7. Kapitel

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„K-Komm doch rein." Neugierig sieht Chelsea an dem jungen Agent vorbei und beginnt sich interessiert umzusehen. Spencers aufmerksamen Blick, der auf ihr ruht, bemerkt sie gar nicht. Das erste, was ihr auffällt, sind die unzähligen Bücher die sich in den Regalen befinden. Einige davon kann sie sogar an den Buchrücken erkennen, weil sie sie selbst besitzt. Langsam wandert ihr Blick weiter und sie inspiziert jede Ecke des Wohnzimmers. Reid lächelt stumm in sich hinein. Folgt jedem ihrer Schritte mit seinem Blick. Während Chelsea sich inzwischen interessiert über seine Bücherregale hermacht, zieht das Genie zunächst seine Jacke aus, hängt sie an die Garderobe und stellt seine Tasche daneben auf den Boden. Erst jetzt fällt ihm auf, das Chelsea dieses Mal auch eine Jacke trägt. Bisher war er es von ihr gewohnt, dass sie nahezu immer einen Pullover oder ähnliches trägt.
„Willst du deine Jacke ausziehen?", fragt er sie, ein Klang der Unsicherheit schwingt in seiner Stimme mit. Reflexartig hat er seine Hand ausgestreckt, um ihre Weste an sich zu nehmen. Mit seinen Worten reißt er sie aus ihrem tranceartigen Zustand. Überrascht, fast schon erschrocken wendet sie sich ihm zu.
„J-Ja." Ihr Blick wandert gen Boden und sie spielt zunächst kurz mit dem Reißverschluss der Weste. Neugierig beobachtet Reid sie. Fragt sich, was sie hat. Er kann gerade zu sehen, wie sie ein letztes Mal tief einatmet, bevor sie die Jacke öffnet und ihre Arme langsam, fast schon zaghaft aus den Ärmeln zieht. Nun weiß er, was los ist. Sie trägt nur ein T-Shirt darunter, weshalb unzählig viele Narben sichtbar sind. Er muss kurz schlucken. Dies ist nun das zweite Mal, dass er sie sieht. Und wieder erschreckt es ihn, sie zu sehen. Chelsea spürt seinen Blick auf sich und beginnt vor Unsicherheit leicht zu zittern.
„Vielleicht lasse ich sie doch lieber an." Angst macht sich in ihr breit. Angst davor, ihn nun doch verschreckt zu haben. Und Spencer wusste natürlich, was er da in ihr ausgelöst hat.
„Nein, ist doch in Ordnung.", sagt er schnell. Geht auf sie zu und hält sie davon ab, die Weste wieder anzuziehen. Er will nicht, dass sie sich in seiner Nähe unwohl fühlt. Und schon gar nicht, das sie denkt, der Anblick ihrer Arme würde ihn abschrecken. Natürlich, für ihn ist es schwer zu verstehen, warum eine liebe Person wie sie all diese Narben auf ihrem Körper trägt. Aber das interessiert ihn nicht. Er mag sie ihretwegen, da ist ihm alles andere egal. Unsicher sieht Chelsea zu ihm auf, direkt in seine Augen.
„Sicher?" Er kann die Angst in ihren Augen sehen. Ein Lächeln breitet sich auf seinem Gesicht aus. Vorsichtig, fast schon zögerlich legt er seine Hand auf ihren noch freien Arm. Er spürt wie sie leicht zusammenzuckt, anschließend anfängt zu zittern. Doch er lässt sich nicht beirren. Will ihr zeigen, dass alles okay ist. Das ihm diese Linien auf ihrer Haut egal sind. Langsam lässt er seine Hand ihren Arm herabgleiten. Immer wieder spürt er Erhebungen oder Vertiefungen. Auch wenn es ihn traurig macht, er lässt sich nichts anmerken. Schließlich greift er ihre Hand, umfasst sie sanft mit seiner.
„Absolut sicher.", antwortet er ihr ruhig und nimmt mit seiner freien Hand ihre Weste an sich. Doch er sieht ihr noch immer in die Augen. Bis sie den Blick abwendete, kurz auf ihre Hand sieht. Erleichtert schaut sie wieder auf, lächelt ihn fast schon glücklich an.
„Okay." Reid erwidert ihr Lächeln, will sich von ihr abwenden um ihre Jacke ebenfalls an die Garderobe zu hängen. Doch Chelsea lässt seine Hand nicht los. Als er sich verwirrt wieder umdreht, nutzt sie die Gelegenheit und legt ihre Arme um seinen Oberkörper. Erschrocken erstarrt der junge Agent, lässt sogar unbeabsichtigt ihre Weste auf den Boden fallen. Es fühlt sich für ihn an, als würde sein Herz einen Moment aussetzen und im nächsten unnatürlich schnell schlagen. Chelsea bemerkt das natürlich. Sie reicht ihm gerade einmal bis zur Schulter, ihren Kopf verbirgt sie also an seiner Brust, fast genau auf Herzhöhe.
„Danke.", nuschelt sie leise. Trotz der Verwirrung, der Röte und der Unsicherheit, legt sich ein Lächeln auf Reids Lippen. Zaghaft legt er seine Arme um sie. Sie verharren eine Weile in dieser Position, reden nicht. Genießen einfach nur die Nähe des anderen. Bis Chelsea langsam die Umarmung löst. Sieht mit einem Lächeln zu dem jungen Genie auf und geht anschließend in die Hocke, um ihre Jacke aufzuheben. Spencer beobachtet sie, ihre Bewegungen. Unbeabsichtigt lässt er seinen Blick erneut über ihre Arme gleiten. Und dieses Mal fällt ihm etwas besonders ins Auge. Weil sie ihren Arm nach der Weste ausgestreckt hat, ist der Ärmel ihres Shirts ein wenig nach oben gerutscht. Dadurch kann er ein Teil eines Verbandes erkennen, der scheinbar um den oberen Teil ihres Armes gewickelt ist. Es versetzt ihm einen Stich ins Herz, das zu sehen. Anders als zuvor, verwundert ihn dieses Gefühl nicht mehr. Ihm ist klar, dass er Chelsea gern hat. Sehr gern. Gerade deshalb, schmerzt es ihn, das zu sehen. Doch er beschließt es nicht zu erwähnen. Vorerst. Als sie sich wieder aufgerichtet hat, lächelt er ihr noch kurz entgegen, ehe er ihr wortlos die Jacke aus der Hand nimmt. Er musste sein Gesicht schnell abwenden, aus Angst, sie könnte erahnen, was er gesehen hat.
„M-Möchtest du etwas trinken?" Unsicher bricht Reid die etwas unbehaglich gewordene Stille. Sieht anschließend vorsichtig zu Chelsea, die sich erneut etwas weiter umgesehen hat. Nach kurzem Überlegen, bei dem sie seinen Blick gemieden hat, schaut sie ihn wieder direkt an.
„Gern, ein Glas Wasser bitte." Ihr Lächeln wirft den jungen Agent fast aus der Bahn. Es wirkt so ehrlich und glücklich. Zuvor war immer ein Hauch von Unsicherheit darin zu erkennen. Doch dieser ist inzwischen völlig gewichen. Und dieser Anblick lindert ein wenig den Schmerz, den er noch kurz zuvor gespürt hatte. Vor allem aber ließ es ihn selbst etwas mehr entspannen. Zu sehen, dass Chelsea sich in seiner Nähe wohlfühlt, lässt seine eigene Unsicherheit auch etwas schwinden. So überwiegt dann doch die Freude über den gemeinsamen Abend.


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