Neunzehn

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„Wie meint er das?" Meine Stimme war zittrig. Hallte übernatürlich laut in dem Zimmer nach.

Die paar Jungs auf dem Sofa waren mucksmäuschenstill. Sie alle waren gespannt. Auf das, was passierte. Warteten auf die große Show. Es war wohl ihre Absicht gewesen. Lungerten nur deshalb hier herum.

Ihre Blicke bemerkte ich nicht. Dabei wusste ich, dass sie mich anstarrten. Dass ich hier die Hauptattraktion war. Ich ignorierte es. Nahm es gar nicht wahr. Sah nur Eriks Gesicht. Der mich endlich auch anschaute. Genervt. Meinetwegen? Oder wegen seinen Kumpels?

„Gar nichts meint er damit." Er presste die Lippen fest aufeinander. Die Fäuste hatte er neben seinem Körper zu Fäusten geballt.

„Naja, gar nichts sieht etwas anders aus", bemerkte einer der Jungs. Ich schaute ihn nicht an. Es war mir egal. Er war mir egal. Ich kannte ihn nicht. Wollte ihn nicht kennen.

Alles, was ich wollte, war die Gewissheit, dass ich nicht Eriks Leben zerstörte. Mit meinem konnte ich tun was ich wollte. Warf ich es weg - es wäre egal. Niemandem würde es wehtun. Aber bei Erik war es anders. Er konnte noch etwas erreichen. Und ließ meinetwegen alles schleifen. Nur weil ich mein Leben schon verpfuscht hatte. Er war drauf und dran, das Gleiche zu tun.

„Wie soll ich denn etwas tun, wenn ich erst noch auf diese scheiß OP warten muss?", blaffte Erik seinen Kumpel an. In seinen Augen funkelte Wut.

Warum war er so aufgebracht? Ich war doch diejenige, die wütend sein musste. Weil er es meinetwegen schleifen ließ. Für ein Mädchen, das er kaum kannte. Am liebsten hätte ich laut gerufen. Dass er den falschen beschuldigte.

„Ist ja schon gut. Bleib ruhig, Alter", murmelte der Typ. Abwehrend hob er die Arme. Verdrehte die Augen. Wandte sich wieder dem Fernseher zu. Startete das Videospiel wieder.

Doch nicht alle wandten sich mit voller Konzentration dem Spiel zu. Noch war es unnatürlich still. Die gute Stimmung von vorhin wollte nicht wieder aufkommen. Ich wäre froh darum gewesen, wenn es dazu gekommen wäre.

„Bist du nicht die, die während dem Spiel gegen Hamburg einen Zusammenbruch gekriegt hat? Und wegen dem Platz so rumgezickt hat?", fragte ein anderer. Mit schiefgelegtem Kopf musterte er mich. Die Augen leicht zusammengekniffen.

Ich starrte ihn an. Er kam mir bekannt vor. Der südländische Touch. Die dunkeln Haare. Die Stimme. War er in Hamburg gewesen?

„Nuri, lass gut sein, ja?" Genervt seufzte Erik auf. Ging in Richtung des Tisches. Klappte einen der Pizzakartons zu. „Den braucht ihr ja nicht mehr, oder?"

„Warum? Darf ich nicht mit deiner Freundin reden?" Provozierend zog er eine Augenbraue hoch.

„Wir sind nicht zusammen", kam es schwach über meine Lippen. Mir war selbst klar, wie wenig überzeugend ich klang. Dass es mehr eine Bestätigung für ihn war. Es war mir fast egal. Meine Gedanken hingen bei Erik fest. Was er meinetwegen verpasste.

„Dann eben nicht. Wen juckts?" Er zuckte mit den Schultern. „Bist du es jetzt oder nicht?"

„Möglich."

„Ja, verdammt nochmal, sie war da auch in Hamburg. War das jetzt alles, was du wissen wolltest?" Erik klang mit jedem Wort genervter. Er hatte einen Pizzakarton in der Hand. Stand wieder dicht neben mir. Unsere Arme berührten sich jedes Mal, wenn er atmete.

Ein schiefes Lächeln lag auf den Lippen des Typen. Erik hatte ihn mit Nuri angesprochen. „Ich denke mal, wir werden sie ja noch öfter sehen. Da werd ich schon noch die Zeit finden, ihr Fragen zu stellen."

„Wie auch immer", brummte Erik. Zog mich am Handgelenk von der Gruppe weg. In Richtung seines Zimmers.

Im Weggehen hörte ich noch, wie sich zwei der beiden laut auf Englisch unterhielten. Wohl in der Annahme, ich würde es nicht verstehen. Nicht mehr hören. Nicht auf sie achten.

Es Gibt Kein ZurückWo Geschichten leben. Entdecke jetzt