Acht

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Ich war die Letzte. Alle anderen hatten das Stadion schon verlassen. Sogar die Fans, die bis zur letzten und noch länger ihren Stars zugejubelt hatten. Der Rasen leer und verlassen. Genau wie die Sitze um mich herum. Die Männer neben mir ebenfalls gegangen. Mit dem jungen Mann hatte ich sonst nichts weiter geredet. Er hatte mich ignoriert, sich über meinen Kopf hinweg mit seinen Kumpels unterhalten. Nach dem Spiel schnell wieder verschwunden. Ob seine Mannschaft wohl gewonnen hatte? Ob wir der gleichen die Daumen gedrückt hatten?

Herausfinden würde ich es wohl nie. Aber was interessierte mich so etwas auch? Er war heute nicht aufgetaucht. Die Geschichte hatte sich verändert. Es würde anders kommen. Das Rückspiel, es würde anders enden. Besser? Vielleicht, vielleicht auch nicht. Aber es würde anders werden. Alles würde sich verändern. Auch der Unfall. In der Tennishalle. Es würde anders werden. Es gab noch Hoffnung.

Verzweifelt klammerte ich mich an diesen einen Gedanken. Es gab noch Hoffnung. Es musste noch Hoffnung geben. Irgendwie. Es konnte doch nicht so enden. Meine Geschichte. Unsere Geschichte. Das konnte nicht das Ende sein.

Eine Träne rann über meine Wange. Eine weitere folgte. Sie wollten nicht enden. Niemals. Nicht, bis es endlich ein anderes Ende gab. Das alles konnte nicht einfach so enden. Nicht so grausam. Und jetzt... Jetzt hatte ich endlich die Möglichkeit, es zu verändern.

„Entschuldigen Sie, Fräulein, aber Sie müssen jetzt gehen." Ein Mann stand vor mir. Sprach mich direkt an.

Ich merkte es kaum. Starrte wie durch ihn hindurch. Nahm ihn nicht wahr. Ich wartete nur auf ihn, dass er doch noch auftauchte. Er wusste ja, wo ich saß. Er würde noch kommen. Ganz sicher. Es war ja auch sein Spiel gewesen. Und das nicht das Ende. Auch, wenn er heute vielleicht nicht gespielt hatte, war er da gewesen. Ich wusste es. Der Typ vor mir tat es auch. Warum wollte er mich dann verscheuchen?

„Miss, bitte, wir schließen jetzt. Das Stadion ist für Fans nicht mehr weiter geöffnet", blieb der Typ hart.

Seine Stimme hörte ich. Seine Gestik nahm ich schon gar nicht mehr wahr.

In Gedanken versuchte ich nur, die aufkommende Panik zu unterdrücken. Er konnte mich nicht von hier verscheuchen. Er wartete doch auf mich. Er wusste, dass ich hier war. Wie oft hatte ich es ihm gesagt? Er hatte sogar noch meinen Sitzplatz kommentiert. Gelacht. Er würde also bestimmt noch herkommen. Mich abholen. Weil es dieses Mal anders ist als sonst, so hatte er es formuliert.

„Wenn Sie nicht gleich aufstehen, muss ich die Polizei holen. Und das könnte unschöne Folgen für Sie haben."

Die Drohung nahm ich nur zur Kenntnis. Nichts weiter. Es löste keinerlei Reaktion in mir aus. Nicht wie Jodys Wutanfall, der irgendetwas in mir wachgerüttelt hatte. Der Typ ließ mich kalt. Er war nur irgendjemand, der wieder verschwinden würde. Den ich nie wiedersehen würde.

„Ach, da bist du ja. Ich hab dich schon überall gesucht!" Ein weiterer Mann kam hinzu. Er klang etwas außer Atem. Wandte sich dem Aufseher vor mir zu. „Es tut mir leid, falls es irgendwelche Unannehmlichkeiten gab, wir hatten uns in dem Gewühl total verloren und dann hat sie hier auf mich gewartet."

Etwas überrascht schaute ich auf. Redete er von mir? Über mich?

„Na wenn das so ist", brummte der Mann nur.

„Ja, wir gehen gleich, komm, wir sind spät dran." Der dunkelhaarige Mann mit dem freundlichen Lächeln zog mich am Ellbogen nach oben.

Beim Aufstehen stolperte ich beinahe über meine eigenen Füße. Der junge Mann hielt mich gerade noch rechtzeitig fest, bevor ich mit dem Boden Bekanntschaft machen konnte. Ich konnte mich kaum selbst bewegen. Hatte keine Kontrolle über meine Arme und Beine. Fühlte mich ein bisschen wie eine Puppe, die nur auf Anstöße von außen handelte. Keinen eigenen Willen hatte. Sich nicht selbständig bewegen konnte. Darauf wartete, dass man ihr eine Stimme und damit ein Leben gab.

Es Gibt Kein ZurückWo Geschichten leben. Entdecke jetzt