Ich nahm mein Handy und wählte Tobins Nummer. Nach nur drei Mal tuten ging er ran. Er fragte was los sei und warum ich ihn an einem Sonntag anrufen würde ich antwortete ihm nur dass er sofort zur steinernen Brücke kommen soll. Nach nicht einmal 15 Minuten war er da. Er stellte sich neben mich und betrachtete das Kunstwerk. Mit leise Stimme fragte ich ihn: „Was glaubst du würde er dazu sagen?". Tobin begann leicht zu lachen und versuchte mit einer schlechten Imitation der Stimme meines Bruders zu antworten. Er sagte: „Dieses Kunstwerk ist wirklich atemberaubend, aber ohne meine super Vorlage und der Vorarbeit hättest du es nie geschafft Zwerg." Ich begann zu lachen. Genau so hätte mein Bruder geantwortet. Er hätte bezweifelt das ich das allein hinbekommen hätte und mich dann Zwerg genannt. Ja Zwerg war sein Spitzname für mich, seiner kleinen Schwester. Tobin war sein bester Freund seit dem Kindergarten, aber ich war seine beste Freundin seit meiner Geburt. Tobin nahm mich in den Arm und eine Weile standen wir einfach nur so da. Ich vermisste meinen Bruder so sehr. Vielleicht viel es mir deshalb so schwer Zeit mit meinen anderen Geschwistern zu verbringen, meine Brüder erinnerten mich einfach zu sehr an ihn und meine Schwester erinnerte mich zu sehr an mich. Tobin schlug mir vor mit mir gemeinsam an den Strand zu fahren, zu diesem Abgelegenen Stück zu dem fast nie wer hin ging. Mir war klar warum er das wollte, dort würde keiner aus der Schule uns zusammen sehen.
Der Strand war wie erwartet komplett leer. Der Himmel war bewölkt und es war windig. Tobin und ich sahsen im Sand und er hielt meine kalte Hand. Meine Hände waren immer kalt, das lag in der Familie. Aber wie sagt man so schön kalte Hände warmes Herz. Ich blickte nur starr zum Meer und beobachtete wie die Wellen immer größer und größer wurden bis sie brachen. Ich will genauso sein wie diese Wellen. Immer größer werden bis sie sich selbst nicht mehr tragen können und dann brechen. Doch ich bin schon gebrochen. Seit Jahren versuche ich die Einzelteile meiner Seele zu flicken doch es nützt nichts ich bin in zu viele Stücke gebrochen worden. Doch es macht mir nichts mehr, ich habe gelernt damit zu leben, nur bald werde ich lernen müssen damit zu sterben.
Tobin und ich redeten kein Wort, das war mir auch das liebste, ich hasste es zu reden ich schwieg lieber stundenlang und dachte nach. An diesem Nachmittag dachte ich über meine Geschwister nach.
Ed war gerade am College, ich würde ihn warscheinlich nie wieder sehen. Es tat mir weh daran zu denken, wir hatten zwar nie groß eine Bindung zueinander aber er war trotzdem mein Bruder. Würde er mich vermissen?
Ich dachte an meinen kleinen Bruder Alec, er war gerade 12. Er und ich sprachen nie auch nur ein Wort miteinander. Würde er das Bereuen?
Meine Gedanken schweiften weiter zu meinem kleinsten Geschwisterchen, meine sechs Jährige Schwester Emma. Ich hatte mir nie die Zeit genommen mit ihr zu spielen. Würde sie sich überhaupt an mich erinnern?
Meine düsteren Gedanken wurden erhellt als ich am Horizont einen allzu bekannten Rotschopf entdeckte. Doch meine Freude war nicht von Dauer als ich bemerkte dass jemand bei ihm war. Er machte anscheinend einen Strandspaziergang mit Lily, sie war wohl der Grund warum er schon so früh weg musste. Doch das schlimmste war er kam genau in unsere Richtung und das hieß Lily würde mich und Tobin zusammen sehn. Meine Alarmglocken läuteten doch es war zu spät etwas zu unternehmen denn wir wurden entdeckt. Lily kam auf uns zu gelaufen sichtlich unerfreut und fragte mich was „ER" hier zu suchen hätte. Weil ich darauf keine passende Antwort parat hatte endete es in einem Streit bei dem Lily von einem auch nicht erfreuten Michael von mir weggezogen werden musste. Ich verstand Lilys Aufstand normalerweise hätte ich Tobin hassen sollen und er mich auch doch irgendwie war das Gegenteil eingetreten. Aber ich hatte auch keine Lust Lily alles zu erklären, sie würde es sowieso bald erfahren, alle würden es bald erfahren.
Und so wurde dieser Sonntag der Tag an dem ich das Erbe meines Bruders fort geführt hatte, Zeit mit Tobin verbracht hatte ohne Sex zu haben und mir die Freundschaft mit der wohl einzigen Freundin gekündigt wurde die ich je hatte. Doch dieser Sonntag war auch der Tag an dem ich anfangen wollt mit einem der Hauptpunkte auf meiner To Do Liste. Endlich Zeit mit der Familie verbringen.
Auf ein baldiges Wiedersehn im Himmel
Ihre Ann
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Letters to Kurt Cobain
FanfictionAnn weiß genau was sie will. Sie will ihren Leben ein Ende machen. Doch bevor sie das tun kann gibt es noch ein paar Dinge für sie zu erledigen. Und alles was sie tut und denkt schreibt sie auf in Briefen an ihr großes Idol, Kurt Cobain.