Kleines Halloween Special

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~1919 England~

Es war der 31. Oktober 1919. Es regnete, doch ich bekam es kaum mit. Meine ganzen Gedanken wurden von dem Mann eingenommen, der in einem Sarg nun an mir vorbei getragen wurde. Plötzlich wurde mir eine Hand auf die Schulter gelegt, doch ich reagierte kaum. Es war mir eigentlich so ziemlich egal.

Als ich meinen Blick hob tropfe das Wasser vor meinen Augen von meinem Regenschirm. Ich war wie alle anderen komplett in schwarz gekleidet. Mein Kleid sog sich an den Enden schon mit Wasser voll, doch es war mir völlig egal. Meine volle Aufmerksamkeit lag auf der Zeremonie, der ich gerade beiwohnte. Viele hohe Offiziere waren gekommen um ihm die letzte Ehre zu erweisen. Er galt als Kriegsheld, der für sein Land gestorben ist, doch hätte das wirklich sein müssen?

Am Ende nützte ihm all diese Ehre nichts, rein gar nichts. Sein ganzes Leben war vorbei, obwohl es nicht einmal richtig begonnen hatte. Er hatte weder Frau, noch Kinder und keine Chance mehr dies je zu haben. 3 Jahre habe ich dafür gekämpft, dass er am Leben bleibt. 3 VERDAMMTE JAHRE! 3 Jahre habe ich eine Heilung für seine Verletzungen gesucht, doch keine gefunden. Es ging ihm zwar schon soweit besser, dass er an guten Tagen sogar mit mir spazieren gehen konnte, doch um wieder zu genesen hat es nicht gereicht. Er ist langsam und qualvoll gestorben.

Nun ja zumindest solang, bis er es nicht mehr ausgehalten hat. Bis zu jenem Tag, als er mich angefleht hat ihm ein Ende zu bereiten. Immer und immer wieder hat er mich angefleht, es endlich zu tun, bis ich nachgab. Ja richtig gehört, ICH bin für seinen Tot verantwortlich. Ich habe diesen Mann auf eine gewisse Art und Weise geliebt und ihn umgebracht. Er hatte mich angelächelt, als ich mit einer Spritze kam, die eine tödliche Dosis irgendeines Medikament enthielt, was ihn langsam einschlafen ließ. Er sollte es leicht und friedlich haben, nicht qualvoll und langsam, denn das wäre sein eigentliches Schicksal gewesen.

Noch bevor er einschlief, gab ich ihm einen Kuss und stich durch sein Haar. Er hatte mir zugelächelt und ein Danke gehaucht, bevor er einschlief. Und dennoch tut es so unglaublich weh und ich wünschte, ich hätte es nicht getan. Sein Blut, das Blut meines Freundes, klebt an meinen Händen.

Tränen liefen mir über die Wange und ich wäre zusammengebrochen, hätte mich Major Jamie Stewart nicht aufgefangen und abgestützt. Er schlang seine Arme um mich, um mich besser halten zu können und flüsterte mir etwas ins Ohr, doch ich vernahm es kaum.

„Wir sollten gehen, Ma'am.", sagte er und führte mich von der Beerdigung fort.

Ich konnte gerade noch einen Blick auf den Grabstein werfen und wo mir sein Name sofort ins Auge fiel, Nicholls.

Der Major brachte mich nach Haus und verabschiedete sich mit einem höfflichen Kopfnicken dann von mir. Doch ich konnte nicht einfach ruhig zuhause sitzen. Nachdem er außer Sichtweite war, verließ ich wieder meine Kleine Wohnung und machte mich auf den Weg ins Lazarett. Es wurde vor einer Woche geschlossen, kurz nachdem ER starb. Nach seinem Tot hatte ich es nicht mehr betreten, hatte mich nicht getraut nur einen Fuß hinein zu setzten.

Wie von selbst trugen mich meine Füße zu dem Zimmer, in dem es geschehen ist. Selbst das Namensschild „Captain Nicholls" hing noch an der Tür. Nach dem Krieg war das Lazarett nicht mehr so voll gewesen und er hatte sein eigenes Zimmer bekommen können. Es war spärlich eingerichtet. Es war schrecklich, dass er hier seine letzten Stunden verbringen musste.

Niedergeschlagen und voller Schuldgefühlen sah ich mich in dem Zimmer um und strich über die Bettdecke des Bettes, dass man einfach hier gelassen hatte. HIER GENAU HIER war er gestorben. Genau hier... habe ich ihn umgebracht. Plötzlich hörte ich Schritte und drehte mich verwundert um. Mitten im Türrahmen stand eine Frau, mit braunem zerzausten Haar und grauen, durchdringlichen Augen. Sie trug nur einen weißen Kittel, wie die meisten Patienten im Lazarett, doch sie konnte unmöglich noch hier sein. Dann fiel mir das große Messer auf, dass sie in der Hand hielt und ich mache unwillkürlich einen Schritt zurück.

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