Verrat

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Die Dunkelheit umhüllte mich, wie eine erbarmungslose Krankheit einen schwachen Menschen befallen würde. Schnell und ohne ein Fleckchen Haut zu verschonen. Die Gipfel der Bäume versperrten mir jegliche Sicht auf den blauen Himmel. Himmel steht für Hoffnung, hier hatte Hoffnung keine Chance lange zu überleben. Dunkelheit erstickte jede Lebensflamme, egal wie stark sie glomm. Irgendwann würde auch ihr der Brennstoff ausgehen. In unserer Gesellschaft konnte keine Unschuld keimen. Sie wurde erbarmungslos niedergetrampelt oder von den Wurzeln an verdorben. Ich schien schon seit Ewigkeiten durch die undurchdringlichen Schatten zu wandern. Immer noch kein Lichtblick. Ich seufzte theatralisch auf und schob meinen Rucksack wieder auf meine Schultern zurück. Langsam bekam ich wirklich Rückenschmerzen. Auch meine Schulter machte mir wieder zu schaffen. Um sie nicht zu sehr zu belasten, schulterte ich meinen Rucksack um und schnallte ihn mir am rechten, unverletzten Arm fest, sodass er nicht einmal verrutschen würde, wenn ich klettern musste. Nach einer weiteren Stunde Wanderung gab ich es beinahe auf und war bei dem Schluss angekommen, dass mich die alten Kiefern eindeutig in ihrer Mitte behalten wollten. Als ich jedoch wieder den Kopf hob, sah ich zu meinem Überraschen einen schwachen Lichtstrahl, der sich durch die Äste gekämpft hatte. Ein Glück, sonst hätte ich wohl oder übel eine Pause machen müssen, um an Kräften zu bleiben. Entschlossenen Schrittes trat ich aus dem Wald heraus. Es kam mir fast so vor, als würden die Schatten nach mir greifen und mich zurück in ihr Gefängnis ziehen zu wollen. Wäre ich nicht mitten in einer Mission hätte ich dem Drang nachgegeben und wäre wieder zurück in das schützende Schwarz gegangen. Hätte mich wieder in den Schatten verborgen. Doch um zu meinem Zielort zu gelangen musste ich meinen Schutz verlassen und über das offene Feld laufen. Ohne zu zögern trat ich noch einen Schritt nach vorne und auch die letzten Schatten fielen von mir ab. Vollkommen sichtbar für jeden Angreifer rannte ich zu einer Anhöhe hinüber. Angekommen duckte ich mich und lehnte mich gegen den scharfkantigen Stein. Erst jetzt viel mir auf, das der Boden auf dem ich stand von zerklüfteten Felsen definiert wurde. Nur der Übergang von Waldrand mit Moosboden zu Klippenoptik war seicht. Ein perfekter Standort eines Tempels für einen paranoiden, reichen, alten Knacker. Nicht leicht durch diese Felsenwüste  und dann auch noch unbemerkt über die offene Waldfläche zu gelangen. Aber auch nicht unmöglich. Jetzt musste ich nur noch den Göttertempel zu meiner Linken erreichen. Hoffnungsvoll spähte ich wieder zu dem Waldrand hinüber, der beinahe das komplette Gelände einzäunte. Tatsächlich. Die Schatten würden mir erneut Schutz vor neugierigen Blicken bieten. Vorsichtig schlich ich auf den Waldrand zu, um dort ein Paar Sekunden zu verharren. Nun hatte ich eine gute Sicht auf den riesigen Tempel. Ein strategisch perfekt aufgebautes Gewirr aus zahlreichen Gängen, gefertigt aus Bambusholz. Im Zentrum ragte eine breitere und längere Hütte auf, welche vermutlich den Gebetssaal und in diesem Fall das Appartement des paranoiden Zielobjekts meiner Mission darstellte. Genauso konstruiert, wie ich es vor zwei Stunden als Grundriss studiert hatte . Halt! Wenn mir jedoch diese Informationen zur Verfügung standen musste sie zuvor auch jemand beschafft haben...Abrupt blieb ich stehen und lauschte. Verdammt. Noch ein Hindernis, dass ich überwinden musste. Vermutlich hatte Dante mein Kommen nicht angekündigt. Wieder einer seiner Tests. Hoffentlich waren es nicht zu ranghohe Dämonen. Auf einen langen Kampf konnte ich mich jetzt nicht einlassen.
Tatsächlich hörte ich nicht mal ein Paar Sekunden darauf ein leises Rascheln in dem Busch zu meiner Linken. Dann brachen zwei riesige  schwarze Kreaturen aus dem Unterholz. Ein starkes Triumphgefühl machte sich in mir breit. Das war doch schon beinahe zu leicht. Glück hatte ich nun wahrlich Selten. Unwillkürlich reckte ich das Kinn, als ich sie identifiziert hatte und trat einen Schritt auf sie, sodass sie einen weiteren zurücktreten mussten, um mich betrachten zu können.Ihre langen, stelzenhaften Beine zitterten leicht, als sie meinen Geruch wahrnahmen. Auch ihre durchdringenden gelben Augen mit den schwarzen, spaltförmigen Pupillen weiteten sich kaum merklich. Sie hatten bemerkt, dass ich ein Dämon war, doch welchen Platz ich in der artenabhängigen Rangfolge besetzte konnten sie nicht erahnen. Noch nicht. Für einen Moment gönnte ich mir das Vergnügen, meine Gedanken schweifen zu lassen und betrachtete die Beiden vor mir genauer. Auch nach ihren runden Köpfen und dem stets zum Grinsen verzogenen Mund, zeigte diese Dämonenart nicht unbedingt Schönheit. Ich hatte zwar schon viel von dieser Art gehört aber noch nie welche gesehen. Ich gab mich normalerweise nicht mit solchem Gesindel ab. Ihre Hässlichkeit jedoch war unbeschreiblich. Ein großer Buckel ließ die dünnen Beine noch länger erscheinen und auch die grau-bläulichen Schuppen, die den ganzen Körper bedeckten, verliehen dem Geschöpf keine Schöhnheit. Sie entsprachen dem Bild eines niedrig stehenden Dämonens. Arrogant, dumm, hässlich und zu nichts zu gebrauchen. Es gab nur zwei Dämonengattungen, die unter der Art der Akremantuli standen. Anscheinend war ihre Hoffnung, dass ich zu einer dieser zwei Gruppen gehörte unerschöpflich, weswegen sie mich in überheblichem Tonfall fragten: ,, Welchen Rang besitzt du Dämonenkind, dass du es wagst in unser Gebiet vorzudringen?" Ich starrte sie ausdruckslos an. Das Dauergrinsen und Gekicher seines Freundes, nervten mich schließlich dennoch, weswegen ich sie gereizt anknurrte: ,, Lilith, Sklave. 1.Rang , beendete Ausbildung. Aber das müsste dich wohl kaum interessieren. Ich habe einen Auftrag zu erledigen also lasst mich durch. Ich habe eine Erlaubnis ausgehändigt bekommen, euer Gebiet zu durchqueren. Wollt ihr etwa den Zorn des Meisters auf euch ziehen? " Ich ließ mit Absicht diesen Satz unbeantwortet im Raum stehen, um ihnen meine Autorität zu vermitteln und die Zeit zu lassen sich meines Ranges angemessen zu verhalten. Als er meinen Namen hörte, verschwand das nervige Grinsen augenblicklich von seinem Gesicht und das Kichern seines Artgenossen verstummte. Jedoch schienen sie mir nicht recht glauben zu wollen. Doch das war ich gewohnt. Wer kam denn auch auf die Idee, die mächtigste und blutrünstigste Dämonin, hätte das Aussehen eines jungen, schwachen Menschenkindes. Ich hatte jedoch meine Mittel und Wege ihnen meine Identität zu beweisen, ohne großes Aufsehen zu erregen. Normale Dämonen konnten sich nur vollständig verwandeln. Doch Dämonen eines hohen Ranges besaßen die Fähigkeit nur kleine Teile ihres Körpers in ihre wahre Dämonengestalt zu transformieren. Man verwandelte sich sozusagen schrittweise. Ich atmete tief durch und konzentriere mich für einen Moment vollkommen auf meine Augenfarbe. Als sich meine Pupillen langsam von einem rötlichen-braun in ein durchdringendes türkis-blau verwandelten, hörte ich, wie die Akrematuli vor mir scharf die Luft einsogen. Nur die wahre Lilith besaß diese Augenfarbe. Wahrscheinlich war auch diese Tatsache ein Grund, warum mich jeder Lilith nannte. Ich wurde jedoch, störender Weise, durch ein leises Schnauben aus meinen Gedanken gerissen. Die zwei Akremantuli knickten ihre vorderen Beine ein und ließen sich mit einem dumpfen Aufprall vor mir nieder. Sie verbeugten sich. Der Anblick war so lächerlich, dass ich mir ein hämisches Grinsen verkneifen musste. Da mein Gesicht auch nach dieser Geste weiterhin steinhart und eiskalt wirken musste, richteten sie nun ihre runden Gesichter zu Boden und begannen untertänig auf mich einzureden. Ich hörte nur mit halben Ohr zu. Es waren immer dieselben Entschuldigungen und Ausflüchte mit denen sie versuchten meinem Zorn zu entkommen. Nach einer Weile wurde mir es jedoch zu viel und ich unterbrach sie harsch: ,, Schweigt Sklaven ihr verschwendet meine kostbare Zeit. Dazu habe ich heute weder den Nerv noch die anscheinend notwendige Freizeit, lasst mich einfach passieren." Sofort brach der Redefluss ab und die Akremantuli starrten mich erwartungsvoll an. ,, Wie können wir ihnen zu Diensten sein oh ehrwürdige Lilith?" Ich verdrehte genervt die Augen. ,Ehrwürdige Lilith' wie bescheuert. ,, Lasst mich einfach passieren.", knurrte ich bedrohlich.

When the devil callsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt