Warum war ich hier? Was wollte ich?

Bevor ich überhaupt auch nur eine Antwort auf diese Fragen hatte, setzte sich mein Körper schon in Bewegung und ging auf ihn zu. Jetzt erst wurde mir bewusst, dass er fast einen ganzen Kopf größer war als ich.
Ich legte meine Hand in seinen Nacken und zog ihn zu mir herunter, in eine Umarmung. Er versteifte sich und auch ich war ziemlich unbeholfen. Aber es fühlte sich gut an. ER fühlte sich gut an. Was?!
Seine steinharten Rücken- , Arm- und Brustmuskeln und seine Wärme gefielen mir. WAS?!
Gerade als ich dachte, dass er mich gleich wutentbrannt wegstoßen würde, schlang er seine Arme um mich. Jetzt war er es, der mich umarmte, denn einer meiner Arme war zwischen meiner und seiner Brust eingeklemmt und die andere lag ihm noch immer im Nacken. Er zog mich fest an sich, wobei mich seine Arme und breiten, ebenfalls muskulösen, Schultern hingegen regelrecht zu umschließen schienen.
Ich wusste, dass er nicht mehr weinte, aber ich wusste, dass er eine Umarmung gebraucht hatte.
So standen wir wenige Minuten da, dann löste er sich von mir. Er räusperte sich und fuhr sich verlegen durchs Haar. Schüchtern sah er zur Seite und bat mich: "Bitte frag nicht was los ist. Ich will nicht darüber reden."
Ich nickte. Was blieb mir auch anderes übrig? "Worüber willst du den reden?"
Was für eine blöde Frage! Über nichts wahrscheinlich! Er wollte höchst wahrscheinlich einfach nur seine Ruhe und allein sein.
Er betrachtete mich eine Weile und schien zu überlegen. Er holte tief Lust und meinte dann: "Ich weiß es nicht."
"Und ich dachte es käme jetzt endlich etwas produktives."
Er lächelte mich schief an. "Genau das ist es was ich so an dir mag."
Hatte ich mich da gerade verhört?
Ich sagte nichts und starrte ihn nur an. Er kratzte sich verlegen im Nacken. "Ich meine. Du bist nicht wie die anderen Mädchen. Du bist... eine Tigerin! Sarkastisch. Kratzbürstig. Ehrlich. Du sagst immer deine Meinung. Da können sich die anderen auf den Kopf stellen. Du wirst deine Meinung nicht für sie ändern. Das gefällt mir halt."
"Das nennt man auch stur, frech und hochnässig. Aber gut. Immer hin haben wir jetzt ein Gesprächsthema.", murmelte ich. WAS für eine blöde Antwort! Wie konnte man bloß auf ein so süßes Kompliment SO eine Antwort geben?!
Er grinste jedoch. "Sag ich doch." Darauf fiel mir nichts ein und ich sah zu Boden, wobei ich nicht anders konnte und lächeln musste.
"Sehe ich das richtig? Die Tigerin LÄCHELT?!", fragte er und lachte kurz auf. "Gewöhn dich nicht dran!", knurrte ich.
WAS ist mit mir los?
Demian wollte gerade antworten, da klingelte es. Ich schreckte zusammen. "Der Kurs bei Mrs. Rain!" Entsetzt rasste ich aus der Toilette. Ich hörte wie Demian mir folgte. Wir jagten durch die Gänge und schlitterten in allerletzter Millisekunde in den Klassenraum, bevor Mrs. Rain die Tür schloss.
"Nächstes Mal bleibt ihr zwei draußen. Kommt ihr nur noch ein einziges Mal zu spät oder so spät, müsst ihr erst garnicht mehr kommen. Dann könnt ihr in eurer neu gewonnenen Freizeit tuhen..." Sie betrachtete uns. "Was auch immer ihr da so tut. Und jetzt setzt euch und legte eure Hausaufgabe auf meinem Tisch ab."

Der Kuss von Feuer und EisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt