Jake
Kopfschüttelnd ignorierte ich Amandas Fragen und grinste sie einfach nur an. Federleicht fühlte ihr furchtbar dürrer Körper sich in meinen Armen an und ihre Finger krallten sich noch immer krampfhaft in meine Jacke.
"Jake, wo willst du hin? Brauchen wir nicht meinen Rollstuhl? Komm lass uns zurück gehen, du kannst mich doch nicht durchgehend tragen,..." protestierte sie und für einen Moment blieb ich stehen. "1.Lass dich doch einfach überraschen!, 2.Nein und 3.Kann ich wohl, du bist so leicht wie ein kleines Einhornküken" speiste ich sie ab und prompt lachte die Rothaarige los.
"Einhornfohlen, die kriegen doch keine Küken du Depp! Hühner bekommen Küken, Einhörner Fohlen!" belehrte sie mich neunmal klug und schlug mir gegen die Schulter. "Ruhe auf den billigen Plätzen und anschnallen bitte! Lass deine Sorgen für heute einfach mal woanders, und genieß die Zeit!" befahl ich ihr und setzte sie in meinen Wagen, der vielleicht nicht ganz das war was sie gewohnt war aber besser als laufen auf alle Fälle.
Es wunderte mich, das Amy so still war und tatsächlich einfach nur wartete, sich überraschen lassen wollte. "Wir sind da!" grinste ich nach kaum zehn Minuten und hielt hinter einer zerfallenen alten Fabrikhalle, die ich bei einem meiner ersten Deals kennengelernt hatte. "Du bringst mich zu einer...Lagerhalle?" fragte Amy unsicher und zog die Augenbrauen zusammen.
"Sei doch nicht so ungeduldig! Ich bringe dich natürlich nicht nur zu einer Lagerhalle, also mach die Augen zu wir haben noch ein bisschen Weg vor uns" tadelte ich sie und hob sie vom Sitz. Widerwillig schloss das Mädchen die Augen. Lächelnd musterte ich das angespannte Gesicht und passte nebenbei noch auf, das ich nicht in irgendwelche Löcher tappte.
Gespannt lief ich um das Backsteingebäude herum, tapste die Treppen hoch und lief außen an der ehemaligen Textilfabrik entlang. Vorsichtig bahnte ich mir einen Weg an der abgebrochenen Stelle vorbei bis an die Rückseite des Seitenflügels, der direkt an den Fluss und den Wald grenzte. "Wir sind da, lass die Augen noch zu und sei vorsichtig ich setze dich jetzt ab" warnte ich Amanda vor und stellte sie ganz langsam auf den Boden. Ein Fuß nach dem anderen stand sie schließlich da und fürsorglich stützte ich sie.
Keuchend atmete sie aus, schluckte und setzte greade zum quengeln an, als ich sie schon unterbrach: "Du kannst die Augen jetzt aufmachen" flüsterte ich und betrachtete abwartend ihr hübsches Gesicht von der Seite, wollte ich doch sehen wie sie auf den wunderschönen Anblick reagierte.
Vor uns wucherten wilde Blumen inmitten von allen nur denkbaren Gräsern, bis ans Flussufer reichte die kleine Wiese und direkt dahinter kam auch schon der dichte Wald, der ans Industriegebiet grenzte. Überwältigt sah Amanda sich um, atmete tief ein und aus und konnte es wohl kaum glauben. Unsicher setzte sie einen Fuß vor den anderen und machte einen Schritt nach vorne.
"Wow...woher kennst du das hier?" fragte sie abwesend und ein seeliges Lächeln zierte ihr Gesicht. "Einer meiner ersten Deals" antwortete ich ehrlich und sie nickte stockend. "Wofür wurdest du eigentlich verurteilt?" fragte sie neugierig, doch bevor ich ihr antworten konnte half ich ihr erst einmal sich zu setzen, denn ihr war die Anstrengung sichtlich anzusehen, die es sie kostete so dazustehen.
"Wegen nem ziemlich großen Deal und ein paar Kleinigkeiten" wich ich aus und sah wie Amanda zu überlegen schien, ehe sie etwas erwiderte. "Wie bist du da dran geraten ich meine...du bist kaum älter als ich. Wie kommt man dann zu Drogenhandel?" fragte sie neugierig und ich seufzte schulterzuckend. "Bin halt so drangeraten" wich ich aus und Amy lachte. "Bin so drangeraten? Komm schon, Jake erinnerst du dich noch daran was ich zu dir gesagt habe? Ich will dir wirklich helfen..." bohrte sie nach und ich betrachtete die sanft im Wind schaukelnden Blumen auf der Wiese...
"Bin damit aufgewachsen Prinzessin, nicht jeder hat's so dicke wie du" erklärte ich bitter und krallte mich in den dunklen Beton. "Ich weiß...das tut mir leid" murmelte sie leicht verlegen, doch ich zuckte bemüht leichtfertig nur mit den Schultern. "Muss es nicht, kommt nun mal so außerdem was kannst du schon dafür..." winkte ich ab und schaute nach vorne.
"Wenn du dich konzentrierst siehst du ganz weit da hinten seitlich vom Wald sogar das Meer" lächelte ich verträumt und zeigte Richtung Horizont. " Oh wirklich? Früher war ich immer furchtbar gerne am Meer aber nach dem-...naja das Meer ist immer so furchtbar befreiend" bemerkte sie und seufzte leise. Zaghaft legte ich meinen Arm um ihre knochigen Schultern und strich mit den Fingerkuppen über ihr Schulterblatt.
"Dann sollten wir vielleicht das nächste Mal ans Meer fahren statt hierher" beschloss ich und lies ganz bewusst die Tatsache im Raum stehen, dass wir wieder etwas unternehmen würden. Ich wollte, dass sie genau das wiederfand was sie verloren hatte ihre Lebensfreude, dass einzige vielleicht was ihr am Ende bleiben würde doch genau deshalb war sie so wichtig. Ich wollte vergessen, dass es mich verletzt hatte von ihr so arg zurückgewiesen zu werden, denn sie hatte sich immerhin entschuldigt, hatte sogar versucht es mir genauer zu erklären, wie konnte ich ihr da lange böse sein?
Im allgemeinen war ich schon immer schlecht in solchen Dingen gewesen, hatte erst durch das Geschäft, durch ihren Tod gelernt ein wenig mehr Ernst mitzubringen, und hatte meine Naivität ein für alle Mal abgelegt. Ich hatte verstanden, dass das Leben nichts schenkte, dass es grausam war und das es nahm was es wollte ohne je wirklich zu geben. Sowas wie Glück gab es nicht...zumindest nicht wirklich und nicht für mich!
"Woran denkst du?" fragte Amanda neugierig und ich wandte mich von meinen Gedanken ab. "Das Leben, dich, mich, allgemeine Dinge und so" winkte ich ab ohne genauer zu erläutern was mich beschäftigte. Müde kippte Amy zur Seite, lehnte ihren Kopf gegen meine Schulter und rückte ein wenig näher, sodass bald wirklich kaum mehr ein Blatt Papier zwischen uns passte. "Glaubst du an Schicksal?" wollte sie wissen und ich schluckte. "Ich weiß nicht, wenn ich daran glauben würde, dann würde ich vermutlich den Verstand verlieren verstehst du was ich meine? Wenn man daran glaubt dass all die schlechten Dinge aus einem Grund passieren, wie lange hälst du dann aus bis du vollkommen wahnsinnig wirst weil du auf die Wende wartest die vielleicht nie kommen wird? Ich glaube an Pech und vielleicht hin und wieder auch an Glück -wenn auch nicht bei mir- aber Schicksal? Nein, wenn die Dinge aus einem Grund passieren würdest wärst du ein Leben lang damit beschäftigt nach dem Grund zu suchen, den es wahrscheinlich nicht wirklich gibt" stellte ich klar und bemerkte wie Amy immer müder wurde.
"Wie wäre es wenn wir zurück fahren?" schlug ich vor um ihr die Möglichkeit zu nehmen auf mein Gelaber zu antworten. "Nein! Es ist greade alles so schön, lass mich den Moment noch ein wenig genießen...bevor wir zurückfahren in meinen persönlichen goldenen Käfig" murmelte sie und blinzelte der Sonne entgegen. "Und Jake?- Glück ist genau das was du verdienst. Und ich werde alles tun um dir Glück zu bringen" war das letzte was sie versprach ehe sie endgültig einschlief und mich mit meinen Gedanken allein lies...
Wie sollte ein so Pech verfolgtes Mädchen mir Glück bringen? Wie sollte ich ihr Freude und Glück bringen wenn ich noch nicht einmal wusste was das war...Wie?...
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Whoop :D
Ja genau, wie bringt man jemandem Glück? Was genau ist Glück?
ALG Nickii
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Learn to Fly
Roman pour AdolescentsAmanda Sawyer, sitzt seit einem Unfall im Rollstuhl. Längst hat sie ihren Lebensmut verloren, ist nur ein Schatten ihrer selbst, ist das Mädchen, das immer auf dem Boden der Tatsachen bleibt, nie fliegen wollte oder ein Risiko eingehen wollte. Sie...