Zweiundzwanzig

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Der Raum war kalt. Die Wände grau. Mir gegenüber ein Spiegel. Mit Sicherheit waren sie auf der anderen Seite. Beobachteten mich. So, wie es in all den Krimiserien immer war.

Der Verdächtige, im Verhörraum eingeschlossen. Die Polizisten im Zimmer nebenan. Ließen den Verdächtigen warten. Schauten zu, wie er einfach nur dort saß. Beobachteten womöglich sein Verhalten. Mein Verhalten. Damit es ihnen später leichter fallen würde, mich zu brechen. Mir ein Geständnis zu entlocken. Für eine Tat, die ich nie begangen hatte. Von der sie aber glaubte, dass ich es getan hatte.

Mit leerem Blick starrte ich auf die leere Tischfläche vor mir. Ein Stuhl auf der anderen Seite. Ganz an den Tisch geschoben. Leer.

Ihretwegen war ich da. Sie hatte es so eingefädelt, dass ich nie eine Chance hatte. Den Mut, mich zu wehren, hatte ich sowieso nicht. Das musste sie gewusst haben. Sie hatte bestimmt damit gerechnet, dass ich irgendwann aufgeben würde. Mich meinem Schicksal fügen.

Sie. Seine Frau. Deren Name ich nicht einmal wusste. Mit der er eine Tochter hatte. Die ohne Vater aufwachsen würde. Von der ich nie erfahren hatte.

Beiden wäre ich nie begegnet. Würde nicht sie die Absicht verfolgen, mich hinter Gitter zu bringen. Weil ich diejenige war, mit der ihr Mann sie betrogen hatte. Und jetzt war es zu spät für sie, sich an ihm zu rächen. Ich musste herhalten. Ich, die doch schon lange zerbrochen war. Den Weg nach oben wieder aufgegeben hatte. Ihretwegen.

Die Tür ging auf. Ich schaute nicht hin. Es war ein Polizist, der sich mir gegenüber setzte. So in mein Blickfeld trat. Mein Blick ging geradewegs durch ihn hindurch. Ich nahm ihn nicht richtig wahr. In meinen Gedanken war nur Platz für ihn. Wie so oft. Nur war es dieses Mal anders. Ganz anders. In meinem Kopf spielte sich unsere ganze Beziehung ab. In der ich nach irgendwelchen Hinweisen suchte. Darauf, dass er verheiratet war. Eine Tochter hatte.

Was war mit den Wochenenden, in denen er nicht bei mir gewesen war?

Er war auf Fußballspielen, die ich im Fernsehen verfolgt hatte. Trainingslager, deren Berichte ich täglich im Internet nachgelesen hatte. Wann war er bei ihr gewesen? Wenn nicht dann. Wann sonst? Wo war die Zeit hin? Was hatte ich alles verschlafen?

„Frau König." Der Polizist räusperte sich.

Mein Blick schärfte sich. Erkannte die Kontur seines Gesichtes. Nicht kantig, wie man es erwartete. Stattdessen weich, fast freundlich. Lediglich mit einem harten Zug um den Mund. Der mir den Ernst der Lage verdeutlichen sollte. Seine Augen hingegen waren freundlich. Mitfühlend. Ungewöhnlich, für einen Polizisten.

„Sie wissen, weshalb Sie hier sind?"

Stumm nickte ich. Weil die Frau meines Freundes verrückt war. Mich für eine Mörderin hielt. Dachte, ich hätte meinen Freund in die Luft jagen wollen. Mich noch gleich dazu.

Keines dieser Worte kam über meine Lippen.

„Sie waren in der Nacht des Unfalls mit Herrn Rouwen Hennings zusammen in der Tennishalle."

Wieder ein Nicken meinerseits. Meiner Stimme traute ich nicht.

Der Polizist senkte immer wieder den Blick. Schaute auf seine Notizen. Wieder zu mir.

„Warum waren Sie dort?"

Ein kurzes Schweigen. „Warum machen Sie sich die Mühe, mich zu vernehmen?"

Er seufzte. „Bitte beantworten Sie meine Frage, Frau König. Das macht es für uns beide einfacher und wir sind schneller fertig."

„Wenn Sie doch noch so viel anderes zu tun haben, warum machen Sie sich dann überhaupt die Mühe?" Meine Finger vergruben sich in meinen Handinnenflächen. Ich wollte nicht zurück in diese Nacht. Seit ich wusste, dass er verheiratet war, fühlte es sich alles so anders an. Ich hinterfragte es. Zweifelte an ihm. An seinen Worten. An allem, was er mir gesagt hatte. Was er mir je versprochen hatte.

Es Gibt Kein ZurückWo Geschichten leben. Entdecke jetzt