Prolog

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Prolog - Drei Wörter

Auf dieser Welt gibt es genau drei Wörter, die man nicht hören wollte. Ich rede nicht von den berühmtberüchtigten drei Worten – ich liebe dich, Essen ist fertig, ich habe Hunger oder ich hasse dich – sondern von den drei schlimmsten Worten, die ein Mensch zu hören bekommen kann. Ich habe sie gehört, als ich im Alter von sechzehn Jahren Mist baute. So richtigen Mist. Nicht diesen Ich-hab-dein-Auto-zu-Schrott-gefahren-Mist oder den beliebten Ich-schwänze-Schule-Mist, nein. Richtigen Mist. Viele meiner Freunde waren der Meinung, so zu handeln wie ich sei als eifersüchtiger, betrogener Teenager vollkommen normal. Man betrank sich, verlor die Kontrolle über sich, baute Mist, kam zur besten Freundin gerannt und heulte (oder man heulte sich forever alone die Seele aus dem Leib), beleidigte alles und jeden, ertrank in Selbstmitleid und baute noch viel schlimmeren Mist. Was ich getan habe? Ich ging zu meiner Freundin, heulte mich aus, beleidigte meinen Exfreund – nach 2 Jahren Beziehung konnte er nicht mehr auf seine Freundin warten und beglückte kurzerhand heimlich andere Mädchen – wie ein altes Weib die Jugend, aß Unmengen an billigem Eis, heulte mir noch mehr die Augen aus meinem Dickschädel und bemitleidete mich selbst. Bis dahin war alles schön und gut gewesen. Doch meine beste Freundin tat etwas, was sie wahrscheinlich bis zu ihrem Tod bereuen würde. Ich glaube, in meinem eh schon ziemlich miserablen Zustand war es nicht so gut, eine halbe Flasche Sekt zu trinken. Zugegeben, ich glaube es nicht nur, ich weiß es. Denn meine darauffolgende Odyssee hätte ohne den Alkohol gar nicht erst begonnen. Warum? Gebt niemals – wirklich, niemals! – einem betrunkenem Mädchen seine Motorradschlüssel. Meine Freundin war so dumm. Ich war so dumm. Gut, wir waren beide etwas stärker angetrunken als sonst, hatten zuvor Tonnen an Eis verschlungen und uns die Münder fusselig geredet.

Die verschiedenen Augenblicke dieser Nacht haben sich in mein Gehirn regelrecht hinein gebrannt. Ich, wie aus dem Haus meiner besten Freundin taumle; ich, wie ich schwankend auf dem Sitz meines Motorrads Platz nahm und den Helm aufsetzte; ich, wie ich kichernd davon fuhr. Ich, wie ich die umschaltende Ampel sah; ich, wie ich hinter dem Auto vor mir hielt und kicherte. Ich, wie ich mich wieder in Bewegung setzte. Ich, wie ich den herannahenden Schatten aus meinem Augenwinkel vernommen habe und meinen Kopf nach rechts drehte. Ich, wie mir beim Anblick des fahrenden LKWs die drei Wörter durch den Kopf hallten. Ich, wie ich den Benzinschalter an meinem Motorrad umlegte um ein Feuer zu verhindern. Ich, wie ich wie Schnee achtlos von der Straße gefegt wurde. Der LKW, dessen Bremsen quietschten. Das Auto vor mir, in dem der unbekannte Junge saß, dessen Stimme ich nie vergessen werde. Mein ohrenbetäubender Schrei, der die Stille der Nacht wie ein Messer die weiche Butter zerschnitt.

Nach zwei oder drei Metern blieb ich liegen. Meine Arme waren schmerzhaft gequetscht, meine Beine waren in einem unnatürlichen Winkel verdreht. Meine Lungen brannten, schrien nach Luft, etliche Rippen waren gebrochen, meine Stimmbänder versagten abrupt. Tränen stiegen in meine eh schon verheulten Augen und mein Blickfeld wies immer mehr schwarze Flecken auf.

Ich blinzelte, doch das Verschwimmen meiner Sicht zu einem großen schwarzen Punkt konnte ich nicht verhindern. Das Einzige, das ich klar und deutlich vernahm, war neben schnellen Schritten auf dem Asphalt, die in meine Richtung rannten, die Stimme, die schrie. Sie schrie, schrie, schrie, schrie und schrie. Doch trotz der Tatsache, dass ich normalerweise etwas lautere Geräusche verabscheute, mochte ich diese Stimme. Sie war anders. Besonders rau, klar, voller Schmerz.

»Ich werde sterben«, hauchte ich meine letzten Worte bevor sich die Welt vor mir endgültig in Dunkelheit auflöste.

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Das Überarbeiten-Hochstellen-Projekt hat begonnen, liebe Leser.

Erkennbar ist das an den Kapiteln, diese werden nicht mehr als beispielsweise *Kapitel 1*, sondern von nun an als *Kapitel [1]* veröffentlicht werden.

[22.11.15] ~Mα∂αмєPσттιηє.


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