Flügelkontrolle Teil 2

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Ich hatte tatsächlich ein paar Fragen.

"Wieso spühre ich die Flügel nicht, obwohl sie doch da sind?"

Es war Kathrin, die antworte. "Das ist normal. Du siehst sie, aber sie kommen erst wirklich heraus, wenn du sie brauchst. Den Rest der Zeit siehst du nur ihre Umrisse. Sie  befinden sich an dir, werden aber immer ganz leicht, unsichtbar und so dünn wie Papier."

Ich nickte. Klang plausibel. "Warum kamen die Flügel jetzt? Ich dachte sie kommen erst, wenn ich mein Engeldasein akzeptiert habe?"

Dieses Mal antwortete mein Gegenüber: "Das ist der Normalfall, aber es kam schon häufig vor, dass Engel ihre Flügel bekamen, als sie schutzbedürftig waren. Die Flügel der Engel sind stark und können als Waffe eingesetzt werden. Schlägt man sie kräftig, kann ein erwachsener Mann umgestoßen werden oder rammt man jemanden mit den Flügeln, kann man denjenigen sogar bewusstlos schlagen. Bei dir war es wohl so, dass du etwas oder jemanden gebraucht hast, der dich beruhigt, dir deine Freiheit wiedwr gibt und dich stärkt und beschützt. Alles das verkörpern die Flügel. Also sind sie erschienen."

Wieder nickte ich. "Können normale Menschen meine Flügel sehen?", fragte ich weiter. "Nein.", meinte Norbert knapp und ich fuhr mit meiner nächsten Frage fort: "Wieviel darf ich meinen Freunden sagen?"

Kathrin lächelte mich bei der Frahe offen an. "So viel du willst. Sobald sie dir gefährlich werden könnten, werden Schutzengel kommen und ihre Gedächnisse löschen. Das passiert aber nur, wenn sie sich gegen dich stellen wollen. Die Frage müsste eigentlich lauten: Werden sie dir glauben?"

Ich zuckte die Achsel. Das würde sich dann herausstellen.

"Hast du sonst noch Fragen?", fragte mich Norbert. Ich überlegte kurz. "Im Moment nicht."

"Gut, dann kommt mit. Wollen wir mal kontrollieren wie stark und gesund deine Flügel sind."

Er stand auf und führte uns aus seinem Büro einige Flure entlang, bis wir in einen großen Raum traten.

Norbert reichte mir ein Headset. "Setzt es auf und folge meinen Anweisungen. Kathrin und ich sind in dem kleinen Raum dort.

Dann nahm er selbst zwei für sich und Kathrin und sie verschwanden in einem kleinen Nebenraum, durch dessen Fenster sie mich beobachten konnten.

Ich setzte also das Headset auf und hörte sofort sie Norbert mich bat mich in die Mitte des Raumes zu stellen. Ich tat ihm den Gefallen.

"Dir kommen jetzt einige Dinge entgegen geflogen. Schlag sie nit deinen Flügeln weg.", hörte ich Norbert wieder.

Ich nickte zum Zeichen, dass ich verstanden hatte und bereit war und sofort schoß etwas auf mich zu.

Ohne groß nachzudenken erschienen meine Flügel und ich schoß in die Luft. Ich peitschte das Teil gekonnt weg. Es wirbelte einige Meter durch die Luft und bleib dann irgendwo liegen.

So ging das noch eine Weile weiter und ich fühlte mich, als würde ich rasendschnell auf einen Boxsack einprügeln.

Irgendwann hörte es auf und ich hörte Kathrin sagen. "Gut gemacht. Jetzt kommt gleich ein simulierter Sturm. Versuch darin so ruhig und stetig zu fliegen, wie du kannst."

Ich nickte wieder. Keine Sekunde später wirbelte mich ein Windsturm herum. Mist. Das kam plötzlicher, als ich erwartet hatte. Blitzschnell brachte ich mich in die vertikale zurück und schlug rhythmisch mit den Flügeln, um mich auf der Stelle zu halten. Es funktionierte.

So musste ich noch durch mehrere Übungen, bis Kathrin und Norbert mir endlich sagten, dass ich wieder landen konnte.

Eigentlich müsste ich außer Atem sein, doch ich fühlte mich nicht müder als vor dem Test.

Kathrin kam aus dem kleinen Nebenzimmer heraus und grinste mich an. "Ich sehe deine Flügel sind so gut wie eh und je. In einigen Tagen wirst du so stolz auf sie sein, dass du mir auf die Nerven gehen wirst. Wie schon die letzten Jahrhunderte."

Ich lachte, umarmte sie und küsste sie auf die Wange. "Und du wirst mich aushalten, wie dus offensichtlich all die Zeit getan hast."

Kathrin grinste und nickte. "Wie wahr."

Da trat Norbert hervor und betrachtete uns. "Ihr versteht euch ziemlich gut. Wie lange kennt ihr euch schon?"

Neugierig blickte ich ebenfalls Kathrin an, die kurz zu überlegen schien.

"3472 Jahre inzwischen glaube ich." "Fuck! Ich bin doch nicht so alt!", rutschte es mir raus. Kathrin grinste. "Stimmt. Deine Seele ist sogar schon 3496 Jahre alt. Ich hab dich kennengelernt, da war deine Seele kaum 26. Ziemlicj lange schon, was?"

Entgeistert sah ich Kathrin an, die ihre Hand sanft in meinen Nacken legte. "Keine Sorge. Engel altern nicht. Und du siehst als Engel verdammt gut aus."

Ich spürte wie ich leicht rot wurde und sich ein dämliches Grinsen auf meine Lippen legte. "Danke, Miss Rain."

Kathrin grinste mich nur an. Da meldete sich Norbert wieder zu Wort. "Okay. Das ist ein wenig verwirrend." Er machte eine kreisende Handbewegung in unsere Richtung und fuhr dann fort: "Aber wie dem auch sei: Lydia deine Flügel sind außergewöhnlich stark und definitiv gesund. Test mit Bravour bestanden."

Ich grinste breit. Oh ja. Ich war stolz. Aus den Augenwinkeln sah ich wie Kathrin ihre Augen verdrehte und musste lachen.

Wir gingen zurück in Norberts Büro und erledigten noch ein bisschen Papierkram, dann folgte ich Kathrin wieder zu ihrem Auto.

Sie blickte mich nachdenklich an. "Was?", fragte ich, doch sie winkte ab. "Unwichtig. Du wirst es eh gleich sehen."

Ich zuckte die Achseln und stieg ein. Kathrin tat es mir gleich.

Keine zehn Minuten später waren wir auf der Autobahn irgendwo hin. Kathrin gab Gas und grinste zufrieden, als der Motor dunkel aufheulte.

Ich betrachtete sie von der Seite. Irgendwie bewunderte ich sie. Sie war so locker und immer gut gelaunt. Sie schien alles mit einer Leichtigkeit erledigen zu können.

Kathrin bemerkte meinem Blick und lächelte mich sanft an. "Kannst du eigentlich auch meine Gedanken lesen?", fragte ich sie.

Da grinste Kathrin fies. "Kann ich...  Aber nur, wenn ich es bewusst will. Und ich will es nicht. Es sind deine Gedanken und die gehen mich nichts an!"

Erst war ich erschrocken gewesen, doch ich vertraute ihr voll und ganz, dass sie ihr Wort einhielt.

"Wo fahren wir eigentlich hin?", fragte ich nach einer Weile. Am Horizont begann die Sonne schon unter zu gehen.

"Siehst du gleich. Wir sind bald da.", sagte sie und fuhr von der Autobahn herunter. Nun befanden wir uns auf einer Straße, die rechts und links von dichtem Wald umgeben war.

Das gefiel mir garnicht und ich rutschte tiefer in meinen Sitz. Bilder von Vergewaltigern und Mördern kamen in mir hoch und ich biss mir auf die Lippe.

"Hör auf dich sowas zu denken. Das ist kindisch.", ermahnte mich mein Unterbewusstsein. Doch ich konnte nichts für meine Angst.

Kathrin spürte meine Unruhe und legte eine Hand beruhigend auf meinen Oberschenkel. Sofort ergriff ich sie und hielt sie fest.

Erst als wir aus dem Waldabschnitt heraus waren, beruhigte ich mich und gab Kathrins Hand frei. Sie strich mir noch einmal sanft übers Bein und konzentrierte sich dann wieder ganz auf die Straße. Nun jagten wir auf den Horizont zu. Und dort befand sich das Meer.

Ich war schon so lange nicht mehr am Meer gewesen. Unwillkürlich musste ich lächeln. Das Bild der untergehenden Sonne, dass sich uns bot, war unglaublich schön.

Ich spürte Kathrins Blick auf mir und drehte mich zu ihr um.
Sie grinste mich an und öffnete den Mund zu einer Frage.

Der Kuss von Feuer und EisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt