KAPITEL 9
Ich starrte die Scheibe an. Dass sie durchsichtig war, merkte ich nicht. Mein Blick hätte auch ohne Barriere nicht weiter gehen können.
Ich war naiv. Ich meine wer ließ sich schon damit abspeisen? Tanner hatte mir gesagt, Graham sei bei seiner Familie.
Krampfhaft überlegte ich. Dachte an Situationen, wo er sich vielleicht verraten haben könnte, doch mir fiel nichts ein.
Er war ein guter Lügner, hatte ein Spiel gespielt und sich sicher darüber amüsiert.
Meine Mama saß schweigend neben mir, doch sie machte auch keine Anstalten loszufahren.
Ich konnte nicht nachhause. Dort lag das Buch verräterisch auf meinem Tisch. Warum hatte ich es noch nicht gelesen?
Tanner hatte mich das auch gefragt. Er hatte mich gefragt, am letzten Abend, ob ich es schon gelesen hätte.
Hatte er Angst ich hätte ihm eine Szene gemacht? Mitten im Rusty's? Dafür war ich nicht der Typ.
Zu minnest war ich dafür nie der Typ. Vielleicht sollte ich mich ändern.
Donner? Ich war kein Donner. Ich war vielleicht eine kleine Windböe. Manchmal. Selten.
„Ich bin der Donner." Flüsterte ich. Reagen war der Regen und ich? Ich war der Donner.
„Donner?" Wiederholte meine Mutter, als würde sie das Wort nicht kennen. „Ich bin der Donner in dem Buch." Erklärte ich, als wäre es logisch und musste doch auch ihr völlig klar sein.
„Klar. Du bist der Donner. Und warum sitzen wir dann hier?" Fragte sie und ich hob den Blick.
Das war eine gute Frage. Eine sehr gute sogar. Doch leider konnte ich sie nicht beantworten.
Ich wusste nicht was ich sagen sollte. Ich wusste ja nicht mal was ich denken sollte.
„Ich meine er hat gesagt, dass er den Donner liebt. Wenn du der Donner bist..." Sie brach ab. Sie hatte es verstanden.
„Ich gehe davon aus, dass wir hier drin sitzen, weil du ihn nicht ganz blöd findest." Wagte sie sich auf dünnes Eis vor.
Leider hatte sie Recht.
Natürlich war ich abgehauen, weil ich ihn irgendwie nicht ganz blöd fand. Doch was wenn ihm in einer Woche einfiel, dass ich ihm zu chaotisch, zu laut, zu launisch, zu viel war?
Zu viel Donner?
Dazu kam noch, dass ich in Berlin lebte. Europa. Deutschland. Aber er lebte dort drüben. Lebte in den USA.
Das alleine war schon ein Grund einfach ab zu düsen und nicht zurückzublicken.
Nach dem Kuss hatte er auch den Schwanz eingezogen. Er hatte gesagt, wir würden das vergessen.
Ich war daran vielleicht nicht ganz unschuldig, doch er würde seine Meinung sicher bald wieder ändern.
Außerdem wollte ich meinen Job ausbauen. Ich wollte ihn nicht gefährden. Ich konnte nichts mit einem Klienten anfangen. Punkt. Aus. Basta.
Es gab so viele Gründe. Er hatte mich angelogen. Ein Spiel gespielt. Das war wohl das schlimmste daran.
Ich hatte es einfach nicht gemerkt.
„Da kommt vielleicht gleich ein Gewitter auf dich zu." Flüsterte meine Mutter und ich sah sie an.
Ihr Grinsen verriet, dass der Wortwitz gewollt war. Haha.
„Ein riesen Donnerwetter." Sie kicherte leise.
Mahnend blickte ich sie an. „Du solltest aussteigen." Teilte sie mir mit und ich schüttelte den Kopf.
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GRAHAM GREEN- Regen und Donner
RomansaTora Wolf ist nicht gerade ein Stern am Verlagshimmel. Sie ist eher die Assistenz, der Assistenz, der Assistenz des Sterns. Eigentlich weiß Tora nicht mal mehr für wen genau sie arbeitet. Sie weiß nur, dass Louise, ihre direkte Vorgesetzte, sie ra...