Schule+Lehrer=Langeweile pur

80 9 0
                                    

Ich kam gerade noch rechtzeitig zum Klingeln in meinem Englisch Klassensaal an. Alle saßen schon an ihren Plätzen und ein Paar schauten interessiert in ihre Mitschriften der letzten Stunde. Ich jedoch hatte ganz andere Probleme, als meine Schulnoten, weswegen ich nur mein Englischbuch hervorholte und mich meiner Sitznachbarin zuwandte. Eovyn Whelan. Ein griesgrämiges Mädchen aus meiner Nachbarschaft und das wollte schon mal etwas heißen. Denn in meiner Umgebung wohnte fast niemand. Mein Haus und somit auch ihres wurde an dem Rand der Klippen erbaut, mit großer Entfernung zu dem Dorf Clarecastle in dem meine restlichen Mitschüler wohnten. Unser Dorf war sehr abgelegen und nur ab und zu verirrte sich ein Tourist in unsere Gegend. Diese Tatsache lag nicht daran, dass County Clare nicht viel zu bieten hätte. Die genaue Gründergeschichte unseres Dorfes ist heutzutage niemandem mehr bekannt. Da unser Dorf keinen Namen trägt haben es unsere Ältesten einfach nach der Gegend und der damaligen Grafschaft Clare benannt. Menschliche Besiedlung ist bis in die Steinzeit zurückzuverfolgen. Durch Mönche, die uns im 6. Jahrhundert das Christentum überbrachten, Wikinger, die diese Klöster zerstörten, viele Könige wie Dónal Mór O'Brian die unsere Grenzen festlegten und Engländer, die unsere Besiedelung und Auswanderung auslösten, wurden wir zu dem was wir heute sind. Ein abgelegenes kleines Fischerdorf, mit vielen alten Traditionen, Burgruinen und drei reichen Grafschaften, die uns Finanziell unterstützten. Eovyn und ich hatten das Vergnügen auf den einsamen Spitzen der 200m hohen Cliffs of Moher zu Leben und jeden Tag die fantastische Aussicht genießen zu dürfen. In diesen Moment schwang die Klassenzimmertür ohne Vorwarnung auf und krachte gegen die Wand. Erschrocken fuhr ich zusammen und nahm aus Gewohnheit eine unauffällige Kampfstellung ein. Rechter Fuß leicht nach vorne geschoben, Fußspitzen zu meinem Körper hin gedreht, sodass ich im Notfall direkt aufspringen konnte, ohne meinen sicheren Stand und die Sicht auf meinen Gegner aufgeben zu müssen, rechte Hand zur Faust geballt, Ellebogen angewinkelt, linke Hand offen, um mit der Fläche Angriffe abwehren zu können, ohne dabei ernsthafte Schäden davonzutragen. Amüsiert von meiner Überreaktion schüttelte ich den Kopf und gab meine Angriffsstellung auf. Doch entspannen würde ich mich nicht. Ich entspannte mich nie. Entspannung führte zu Unachtsamkeit und Unachtsamkeit konnte ich mir nicht leisten. Ich war schließlich ein Profi und wurde von viel zu vielen einflussreichen Leuten gesucht. Ich hatte schon einmal alles verloren, das würde ich nicht schon wieder zulassen. Plötzlich wurde mein Gedankengang durch ein Räuspern unterbrochen. Genau wie alle anderen Schüler drehte ich mich nach vorne zu Professor Douglas. Er war ein kleiner, miesepetriger Kauz, der seinen Ärger gerne an seinen Schülern ausließ. Im Gegenzug sprachen ihn die Schüler nur mit Spitznamen wie Professor Winzling oder auch Zwergen Douglas an. Besonders beeindruckt schien Douglas davon nicht, dennoch verzog er ab und zu das Gesicht, wenn ihm ein besonders fieser Name entgegengeschleudert wurde. Ich mochte ihn genauso wenig wie die anderen, sah die Sache mit den Namen, aber als einen unnötigen Zeitvertreib an, weswegen ich ihn ganz normal Mr. Douglas nannte. Aus diesem Grund schnauzte er mich nicht so häufig wie seine restlichen Schüler an und wir lebten in einer gewissen Akzeptanz des jeweils anderen aneinander vorbei. Viele sahen mein Verhalten als Einschleimen bei einem Lehrer und ließen mich dies auch deutlich spüren, aber das war mir egal. Mir war grundsätzlich die Meinung meiner Mitschüler, sowohl meine schulischen Leistungen egal. Ich musste mich nicht besonders anstrengen Klassenbeste zu sein, da ich den Schulstoff aller Klassenstufen bis zu dem vorletzten Jahr meines Studiums bereits erlernt hatte , da ich in der Zeit nach der Schule nicht die Freiheit besaß etwas für die Schule zu lernen. Ich konnte nie wissen, wann er mich wieder zu sich rief.
Als es zur Pause klingelte, stand ich auf und warf mir die Tasche schwungvoll über die Schulter. Zu schwungvoll. Ich spürte ein reißen und eine warme Flüssigkeit, die mir langsam den Rücken herunterrann. Ich biss die Zähne zusammen und ging weiter, als wäre rein gar nichts passiert. Natürlich merkte Angelina dennoch, das etwas nicht stimmte. Sie beeilte sich und rannte mir mit großen Schritten hinterher, um mich einzuholen. Besorgt sah sie mich von der Seite an, sagte jedoch nichts. Sie wusste, wie sie mit mir umzugehen hatte, ohne mich zu verärgern oder zu reizen, was bei mir sonderlich schnell ging. Mit meinem Ziehvater war sie die einzige, die von meinem Geheimnis wusste. Vor zwei Jahren war sie aufgrund ihrer Schusseligkeit in ein Konflikt zwischen einer Chimäre und einem Höllenhund geraten. Ich hatte sie auf dem Rückweg einer Mission gefunden, wie sie völlig verängstigt zwischen den beiden Kreaturen stand und vor Angst erstarrt den schwarzen Höllenhund anglotzte. Ich hätte sie damals einfach sterben lassen können, doch in einem Anfall aus kindischem Mitleid hatte ich sie vor den aggressiven Kreaturen gerettet. Seitdem zeichneten meinen Körper zwei Narben mehr und ein weiterer Mensch kannte mein Geheimnis. Ich hätte sie eigentlich gemäß der Regeln, nach der Offenbarung meines wirklichen ich's töten müssen, doch ich konnte es zu dem Zeitpunkt nicht über mich bringen. Nicht das ich es aufgrund meines Gewissens nicht konnte. Nein. Das hatte ich mir viele Jahre zuvor abtrainiert. Vielmehr lag es daran, dass ich es nicht einsehen wollte, erst jemanden zu retten, nur um ihn anschließend aufgrund meiner eigenen Dummheit eigenhändig umbringen zu müssen. Ich hatte schließlich meinen Körper noch weiter verunstaltet, um sie vor dem Tode zu bewahren. Ich hatte es nie wirklich bereut, ihr damals nicht das Leben genommen zu haben. Dennoch hielt ich sie für außerordentlich naiv, als sie zwei Tage später zu mir kam und mir offenbarte, dass sie ab jetzt meine beste Freundin sein wollte. Wer wollte schon mit so jemandem wie mir befreundet sein? Jeder normale Mensch, mit auch nur ein wenig Grips im Hirn, oder gesundem Menschenverstand, würde Angst vor mir bekommen und mir ein Leben lang aus dem Weg gehen. Angelina war sehr klug und glaubte dennoch daran, dass ich ein guter Mensch war. Auch nachdem ich ihr erzählte, wie viele Menschen und Lebewesen ich schon auf dem Gewissen hatte, ich ihr gedroht und mich tierisch über sie aufgeregt hatte, war sie immer noch felsenfest davon überzeugt, dass ich immer noch gutes in mir trug und alle meine Taten gerechtfertigt waren. Doch das stimmte nicht. Trotz meiner 17 Jahre hatte ich schon mehr gemordet als Jack the Ripper und Garry Ridgway zusammen. Ich war ein eiskalter Auftragskiller und ich wusste das ganz genau. Nur sie wollte es mir nicht abnehmen. Seitdem hatte ich jemandem, dem ich mich anvertrauen konnte und der es fertig brachte mich ab und zu aus meiner Fassade zu locken. Sie war die einzige, die sich auch in den Pausen zu mir setzte, mich mit ihrem andauernden Informationenhagel über Stars, Fashion, Klatsch und Trasch, der in der Schule aktuell wichtig war, von meinem zweiten Leben ablenkte. Zum zweiten Mal am heutigen Tag wurde ich abrupt aus meinen düsteren Gedanken gerissen, als mich  Angelina plötzlich an meinem rechten Handgelenk packte und zu der Toilette auf der gegenüberliegenden Seite zerrte. Mit viel Schwung stieß sie die Tür auf und zuckte im Gegensatz zu mir schrecklich zusammen, als sie mit einem lauten Krachen gegen die Wand knallte. Warum waren alle Menschen nur so schreckhaft, blind und unachtsam, was die einfachsten Dinge anging. Ich verdrehte genervt die Augen, als sie sich empört zu mir umdrehte und mich mit einem leicht besorgten und zugleich ängstlichen Blick fragte: ,, Was ist los? Wo tut's dir weh Rory?" Sie wusste genau, dass die Antwort nicht schön ausfallen würde. Also entschied ich mich dazu die Ahnungslose zu spielen, obwohl ich mir bewusst war, dass sie mich schon längst entlarvt hatte. Aber Hey, warum nicht einfach mal ausprobieren? ,, Es ist nichts. Warum fragst du?" Nun wurde ihr Blick noch intensiver und ich merkte, dass sie sich jetzt erst recht Sorgen um mich machte. Also stellte ich mit grimmiger Miene meinen Ranzen ab und  drehte mich aufmerksam den Toilettenkabinen zu. Keineswegs zimperlich  stieß ich nacheinander die Türen der Kabinen auf. Als auch die letzte mit einem lauten Knall gegen die Wand schlug, könnte ich mir sicher sein, dass uns niemand belauschte. Mit ausdruckslosen Gesicht wandte ich mich anschließend wieder meiner Freundin zu, die mich immer noch aufmerksam beobachtete und allen meinen Bewegungen mit ihrem Blick folgte. ,, Hör auf so zu Glotzen Angelina. Ich bin es die gut aufpassen muss nicht du." raunzte ich sie unfreundlich an, doch sie ließ sich blöderweise nicht vom Thema abbringen. Stattdessen antwortete sie nur spitz: ,, Tja wenn du mir nicht sagen willst was los ist, muss ich es halt alleine herausfinden." ,, Ich habe nie gesagt, dass ich es dir nicht zeige." Antwortete ich noch kühler als zuvor. Plötzlich wurden ihre Augen groß und ein irrsinniges Grinsen machte sich auf ihrem Gesicht breit. ,, Echt das würdest du machen? Auch wenn ich dich sonst immer nerve?" Ich seufzte resigniert. ,, Du nervst mit nicht immer, nur manchmal! Also lass den Quatsch ich kann dir ja so oder so nichts vormachen." Bei diesen Worten fiel sie mir glücklich lachend um den Hals. Als sie dabei meine Wunde streifte und ihr ganzes Gewicht auf meinen Rücken lud, konnte ich mir ein unterdrücktes Keuchen nicht verkneifen. Scheiße tat das weh! Erschrocken sprang Angelina zurück und sah mich mit Tränen in den Augen an. ,, Oh Gott hab ich dir weh getan, Rory? Das tut mir echt leid... Ich konnte ja nicht... tut mir leid wirklich... hätte ich..." Hier unterbrach ich sie lieber. Ich könnte es nicht ertragen, wenn mich jemand so schuldbewusst anstotterte. Am wenigsten bei einer solchen Kleinigkeit. Um sie zu beruhigen tat ich etwas, was unglaublich selten passierte. Ich berührte sie vorsichtig an ihrer Hand, zog die meine dann aber sofort wieder zurück. Bevor sie noch etwas sagen konnte, zog ich meine schwarze Lederjacke und mein leider weißes T-Shirt aus und warf sie neben mich auf den Boden. Dann drehte ich mich langsam zu Angelina um und hielt gespannt den Atem an. Wie würde ich wohl reagieren, wenn mir jemand eine blutige, eiternde Wunde zeigte und weiterhin darauf bestand in der Schule zu bleiben? Vermutlich gar nicht. Ich würde ihn sofort für verrückt erklären. Doch Angelina reagierte vollkommen anders.

When the devil callsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt